Junge Außenpolitik

Warum die SPD mehr Potenziale der Entwicklungspolitik nutzen sollte

Andreas Brox26. April 2023
Für eine neue sozialdemokratische Entwicklungspolitik: Die richtigen Partner*innen vor Ort können eine Brücke zwischen Deutschland und den Partnerländern bauen.
Für eine neue sozialdemokratische Entwicklungspolitik: Die richtigen Partner*innen vor Ort können eine Brücke zwischen Deutschland und den Partnerländern bauen.
Gute Entwicklungspolitik kann helfen, globale Probleme zu lösen. Leider vernachlässigt die SPD in ihrem Positionspapier zur Neuausrichtung der Sozialdemokratie in der Zeitenwende zwei dafür entscheidende Potenziale.

Entwicklungszusammenarbeit ist eine große Chance, gemeinsames Handeln angesichts grenzüberschreitender Herausforderungen möglich zu machen. Dazu braucht es die richtigen Partner*innen vor Ort und jemanden, der eine Brücke zwischen Deutschland und den Partnerländern bauen kann.

Machtstrukturen verändern geht nur gemeinsam

Die Kommission Internationale Politik (KIP) formuliert in ihrem Papier den richtigen Anspruch, dass SPD-Entwicklungspolitik „auf die Überwindung patriarchaler und postkolonialer Machtstrukturen dringt“. Es ist gut, dass sie Deutschlands Verantwortung bekräftigt „neokoloniale und neoliberale Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit zu beseitigen“. Doch das Papier bleibt hier abstrakt. Was fehlt: klare Aussagen, wie dies gelingen soll und ein Bekenntnis dazu, die Selbstbestimmung der Menschen zu stärken, die von finanzierten Projekten profitieren sollen.

Bundesentwicklungsministerin Schulze, die mit ihrer Strategie für feministische Entwicklungspolitik kürzlich konkrete Schritte für eine transformative Entwicklungszusammenarbeit benannt hat, schreibt in ihrem Diskussionsbeitrag zum KIP-Papier: „Diese Art von Veränderung schafft man aber nicht alleine, das geht nur gemeinsam“. Stimmt! Dafür braucht man die richtigen Partner*innen.

Lokale Zivilgesellschaft als Partner*innen für Wandel

Lokale zivilgesellschaftliche Akteur*innen bringen Wandel voran. Sie kennen die spezifischen lokalen Gegebenheiten und sind am besten in der Lage nachhaltige Strukturen zu schaffen. Das hat uns die Pandemie anschaulich gezeigt. Als internationale Mitarbeiter*innen abgezogen wurden, koordinierten lokale Akteur*innen wirksame Hilfe. Die Entwicklungsforschung bestätigt, dass stärkere lokale Steuerung gut für die Wirksamkeit von Projekten ist.

Daraus sollten wir lernen und die lokale Zivilgesellschaft stärker und unmittelbarer unterstützen. Echte partnerschaftliche Beziehungen müssen eine Übertragung von Entscheidungsmacht an lokale Akteur*innen beinhalten. Andere Länder tun dies bereits. Die US-amerikanische Behörde USAID macht mit einer Strategie für „Lokalisierung“ vor, wie es geht.

Diaspora ist Brücke zu Partnerländern

Eine wichtige Brücke zu den Gesellschaften anderer Länder findet im KIP-Papier keine Erwähnung: die Diaspora. Diasporagemeinschaften bilden eine Schnittstelle zwischen Deutschland und unseren Partnerländern. Mit ihrem Wissen über die Gegebenheiten vor Ort, ihren kulturellen Erfahrungen und Sprachkenntnissen, sowie ihren vertrauensvollen Beziehungen zu lokalen Netzwerken können sie einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit leisten.

Eine stärkere Zusammenarbeit mit der Diaspora in Deutschland und lokaler Zivilgesellschaft in den Partnerländern wäre daher eine echte Chance für transformative Entwicklungspolitik – als sozialdemokratische Antwort auf eine Welt im Umbruch.

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Kommentare

Mehr Potenziale der Entwicklungspolitik nutzen

Das wichtigste Potenzial, scheint mir vorerst eine Fehleranalyse der 60 – 70 jährigen EZA-Arbeit zu sein, da wir keine Strategie haben, außer mehr Förderungen und Spendengelder lukrieren zu wollen. Wir haben keine Datenbanken wo positive kontrollierte Projekte aufscheinen, oder anderes positives Wissenswertes.
Darum das POTENZIAL – FEHLERANALYSE voll ausschöpfen.
Gerhard Karpiniec
Münchendorf/Österreich

