SPD erneuern

SPD-Ortsverein Beverstedt: Aktiv wie zu Willys Zeiten

Kai Doering23. September 2019
Willy verbindet: Als Brandt 1969 in Beverstadt Halt machte, war Martin Mensen dort SPD-Chef. Heute leitet Claudia Suhr den Ortsverein.
Willy verbindet: Als Brandt 1969 in Beverstadt Halt machte, war Martin Mensen dort SPD-Chef. Heute leitet Claudia Suhr den Ortsverein.
Vor 50 Jahren besuchte Willy Brandt im Bundestagswahlkampf das niedersächsische Beverstedt. Die dortige SPD nimmt das zum Anlass, sich daran zu erinnern und ihren Ortsverein zu erneuern. Dort arbeiten alte Parteihasen und Neumitglieder eng zusammen.

An einem Freitag Ende August ist Willy Brandt im niedersächsischen Beverstedt ganz nah. „Wir wollen mehr Demokratie wagen“, tönt Brandts Stimme durch den Saal des Restaurants „Vittoria“. Die Aufnahme stammt aus dem Oktober 1969. In seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler erklärte Brandt, wie er vor allem junge Menschen stärker an politischen Prozessen beteiligen wollte, etwa mit einer Herabsetzung des Wahlalters. ­Wenige Wochen vorher, am 29. August 1969 hatte Brandt – noch als Außenminister – für einen Wahlkampftermin in Beverstedt Halt gemacht.

Ein Popstar der Politik

Einer, der dabei war, ist Martin Bensen. Der 79-Jährige war damals Vorsitzender der Beverstedter SPD. „Wir waren eine richtig junge Truppe“, erinnert sich ­Bensen, „der Jüngste gerade 17 Jahre alt“. Bensen sitzt an einem runden Tisch, vor sich Ausdrucke von Fotos, die Willy Brandt in Beverstedt zeigen. Zu sehen sind vor allem Männer, in Anzügen und mit Krawatten, viele mit brennender Zigarette. „Bei politischen Veranstaltungen war das damals so“, erzählt Martin Bensen.

Um an Brandts Besuch in Beverstedt zu erinnern, hat der Ortsverein 50 Jahre und einen Tag später zu einem Gesprächsabend über den langjährigen SPD-Vorsitzenden und Friedensnobelpreisträger eingeladen. Ein Beamer wirft Fotos an die Wand. Auf einem vom Schriftführer des Ortsvereins, Andreas Bohling, erstellten Transparent sind weitere Bilder und Zeitungsausschnitte zu sehen. Hinten im Raum steht eine Ausstellung über Leben und Wirken Brandts, die sich der OV von der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgeliehen hat.

Bis heute profitieren junge Leute

„Wenn ich an Willy Brandt denke, kommt mir als erstes der Kniefall von Warschau in Erinnerung“, sagt Claudia Suhr, die OV-Vorsitzende. „Er war nicht an den Verbrechen der Nazis beteiligt und hat trotzdem um Verzeihung gebeten“, erinnert die 33-Jährige. Für Felix Bernshausen steht Wily Brandt dagegen vor allem für seinen Einsatz für die Jugend. „Das BAföG geht auf Willy Brandt zurück und vieles andere, von dem junge Leute bis heute profitieren“, sagt der 22-Jährige. „Willy Brandt ist ein Popstar der Politik gewesen“, meint Andreas Bohling, „und der Architekt der Wiedervereinigung“.

„Damals bestimmte die Auseinandersetzung über die Oder-Neiße-Grenze die Debatte“, erinnert sich Martin Bensen. Vor allem in konservativen Kreisen sei Brandt für seine Ostpolitik angefeindet worden. „,Willy Brandt an die Wand‘ war ein Satz, den man damals häufiger gehört hat.“ Das werde heute oft vergessen.

Neumitglieder einbinden

Der Brandt-Abend der Beverstedter SPD soll jedoch nicht nur dem Erinnern dienen. „Wir wollen damit auch den Generationenwechsel innerhalb der SPD sichtbar machen“, erklärt die Vorsitzende Claudia Suhr. So sitzen nicht nur an diesem Abend alte und junge Mitglieder nebeneinander und sprechen über Willy Brandt. Die Veranstaltung wurde auch in einer generationenübergreifenden Arbeitsgruppe vorbereitet.

Als Suhr im vergangenen Jahr den Vorsitz übernahm, stand sie vor einer schwierigen Situation. Ihr Vorgänger hatte sich mehr und mehr zurückgezogen, gleichzeitig gab es viele Neumitglieder, die sich gerne einbringen wollten. „Wie binde ich neue Mitglieder ein, ohne dass die Altmitglieder das ­Gefühl haben, sie werden feindlich übernommen?“, beschreibt Suhr die Aufgabe, vor der sie und ihr Vorstand damals standen. Damit sich alle besser kennenlernten, organisierte der OV deshalb ein Neumitgliedertreffen. Aus dem entstanden Arbeitsgruppen, in denen Themen bearbeitet werden, die in der 13.000-Einwohner-Gemeinde relevant sind: Bildung etwa und Infrastruktur. Auch die Brandt-Veranstaltung wurde so geplant.

Beverstedt blüht dank der SPD

„Die Denkweise, jeder muss erst jahrelang Plakate geklebt haben, ehe er sich inhaltlich einbringen kann, gibt es bei uns nicht“, beschreibt Felix ­Bernshausen die Arbeit in der Beverstedter SPD. So finden alle Vorstandssitzungen grundsätzlich mitgliederoffen statt. Der Vorstand hat außerdem ein System der Mitgliederbeauftragten aufgebaut: In jeder der elf Ortschaften, die der OV umfasst, gibt es einen eigenen Ansprechpartner. „Flagge zeigen ist wichtig“, ist Felix Bernshausen überzeugt. Das gilt auch für die Partei nach außen. So haben die Genossinnen und Genossen im Frühjahr Blumensamen an die Menschen im Ort verteilt mit dem Slogan „Beverstedt blüht“. Im kommenden Jahr will der OV mit einem SPD-Wagen beim Umzug zum Erntedankfest dabei sein.

„Unsere Stärke ist, dass wir ein junges, motiviertes Team sind“, sagt Schriftführer Andreas Bohling. „Wir kombinieren Erfahrung mit jungen Ideen.“ Das reißt auch die älteren Mitglieder mit. „Ich fühle mich an meine eigene Zeit als Juso erinnert“, sagt Martin Bensen. „So wie wir zu Willy Brandts Zeiten für eine Erneuerung der SPD standen, so macht ihr das heute.“

weiterführender Artikel