Vor 45 Jahren

SPD lehnt Zusammenarbeit mit Kommunisten ab

Thomas Horsmann13. November 2015
DKP-Demonstration in Kassel
In den 1970er Jahren sehr aktiv: die DKP, hier bei einer Demonstration für die Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik 1970 in Kassel
1970 lehnt die SPD in einem Abgrenzungsbeschluss jede Zusammenarbeit mit Kommunisten in der Bundesrepublik ab.

Es ist laut im Saal, die Stimmung erregt. Der Genosse Norbert Gansel meldet sich zu Wort. Doch den Juso-Vize will hier in München keiner hören. Es dauert eine Weile, bis sich die rund 80 Teilnehmer der gemeinsamen Sitzung von Parteirat, Kontrollkommission und SPD-Parteivorstand wieder etwas beruhigen. Schließlich darf -Gansel seine Kritik an der zur Debatte stehenden Beschlussvorlage äußern. Die Einwände des Jungsozialisten finden jedoch so gut wie keine Unter-stützer. Mit großer Mehrheit verabschiedet die Versammlung, die Willy Brandt am Samstag, dem 14. November 1970 eröffnet hatte, den sogenannten Ab-grenzungsbeschluss, der Aktionsgemeinschaften zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten untersagt.

Konkret fordert der Parteirat alle Organisationsgliederungen der SPD auf, ihre Mitglieder mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass es parteischädigend sei, wenn sie „zusammen mit Mitgliedern der DKP, SEW, SDAJ und der FDJ (Berlin) gemeinsame Veranstaltungen durchführen, gemeinsame Publikationen herausgeben, gemeinsame Aufrufe, Flugblätter, Einladungen usw. unterzeichnen“ und an von DKP und SDAJ gesteuerten Publikationen mitarbeiten. Notfalls solle ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet werden.

Linksruck in der SPD

Zwar hatte sich die SPD 1959 mit dem Godesberger Programm eindeutig vom Kommunismus distanziert, doch inzwischen hat sich vieles geändert. Studentenrevolte und Außerparlamentarische Opposition (APO) hinterlassenen auch in der SPD ihre Spuren. Denn viele junge, linke Intellektuelle drängen in die SPD, in der Hoffnung dort etwas zu bewirken.

Hinzu kommt die neue Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition, die von Willy Brandt und Egon Bahr vorangetrieben wird. Sie setzt auf Verständigung mit den kommunistischen Staaten Osteuropas. Der Moskauer Vertrag wird am 12. August 1970 unterzeichnet, und Bundeskanzler Brandt schreibt durch sein Treffen mit DDR-Ministerpräsident Willi Stoph am 19. März 1970 in Erfurt innerdeutsche Geschichte.

Innerparteilich bereitet jedoch die Zusammenarbeit von Parteimitgliedern mit kommunistischen Organisationen Sorgen. Zudem nutzt die CDU/CSU-Opposition die Gelegenheit, um das Ende der bürgerlichen, demokratischen Welt an die Wand zu malen.

In der aufgeheizten Stimmung sieht sich die Parteispitzte zum Handeln gezwungen. Sie gibt bei Professor Richard Löwenthal ein Papier zum Thema „Sozialdemokratie und Kommunismus“ in Auftrag, das zur Grundlage des Parteiratsbeschlusses wird. Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Wischnewski macht in einem Rundschreiben klar, dass die SPD gegenüber den eigenen Mitgliedern und der Öffentlichkeit ein deutliches Zeichen setzen müsse, dass die Bereitschaft, Verträge mit kommunistischen Ländern zu schließen, nicht bedeute, dass die Partei ihre grundsätzliche Einstellung zur Ideologie und Herrschaftspraxis der Kommunisten aufgebe oder ändern werde.

Wehrhafte Demokratie

Die folgende innerparteiliche Auseinandersetzung wird von der Parteispitze forciert. Insgesamt können die Parteilinke und die Jusos langfristig stärker in die SPD integriert werden. Eine Folge des Abgrenzungsbeschlusses ist der Bruch der SPD mit dem Sozialistischen Hochschulbund, der an vielen Universitäten mit dem Marxistischen Studentenbund Spartakus zusammenarbeitet.

In der Öffentlichkeit hinterlässt die Partei jedoch den Eindruck, dass sich die intellektuelle Jugend ständig mit der pragmatischen Regierungsmannschaft streitet. Eine weitere Folge des Abgrenzungsbeschluss ist letztlich der Radikalenerlass, der 1972 von der sozial-liberalen Regierung beschlossen wird. Im Zeichen der „wehrhaften Demokratie“ soll er dafür sorgen, dass Extremisten von der Beamtenlaufbahn ausgeschlossen wurden.

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Kommentare

Unglaubliche SPD

Dieser Beitrag ist zu loben. Deckt der Autor doch Sachen auf, die man nicht für möglich hält und die nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Und wer weiß, wäre es damals anders gelaufen, wäre alles danach womöglich auch anders gelaufen. Man hätte unter anderem den Grundwiderspruch, ein Übel der heutigen Probleme, längst ausdiskutiert und es gäbe heute keinen Terrorismus.
Wer weiß?

Schon bei den Abstimmungen zu

Schon bei den Abstimmungen zu den Kriegskrediten im Reichstag vor dem ersten Weltkrieg hat die SPD gezeigt dass sie auf der Seite des Kapitals steht. Nur einer stimmte dagegen; Karl Liebknecht. Wer ihn und Rosa Luxemburg nachher ermorden ließ, wissen wir ja auch. Ich sehe schon lange keinen Grund mehr, die SPD in irgendeiner Weise zu unterstützen. Das geht allerdings gegen die Führer der SPD, nicht die Basis. Ich denke, dass die SPD Basis etwas besseres verdient hat.

Zur Info: Der hat bei der

Zur Info: Der hat bei der ersten Abstimmung übrigens auch dafür gestimmt.

Verhältnis zu Kommunisten und Linkspartei

Zu Zeiten des Ost-West Konfliktes war der Abgrenzungsbeschluß noch verständlich. Heute ist die Uhr vorgerückt. Die heutigen Linken sind lange nicht so homogen wie Kommunisten, PDS und weitere Sektierer.
Schon vergessen das ein nicht unwesentlicher Schub zu Gunsten der Linken von der WASG ausging. Und wer hat große Teile der Arbeitnehmer aus der SPD vertrieben? Und warum wurden nie offizielle Zahlen der Mitgliedsverluste SPD veröffentlicht? Nach 57 Jahren Mitgliedschaft bin ich reichlich desillusionert, das WIR auf der Höhe der Zeit sind. Allerdings ist Austritt für mich keine Option! Denn daurch werden nur diejenigen geschwächt die meine Meinung teilen. Das dürften mehr 100 sein. Die Hoffnung stirbt zu letzt!