Energieversorgung

SPD: Wer Nord Stream 2 blockiert, verhindert frühen Kohleausstieg

Lars Haferkamp27. Januar 2021
Umstrittene Arbeiten für Nord Stream 2: Das russische Pipeline-Verlegeschiff Akademik Cherskiy wird im Jahr 2020 nach einem Test im Fährhafen Mukran auf Rügen neu ausgerüstet.
Umstrittene Arbeiten für Nord Stream 2: Das russische Pipeline-Verlegeschiff Akademik Cherskiy wird im Jahr 2020 nach einem Test im Fährhafen Mukran auf Rügen neu ausgerüstet.
Für die SPD erhöht die Pipeline Nord Stream 2 die Versorgungssicherheit mit Erdgas in der EU. „Wir brauchen Gas als Brückentechnologie zwischen dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl“, betont Bernd Westphal, der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion an die Adresse der Grünen.

Bernd Westphal, das EU-Parlament hat in der letzten Woche einen sofortigen Baustopp für die deutsch-russische Erdgaspipeline Nord Stream 2 gefordert. Die SPD-Europaabgeordneten haben das mit großer Mehrheit abgelehnt. Haben sich die deutschen Abgeordneten damit isoliert?

Nein, die unpassende Vermischung von Nord Stream 2 und dem Fall Nawalny hat dazu geführt, dass die Resolution in den Medien zu einer Abstimmung gegen die Pipeline umgedeutet wurde. Über den Artikel 11 zu Nord Stream 2 wurde jedoch gesondert abgestimmt. Die SPD-Gruppe hat hier mehrheitlich gegen den Baustopp von Nord Stream 2 gestimmt. Zur Resolution des Europäischen Parlaments über eine Inhaftierung von Alexei Nawalny haben die SPD-Europaabgeordneten eine ausführliche Stimmerklärung abgegeben und dies – wie ich – klar verurteilt.

Das EU-Parlament hat seine Forderung nach einem Baustopp aber genau mit dem Vorgehen Russlands gegen Alexej Nawalny begründet.

Der Umgang Russlands mit Kreml-Kritiker Alexei Nawalny ist nicht zu tolerieren. Natürlich muss Europa eine klare Antwort auf die Inhaftierung von Alexei Nawalny geben. Diese Debatte aber mit Nord Stream 2 zu vermischen, ist vollkommen falsch. Nord Stream 2 ist erst einmal ein europäisches und privatwirtschaftliches Projekt. Ein Baustopp der Ostsee-Pipeline würde vor allem den beteiligten Firmen schaden. Es sind nicht nur deutsche Unternehmen, es sind französische, österreichische, deutsche und holländische Unternehmen beteiligt.

Angesichts des großen Widerstandes gegen Nord Stream 2: Was sind denn die wesentlichen Gründe für das Projekt?

Das Projekt erhöht vor allem die Versorgungssicherheit der Europäischen Union insgesamt. Wir brauchen Gas als Brückentechnologie zwischen dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl. Klar ist: Wer die Erdgasversorgung – wie die Grünen – blockiert, verhindert einen frühen Kohleausstieg und gefährdet eine wettbewerbsfähige Energieversorgung. Es geht nämlich auch um eine kostengünstige Energieversorgung in Europa und Deutschland. Nord Stream 2 schafft hierfür ein zusätzliches Angebot. Die Erhöhung des Angebots an kostengünstigem Gas wirkt sich zudem dämpfend auf die Erdgaspreise aus. Außerdem hat eine moderne Pipeline weniger Leckagen und dient somit auch dem Umwelt- und Klimaschutz. Später kann die Pipeline mit leichten Umbaumaßnahmen genutzt werden um auch CO2-frei produzierten Wasserstoff nach Europa zu transportieren.

Viele Kritiker argumentieren nicht energie- sondern sicherheitspolitisch: Sie warnen vor einer Stärkung Russlands und einer Schwächung Osteuropas durch die Pipeline. Können Sie dieses Szenario ausschließen?

