Kurz nachdem Andrea Nahles per E-Mail an alle Mitglieder ihren Rücktritt als SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende verkündet hatte, startete die Mitgliederinitiative SPD Plus Plus auf ihrer Homepage einen Aufruf für ein offenes und transparentes Verfahren zur Neuwahl der Parteiführung. Wenige Zeit später hat die Initiative mit einem ausführlichen Verfahrensvorschlag nachgelegt, wie ein solcher Prozess aussehen könnte. Demnach soll jedes SPD-Mitglied die Möglichkeit haben, sich für den Parteivorsitz zu bewerben, wenn mindestens drei Ortsvereine es nominieren.
Daran anschließen soll sich nach Wunsch von SPD Plus Plus ein mehrstufiges Verfahren, bei dem sich die Kandidatinnen und Kandidaten mit kurzen Videos, Fragestunden im Netz, aber auch klassischen Regionalkonferenzen vorstellen sollen. In der Entscheidungsphase ist für die Initiative neben einer geheimen Mitgliederbefragung auch eine online-basierte Variante denkbar, bei der in mehreren Runden zunächst die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber reduziert werden könnte. „Der gesamte Prozess könnte so interaktiver und spannender werden, was auch der Partei als Debattenstandort helfen könnte. Die eigentliche Wahl auf dem Bundesparteitag durch die Delegierte wäre aber selbstverständlich weiterhin geheim“, heißt es in der Begründung von SPD Plus Plus. Da dieses Verfahren jedoch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde, plädiert die Initiative dafür, den für Dezember geplanten Parteitag nicht vorzuziehen.
Ortsverein bringt Ehrenamtsquote ins Spiel
Ähnlich sieht das die SPD in Berlin-Schöneberg, mit fast 600 Mitgliedern die größte Abteilung in Berlin und der zweitgrößte Ortsverein in Deutschland. Während ihrer Mitgliederversammlung diskutierten die Genossen die weitere Vorgehensweise. „Wir waren der Meinung, dass es jetzt keinen Sinn macht, frühzeitig einen Parteitag einzuberufen. Man braucht jetzt ein bisschen Ruhe, um zu gucken, wie man den besten Weg findet“, sagt der Abteilungsvorsitzende Michael Biel. Die Schöneberger sprachen sich dafür aus, dass es künftig in der SPD eine paritätische Doppelspitze geben soll. Zudem fordern sie: „Es muss ein Weg gefunden werden, die Mitgliedschaft breit zu beteiligen.“ Auch solle die Basis durch eine Ehrenamtsquote im künftigen Parteivorstand verstärkt eine Stimme finden.
Die Jusos Brandenburg plädieren derweil für eine Trennung von Amt und Mandat. Demnach sollen künftig weder Bundes- oder Landesminister noch Ministerpräsidenten für Spitzenämter in der Partei kandidieren. Außerdem fordern die Brandenburger einen diversen Parteivorstand, der die Bevölkerung in Deutschland in möglichst vielen Facetten abbilde und in dem sich auch die ostdeutschen Bundesländer mit ihren spezifischen Themen stärker repräsentiert fühlten. Der Juso-Bundesverband hat sich in der Debatte bislang nicht positioniert und sammelt zurzeit stattdessen – analog zur Parteiführung – Positionen und Stimmungsbilder der Bezirke und Landesverbände.
SPD Baden-Württemberg: Vorwahl denkbar
Dagegen haben sich die Landesverbände der SPD in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg bereits klar geäußert. Der Landesvorstand aus Nordrhein-Westfalen plädiert in einem siebenseitigen Brief an das kommissarische Führungstrio Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig unter anderem dafür, die Mitglieder in Personalfragen einzubeziehen. Außerdem solle der Bundesparteitag wie geplant im Dezember 2019 stattfinden. Dort solle zugleich die schwarz-rote Koalition evaluiert werden. Dafür müssten Befürworter und Kritiker gleichwertig einbezogen werden.
Die SPD Baden-Württemberg spricht sich in einem Beschluss für eine „Parteiführung auf breitem Fundament“ aus. Bei der Entscheidungsfindung sollten die Mitglieder eingebundet werden. Dabei sei – wie in anderen europäischen Ländern – auch eine Vorwahl denkbar, an der auch Nicht-Mitglieder teilnehmen könnten. Eine Variante, die zuvor bereits der Hamburger Bundestagsabgeordnete und Sprecher des Seeheimer Kreises Johannes Kahrs ins Spiel gebracht hatte.
Mehr als 22.000 Vorschläge
Einen weiteren Vorschlag machte die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken aus Baden-Württemberg. Die stellvertretende digitalpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion brachte via Twitter eine Mitgliederbefragung ins Gespräch. Bei dieser Variante würde eine Vielzahl von Personen kandidieren. Die Mitglieder hätten nach Eskens Vorschlag mindestens zehn und maximal 20 Stimmen zur Verfügung, mit denen sie ihre jeweiligen Favoriten für eine Kandidatur zum Parteivorstand ermutigen könnten.
Insgesamt sind im Willy-Brandt-Haus bereits mehr als 22.000 Vorschläge eingegangen, die bis zur Sitzung des Parteivorstands am 24. Juni ausgewertet werden sollen. Noch bis Donnerstag, 13. Juni, um 23.59 Uhr können die Mitglieder ihre Ideen der Parteizentrale kommunizieren. Zu diesem Zweck haben alle Genossinnen und Genossen in der vergangenen Woche eine personalisierte E-Mail von Generalsekretär Lars Klingbeil erhalten. Welche Vorschläge mit der Satzung vereinbar wären, haben wir hier aufgeführt.