Entwicklungszusammenarbeit

Die SPD muss mehr Entwicklungspolitik wagen

Stephan Exo-Kreischer02. November 2018
Hilfe zur Selbsthilfe: Um die zunehmen Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit zu finanzieren, muss Deutschland mehr Geld geben, fordert die Entwicklungsorganisation ONE.
Die internationale Entwicklungszusammenarbeit konnte in den vergangenen Jahren deutliche Erfolge vorweisen. Damit sie auch künftige Herausforderungen wie Flucht und Klimawandel bewältigen kann, muss Deutschland mehr Geld ausgeben. Die SPD sollte sich deshalb auf Willy Brandt besinnen.

In Zeiten, in denen der Ruf nach Aufrüstung wieder lauter wird, lohnt es sich, sich die Worte des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: „Wo Hunger herrscht, kann Friede nicht Bestand haben. Wer den Krieg ächten will, muss auch die Massenarmut bannen.“ Willy Brandt ist heute aktueller denn je. Wie kaum ein anderer hat er das Bild der SPD als Partei der internationalen Solidarität geprägt. In seinem häufig zitierten Nord-Süd-Bericht forderte Brandt mehr Geld für Entwicklung und weniger für Rüstung. Mit der gleichen Forderung setzte die SPD die Union im Wahlkampf 2017 unter Zugzwang: Für jeden Rüstungs-Euro sollten 1,50 Euro in Entwicklungshilfe investiert werden.

Immenser Bedarf für die Entwicklungszusammenarbeit

Der Wahlkampf ist nun vorbei und die SPD stellt den Finanzminister. Im Koalitionsvertrag schlug sich die Wahlkampfforderung zumindest darin nieder, dass die zu erwartenden Steuermehreinnahmen vor allem in Verteidigung und Entwicklung investiert werden sollten – im Verhältnis von 1:1. Beste Voraussetzungen, sollte man denken. Schaut man sich die mittelfristige Finanzplanung aus dem Finanzministerium allerdings genauer an, fällt auf, dass von 1:1 keine Rede mehr sein kann, sondern 2:1 für Verteidigung geplant ist.

Deutschland hat sich bereits 1970 – richtig: unter der Kanzlerschaft Willy Brandts – dazu verpflichtet, 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Diese sogenannte ODA-Quote ist der Inbegriff internationaler Solidarität: Jeder Staat gibt einen kleinen Anteil entsprechend seiner derzeitigen ökonomischen Möglichkeiten. Seit 1970 wurde dieses Ziel wiederholt bekräftigt und auch im aktuellen Koalitionsvortrag verankert. Es zu erreichen ist nach wie vor aktuell, aber nicht um der Zahl willen, sondern weil der zu finanzierende Bedarf immens ist. Es gilt, die UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 zu erreichen und extreme Armut zu beenden, die Auswirkungen des Klimawandels vor allem in ärmeren Staaten abzumildern und humanitäre Hilfe für die steigende Zahl von Vertriebenen zu leisten.

Die Erfolge sind unverkennbar

Die bisherigen Erfolge sind nicht von der Hand zu weisen: Der weltweite Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, ist seit 1990 von 35 auf unter 11 Prozent gesunken. 72 Entwicklungsländer haben es im gleichen Zeitraum geschafft, den Anteil der Hunger leidenden Menschen zu halbieren. 2013 konnten alleine in Subsahara-Afrika 65 Millionen mehr Kinder eine Grundschule besuchen als noch 1999. Zum ersten Mal in unserer Geschichte gibt es mehr Menschen, die Zugang zu lebensrettenden Aids-Medikamenten haben als Menschen, die sich mit HIV anstecken. Seit 2000 sank die Zahl der Malaria-Todesfälle um 37 Prozent. Und wir stehen unmittelbar davor, Polio komplett auszulöschen.

Das Ziel, extreme Armut zu beenden, klingt für manche vielleicht völlig utopisch, aber das ist es nicht. Es ist allerdings nur möglich, wenn auch die wirtschaftlich stärkeren Staaten ihre Versprechen einhalten. Sie müssen sich darauf besinnen, vor allem in Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung zu investieren und dort, wo sich die extreme Armut ballt. Doch in der derzeitigen Finanzplanung nähert sich Deutschland dem 0,7.Prozent-Ziel nicht einmal an. Im Gegenteil, wir entfernen uns sogar davon – und zwar deutlich. Nachdem das 0,7-Prozent-Ziel 2016 zum ersten und einzigen Mal erreicht wurde, befindet sich die ODA-Quote im freien Fall. Waren wir 2017 noch bei 0,66 Prozent, erreichen wir dieses Jahr nur noch rund 0,58 Prozent. Tendenz sinkend.

Dabei stellt zurzeit die SPD den Finanzminister. Und das Geld ist da. Was jetzt benötigt wird, ist politischer Wille. Die SPD hat es selbst in der Hand und muss sich wieder auf ihre Wurzel als Friedenspartei besinnen, denn wie Willy Brandt schon richtig erkannte: „Entwicklungspolitik von heute ist die Friedenspolitik von morgen“.

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Kommentare

Wie sieht nachhaltige, gerechte Entwicklungspolitik aus ?