Auch zu Zeiten des tiefsten kalten Krieges oder der Annektion der Krim hat es keinen Einfluss auf Energielieferungen gegeben und wir sind stets unseren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Es gibt ja bereits einen Kompromiss auf europäischer Ebene: Nord Stream 2 wurde bereits vor vielen Jahren entschieden und genehmigt. Dass die Pipeline zu Ende gebaut wird, ist eine Frage von Investitionssicherheit und Rechtstreue. Und mit der Versorgung des Gases durch Nord Stream 2, das sind ja immerhin 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, ist ja nicht nur die Versorgungssicherheit von Deutschland erhöht, sondern von ganz Europa.

Geht es den USA wirklich um den Schutz Deutschlands oder eher darum, möglichst viel vom eigenen Fracking-Gas an die Bundesrepublik zu verkaufen?

Zunächst einmal ist die Energieversorgung eine innere Angelegenheit der Europäer. Wir sind souveräne Staaten und können selbst entscheiden, wie wir unsere Energieversorgung der Zukunft aufbauen möchten. Wir mischen uns ja auch nicht ein, wie die Amerikaner ihre Energieversorgung organisieren oder, dass sie selbst russisches Öl im Milliardenwert importieren. Es ist sehr leicht zu durchschauen, dass das mit Fracking-Verfahren geförderte Gas, LNG, verflüssigt wird und dann hier nach Europa kommen soll.  Die Politik, dass die Amerikaner ihre Produkte in Europa verkaufen wollen, und das ist ja dann auch eine Abhängigkeit von den USA, kann man so nicht tolerieren. Zudem ist das LNG-Gas aus den USA deutlich teurer als das aus Russland.

Die am Bau beteiligten Firmen haben gültige Baugenehmigungen. Können die jetzt kurz vor Vollendung des Projektes aus politischen Gründen außer Kraft gesetzt werden? Würde das nicht milliardenschwere Schadensersatzforderungen nach sich ziehen?

Der Bau von Nord Stream 2 erfordert rund acht Milliarden Euro Projektkosten und weitere drei Milliarden Euro an Infrastrukturkosten zur Aufnahme des Erdgases. Bei einem Baustopp wären diese Mittel weitestgehend verloren. Deutschland kann bei einem Baustopp vor internationalen Schiedsgerichten verklagt werden. Als Beispiel kann man die Klage von Vattenfall gegen die Bundesregierung wegen des Atomausstieges nehmen. Diese beschäftigt uns seit Jahren und kostet sehr viel mehr Geld als die Fertigstellung der Pipeline. Ein Baustopp würde Deutschlands Ruf als sicheren Investitionsstandort schaden, wenn ein so großes Infrastrukturvorhaben einfach beendet wird, obwohl es bereits genehmigt ist.

Der US-Kongress ist überparteilich gegen das Projekt, das gilt auch für den neuen US-Präsidenten Joe Biden. Welche Folgen hat das deutsche Festhalten an Nord Stream 2 für die deutsch-amerikanischen Beziehungen und den Versuch eines Neustartes?

Was die USA da machen, ist ja klares Vermischen außenpolitischer Interessen, die sie haben, mit solchen Sanktionen. Das ist finde ich nicht unbedingt fair. Meine Hoffnung ist, dass wir mit der Administration Biden ein bisschen mehr Bewegung reinbekommen. Ich kann nur dafür werben, dass sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder normalisieren. Es wird aber auch künftig Themen geben, bei denen man unterschiedlicher Auffassung mit den USA sein wird. Wichtig ist, dass wir in den zentralen strategischen und geopolitischen Fragen eine gemeinsame Linie haben und gemeinsam an einem Strang ziehen.

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Kommentare

Wer Nord Stream 2 blockiert, verhindert frühen Kohleausstieg

"Wer Nord Stream 2 blockiert, verhindert frühen Kohleausstieg", dies trifft vollkommen zu.