„Potenziale der Entwicklungspolitik nutzen“

Andreas Brox bemängelt, dass das KIP-Papier – in den Empfängerländern - zwar „auf die Überwindung patriarchaler und postkolonialer Machtstrukturen dringt“, aber „klare Aussagen, wie dies gelingen soll“, fehlen. Das ist so.
Er selbst will mit „guter Entwicklungspolitik helfen, globale Probleme zu lösen“, setzt dabei „entscheidend ... (auf) lokale zivilgesellschaftliche Akteur*innen“ und auf „stärkere Zusammenarbeit mit der Diaspora in Deutschland und lokaler Zivilgesellschaft in den Partnerländern“. Das sind blendende Vorschläge, die z. T. auch Svenja Schulze verfolgt, die zudem „die Perspektive von Frauen mitzudenken und zu adressieren“ stark hervorhebt. Gut so, unbedingt verfolgen! Für den Anfang schon mal auf die vereinbarte Koppelung der Ausgabenzuwächse von Entwicklungshilfe und Militärausgaben pochen - da höre ich nichts!

Sie lösen aber nicht das Problem, dass unsere Handelsabkommen mit den Ländern des Globalen Südens deren schwache Volkswirtschaften heillos überfordern: Freier Handel nutzt vor allem den hochentwickelten Volkswirtschaften mit überlegenen Produkten.

„Potenziale der Entwicklungspolitik nutzen“ _2

Will ein Staat des „Westens“ seine Industrie oder Landwirtschaft vor überlegener ausländischer Konkurrenz schützen oder neue Schlüsselindustrien aufbauen, dann macht er das durch Subventionen, wie die USA mit IRA oder die Bundesrepublik mit dem angekündigten Strompreisdeckel für Industriestrom gerade vormachen. Unterentwickelte Volkswirtschaften könnten das nur mit (Schutz-) Steuern oder Zöllen – sie können sich Subventionen gar nicht leisten.
Die Freihandelsabkommen des „Westens“ verlangen aber von ihren „Partnern“, Handelshemmnisse durch Steuern und Schutzzölle ganz oder größtenteils abzubauen. So brüstet sich das BMWK damit, dass „für 91 Prozent aller zwischen der EU und MERCOSUR gehandelten Waren die Zölle abgeschafft werden, ... (was) für europäische Exporteure jährliche Einsparungen in Höhe von 4 Milliarden Euro“ bedeutet – die aber den MERCOSUR-Staaten fehlen.
Freihandelsabkommen bringen uns/dem „Westen“ den „Zugang der (z. B.) deutschen Industrie zu stark nachgefragten Rohstoffen“ (Sophia Boddenberg: Blätter ..., 3`23), die im „Westen“, nicht im Herkunftsland, zu riesigen Wertschöpfungen führen.

„Potenziale der Entwicklungspolitik nutzen“ _3

Sie führen in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu „Monokulturen, die ... (z. B.) Soja und Mais ... als Rohstoffe vor allem (für) Futtermittel für europäisches Vieh“ produzieren (Paasch/Ramos Görne: Blätter ... 4´23). Die Gewinnung der Rohstoffe, teilweise auch die landwirtschaftliche Produktion, ist aber vor allem mit privatem ausländischem Geld zu realisieren, ausdrücklich von den „Vereinten Nationen ... als wesentliche Richtschnur der Entwicklungspolitik“ (Frauke Banse: Blätter ..., 5`23) begrüßt. Steuererleichterungen und Sicherheitsgarantien für ausländische Investoren durch die Länder des Globalen Südens, Gewinnrepatriierung und hohe Zinsen für handelbare Staatsanleihen sind lohnende Objekte für „globale Finanzmarktakteure“ und „multinationale Konzerne“. Im Ergebnis führen sie „zu einem gigantischen Werteabfluss von Süd nach Nord“, im Globalen Süden aber zu mehr Verelendung und einer „neuen, ruinösen Schuldenkrise“ (Frauke Banse: Blätter ..., 5`23).

„Potenziale der Entwicklungspolitik nutzen“ _4

Unsere „Außen- und Entwicklungspolitik“, jetzt „Chefinnen-Sache“ (1.3.), auf Freiwilligkeit und Recht gegründete, also (in unserem Narrativ) wertebasierte Handelspolitik, sorgt viel eleganter und uns moralisch nicht belastend für „neokoloniale Arbeitsteilung“ (Paasch/Ramos Görne: Blätter ... 4´23), ohne die ehemals notwendige militärische Unterwerfung, bei der auch schon mal ein kleiner Völkermord als Kollateralschaden hingenommen werden musste. Solange „feministische Außen- und Entwicklungspolitik“ nicht die aktuellen makroökonomischen Bedingungen drastisch verändert, werden die „Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Südamerika (dem Globalen Süden) wohl auch in Zukunft koloniale Ausbeutungsstrukturen vertiefen“ (Sophia Boddenberg: Blätter ..., 3`23), auch wenn Olaf Scholz sie als „Partnerschaft auf Augenhöhe“ behauptet.