Die Frage das wir mehr leisten müssen zur Entwicklung und Wiederaufabau der von uns ausgebeuteten Staaten ist ja längst geklärt.und steht außer Frage !
Was anscheinend noch nicht geklärt ist , ist die Frage: Wie sieht wirklich faire und nachhaltige Entwicklungspolitik aus ?!
Die bisherige Linie ist : Entwicklungspolitik ja gerne, aber nur wenn es vorwiegend unserer (der deutschen und europäischen) Wirtschaft nützt !
Also nach klarem egozentrierten neoliberalen Muster !!!
Da sehe ich bei der SPD/Alt keinerlei Richtungswechsel, oder ?

Wo Hunger herrscht, kann Friede nicht Bestand haben

Dieser Satz von Willy Brandt ist angesichts der Flüchtlingsbewegungen aktueller denn je. Jeder Euro, den wir bei der Entwicklungshilfe sparen, bedeutet die zehnfache Ausgabe für Flüchtlinge. Die Entwicklungshilfe darf nicht länger nach dem Gießkannenprinzip erfolgen. Entwicklungshilfe sollte nur an Länder geleistet werden, die bestimmte demokratische Standards einhalten. Solche Länder gibt es auch in Afrika. Und dort wo Entwicklungshilfe geleistet wird, sollte auch nicht gekleckert sonder geklotzt werden um den Druck auf korrupte und autokratische Herrscher zu erhöhen. Denn die Korruption autoritärer Regierungen sind eine wesentliche Ursache für Armut, Flucht und Bürgerkrieg. Denn auch dieser Satz von Willy Brandt zeigt uns die Richtung: „Entwicklungspolitik von heute ist die Friedenspolitik von morgen“.

99% Zustimmung...

...wir sollten aber tunlichst darauf achten, dass wir mit einer falschen Wirtschaftspolitik und unfairen Handel ,einseitig zugunsten der strukturell starken "Kolonialmächte", mit dem A.....nicht wieder einreißen was wir und die Menschen dort mit Mühe aufbauen !! Deshalb Fairhandel statt Freihandel !

Entwicklungshilfe statt weltweite Rüstungsausgaben

Man nehme die weltweiten Rüstungsausgaben und stecke sie in die Entwicklungshilfe. Man beende die für die Entwicklungsländer unvorteilhaften Freiausbeutungsabkommen. Man beende die ungerechten Agrarsubventionen in der EU und in den USA, die die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern zerstört. Man demokratisiere EU, UNO, Weltbank und IWF (one country, one vote). Man besteure oder verbiete menschunwürdige Lieferketten. Man beende das weltweite Steuerdumping. Man beende jegliche regime Change Politik. Jegliche andere Entwicklungshilfe ist unseriös bzw. nur halbherzig.

Man kann im Rahmen der

Man kann im Rahmen der Entwicklungshilfe auch ein Wasserkraftwerk bauen und finanzieren, welches an einem Fluss gebaut wurde, welcher nur rd. 5 Monate im Jahr Wasser führt und während dieser Monate noch Grobsand und Gestein mit sich führt, wie in der Nähe von Kabul geschehen. Strom hat das Werk kaum produziert, wie denn noch auch. Das nennt man dann "Entwicklungshilfe zur Maximierung des Profits" für das deutsche Unternehmen, welches das Kraftwerk gebaucht hat. Leider kein Einzelfall.

Entwicklungshilfe

Bisher lief da einiges schief, da Entwickungshilfe unter der Prämisse gewährt wurde ob sie denn auch Vorteile für "unsere Wirtschaft" hat. Davon müssen wir weg, Entwicklungshilfe muss bei denen ankommen, die sie am dringensten brauchen.
Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz o.ä. ist natürlich auch kontraproduktiv, da es dringend benötigte Kräfte aus den "Entwicklungsländern" anzieht; im Gegenteil sollten hier Menschen von dort qualifiziert werden, die dann in ihren Heimatländern als Fachkräfte arbeiten.
Förderung von Landgrabbing, speziell für Cash-crops ist zu unterbinden; kleinbäuerliche Landwirtschaft ist in der Regel für die Ernährungssouveränität bedeutend effektiver - gut das führt natürlich zu Konflikten mit der "Ernährungsindustrie", aber SOZIALDEMOKRATEN sollten nicht den Konzernen verpflichtet sein sondern den Menschen.
Der ganze militärische Unfug sollte sofort unterbunden werden, denn die Erfahrung zeigt doch, daß man die Liebe zur Demokratie den Menschen nicht mit Gewehrkugeln in die Herzen pflanzen kann.
Großprojekte, mit großen Geldströmen, verführen zu Korruption, deßhalb lieber vele Kleinklein.

Die Ausbildung von

Die Ausbildung von Fachkräften sollte m.E. in den Entwicklungsländern erfolgen. Landwirtschaft in Afrika ist nicht mit der in Europa zu vergleichen. Aber was nützt die Hilfe für die Landwirtschaft Afrika wenn Europa im Rahmen von Knebel-Freihandelsverträgen den dortigen Markt mit Billigprodukten flutet und den Bauern/Kleinbauern die Lebensgrundlage dadurch entzieht.
Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass Frankreich die ehemaligen Kolonien immer noch finanziell abzockt. Ohne die Transferleistungen aus den zumeist ärmsten Staaten Afrikas wäre Frankreich pleite. Was die militärischen Aktionen des Wertewestens dort angeht, sind diese dort einzustellen. Wo Boko Haram wütet ist auch immer westl. Militär in der Nähe - eigenartig.