Vor allem aber begünstigt jeder Blockierer von Nord Stream 2 das wesentlich umweltfeindlichere Fracking, das vermutlich auch teurer sein wird.

Und, wer meint, man würde sich von Russland abhängig machen, ignoriert gleichzeitig, dass wir uns bei Fracking von den USA noch abhängiger machen als wir es bisher schon sind.

Deshalb volle Unterstützug für Manuela Schwesig!

Auch finde ich es unsinnig, ausgerechnet Nord Stream 2 mit dem Fall Navalny in Zusammenhang zu bringen. Schließlich ist die Urheberschaft des Kremls für die Vergiftung Navalnys immer noch nicht bewiesen, zum Anderen wurden wegen dieser Frage ohnehin schon Sanktionen verhängt, wobei bekanntlich niemand wegen ein und derselben Tat, zumal diese nicht nachgewiesen ist, zweimal bestraft werden darf.

Schließlich ist es sehr eigenartig, einen Einzelfall mit möglichen Sanktionen, die uns sogar schaden können, zu verbinden, während in anderen Ländern (z.B. Assange in England, viele Kritiker in der Türkei) auch Menschen gefangen gehalten werden, ohne dass in diesen Fällen auch nur im Geringsten an Sanktionen gedacht wird.

uneingeschränkte Zustimmung, und doch

ist zu erwarten, dass unsere Entscheider einknicken werden. Sie sind es einfach nicht gewohnt, unartig zu sein, einmal nicht zu tun, was andere mit anderen und gänzlich eigenen Interessen von Deutschland erwarten. Sie wollen geliebt werden von den anderen, und erkennen nicht, dass dies auch mit Wohlverhalten nicht zu erreichen ist.

Nawalny ist auch, was die Krim-Sanktionen angeht, keine gute Alternative zu Putin, aber das ist derzeit wohl nicht so wichtig. Hauptsache gegen Putin, der Feind meines Feindes ist mein Freund. Alles weitere sehen wir dann später. Freundliche Sympathien genossen auch die Taliban, als sie noch Feind des Feindes waren - das ist aber schon länger her

Ich bewundere auch den Mut

Ich bewundere auch den Mut von Manuela Schlesweg, was in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist.

Fragt sich nur, ob die Verhinderung der Pipeline nicht eine rein politische Maßnahme ist und mit der Gasversorgung Deutschlands und der EU eigentlich nichts zu tun hat.

Die Grünen outen sich doch wunderbar in dieser Situation. Sich vehement gegen das Projekt stellen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Einfuhr von teurem Flüssiggas fordern, was aus Transportgründen und speziell beim Frackinggas höchst umweltschädlich ist. Diese Tatsache muss mit Blick auf die angeblichen Umweltschützer in den Vordergrund gerückt werden.

die Grünen darf man nicht überbewerten

Wahlergebnisse bei Europawahlen- da greift ja auch Sonnenborn ab- es kommt ja nicht drauf an, Spaßwahlen für ein Parlament ohne Kompetenzen. Wenns hart auf hart geht, dann gelten auch bei den Grünen die Grundsätze nicht mehr- so in Hessen, und in Baden-Württemberg.
Schwätzer sind es die in den Schlagzeilen hervortreten , hoffnungslos
überschätzt

die Grünen darf man nicht überbewerten

Nein, die Grünen darf man wahrhaftig nicht überbewerten.

Wenn sie auch in der Wählergunst vorne stehen, was ich nicht verstehe, muss man die Frage stllen, für welche Politik sie überhaupt stehen, aber wie sagte Urban Priol: "Im Ernstfall verscherzen die Grünen es lieber mit der Natur als mit der CDU, es locken die Tröge im Bund."

Ich merke es auch in Baden-Württemberg.

Die "Grünen"

Es ist schon richtig auf die zu schimpfen, denn an Prinzipienlosigkeit übertreffen sie auch Funktionäre anderer Parteien. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal der SPD mehr wie es Andrea Nahles, als JuSo Vorsitzende, mal formulierte. Andererseit was zeigen wir auf die "Grünen", gibt es da nicht den Minister Mass, den Herrn Felgentreu, Frau Högl ..... sind die denn alle bei den "Grünen".
Aber wenn die BRD ein Rechtsstaat sein will, dann muss sie dafür sorgen, daß geschlossene Verträge auch einhalten werden können. Kein anderer Staat hat das Recht die Energie- und Wirtschaftspolitik eines anderen Staates zu bestimmen.

mag sein,

aber recht haben und recht bekommen ist zweierlei, zumal für die USA Sonderrechte gelten- de facto jedenfalls, und daher muss Merkel mit den ihren nachgeben

Ist die BRD denn (nch) ein

Ist die BRD denn (nch) ein Rechtsstaat? Wer als Politiker mit Wählerauftrag nicht die Interessen des eigenen Landes vertritt, sondern vielmehr die Interessen der USA oder der Großkonzerne ist doch eigentlich korrupt. Das gilt sich aucher für SPDler, die entsprechend handeln.

Dies lässt sicher auch erklären, warum aktuell diese Spezies nicht unbedingt die hellsten unter der Sonne sind - eben leichter zu dirigieren. Das es auch anders geht, haben Politiker in der Vergangen schon bewiesen, auch SPDler.

Urban Priol

Urban Priol ist ein kluger Mann.

Gleichwohl: Die Sozial-ökologische Transformation muss kommen. Da führt kein Weg daran vorbei. Die SPD muss dabei die
Führungsrolle übernehmen. Auch die SPD kann, wenn sie will, GRÜN - besser Ökologie. Hermann Scheer hat es unauslöschlich bewiesen. Und Friedrich Engels war zweifelsfrei a u c h ein ökologischer Vordenker.

Zu viel Propaganda

Abgesehen von den Sach- und Schwachargumenten die regelmäßig kommen, genügt es doch, das Bild der bösen, invasiven, abhängig machenden Russengas-Pipeline auf ein ganz normales Endverbraucherszenario anzuwenden.

Nordstream 2 macht Europa nicht abhängig sondern eröffnet Wahlmöglichkeiten sowie nahezu verzögerungsfreie Sanktionsmöglichkeiten. Das sollte gerade die Politiker die auf fehlgeleitete Überreaktionen in Form von wirtschaftlichem Harakiri stehen doch eher erfreuen.

Keiner am russischen Ende kann die Empfänger zwingen, den Gashahn auch aufzudrehen bzw. aufgedreht zu lassen.
Wer das verleugnet oder ignoriert hat offensichtlich keinen Haupthahn oder gar sonstige Wasserhähne im Hause und muß täglich Angst haben, das die Stadtwerke ihm ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr die Wohnung fluten.

Jedwede Abhängigkeitspropaganda bezüglich Nordstream 2 ist schlichtweg frei erfunden und vollkommen realitätsfern.

Sie, oder besser , wir

müssen anerkennen, dass die Kritiker an Nordstream 2 eigene Interssen haben (dürfen). Jetzt macht Frankreich Mobil, es hat wohl erkannt, dass sich für den dort produzierten Atomstrom ein markt eröffnet, wenn das Erdgas nicht in der hier geplanten menge zur Verfügung steht.
das ist völlig legitim, sollte aber uns am Allerwertesten vorbei gehen, denn wir haben unsere Entscheidung (keine Kohle, Kein Atomstrom) getroffen, und müssen nach unseren Interessen handeln. Natürlich können wir uns auch den USA andienen- als 52 Staat, oder wir fragen die Polen, ob es sich nicht auch noch weiter westlich engagieren möchte. Schleswig Holstein können die Dänen haben....