Wahlprogramm

SPD-Konferenz: Die Sozialdemokratie muss eine europäische Partei werden

Vera Rosigkeit01. Dezember 2020
Bei der fünften Online-Konferenz der SPD ging es um das Thema „Europa, Frieden und die Welt“
Mit viel Beteiligung und Transparenz beschreitet die SPD ihren Weg zur Bundestagswahl. Bei der fünften von insgesamt sechs Online-Konferenzen diskutieren Genoss*innen mit Udo Bullmann über das Europa der Zukunft.

Es sind die Sustainable Development Goals, kurz SDG, die für den Europabeauftragten des SPD-Parteivorstandes Udo Bullmann den Kompass für eine gerechte und faire Welt bieten. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen könne Frieden und Vertrauen in einer Welt stärken, die niemanden zurücklässt, sagt er. Eine gute Botschaft käme aus den USA, so Bullmann. Für praktische Schritte für mehr Nachhaltigkeit habe man mit dem kürzlich gewählten Präsidenten Joe Biden einen neuen Partner gefunden.

Sozialdemokratie muss europäische Bewegung werden

Bei der fünften von insgesamt sechs Online-Konferenzen debattiert Bullmann am Montagabend mit SPD-Mitgliedern zum Thema „Europa, Frieden und die Welt“. Nachdem seit Anfang Oktober rund 4500 Genoss*innen in einer digitalen Programmwerkstatt in sechs „Clustern“ zu unterschiedlichen Themen Vorschläge gemacht und ihre Ideen eingebracht haben, werden diese bei digitalen Konferenzen diskutiert. Ziel ist die Erstellung eines Programms für die Bundestagswahl im kommenden Jahr.

Doch lässt sich mit Außenpolitik überhaupt eine Bundestagswahl gewinnen, fragt eine Genossin. In der Vergangenheit wurde dies oftmals verneint. Eine andere Genossin merkt an, dass Europapolitik nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa gemacht werden müsse. Dafür brauche es ihrer Meinung nach eine europäische sozialdemokratische Partei. Dass die Sozialdemokratie eine europäische Bewegung werden muss, steht für Bullmann außer Frage. Die SPD müsse eine europäische sozialdemokratischer Mitgliederpartei werden, „sonst hat sie keine Zukunft“ sagt der Europaabgeordnete. Und dass die SPD die Fähigkeit zu einem großen Entwurf mit einer außenpolitischen Erzählung habe, daran zweifele er nicht. Im Gegenteil sei die Partei in der Vergangenheit viel zu oft im kleinen Karo unterwegs gewesen, kritisiert er.

Rechtsstaatsmechanismus ist gut

Ob Rechtsstaatlichkeit, Finanztransaktionssteuer oder Geflüchtetenpolitik, auch an diesem Abend bringen Mitglieder wieder viele gute Ideen ein: Seenotrettung sei internationales Recht, sagt eine Genossin. Ihr geht es um die Vorwürfe gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Bullmann gerne aufgreift. Es könne nicht toleriert werden, wenn eine EU-Grenzagentur Menschenrechte nicht einhalte, ist er überzeugt. „Wir brauchen eine Grenzagentur mit menschlichem Antlitz und nicht eine, die Leib und Leben von Migrant*innen heraufbeschwöre“, betont er.

Auch zur Rechtsstaatlichkeit hat er eine klare Vorstellung. Die Idee eines Kerneuropa sieht er kritisch. Die aktuelle Auseinandersetzung mit Polen und Ungarn sei substanziell. „Es darf keine Rabatte geben, das wäre ein falsches Signal“. Die Frage müsse vielmehr lauten, wie „wir es hinkriegen, dass auch diese Länder unseren Anspruch von Rechtsstaatlichkeit befolgen“. Die Einhaltung an Finanzierungshilfen zu koppeln sei seiner Meinung nach ein guter Weg. Zudem müsse man bei Ländern, die „auf der Kippe“ stehen, verstärkt mit den Menschen vor Ort arbeiten. „Länder sind keine Monolithen“.

Grundsicherung mit neuem Arbeitsbegriff

Die Finanztransaktionssteuer wolle man mit Frankreich gemeinsam umsetzen. Das sei nicht das volle Volumen, das man erhofft habe, aber, so Bullmann, „wir brauchen einen Einstieg“. Auch für eine Mindestbesteuerung von Unternehmen spricht er sich aus, schon allein um dem „Backlash der Covid-19-Krise“ zu begegnen. Auch einen Rechtsrahmen für eine Grundsicherung begrüßt er. Mit der Einführung des Kurzarbeitergeldes in der Europäischen Union während der Corona-Krise sei ein Einstieg gemacht. Am Recht auf Teilhabe am Erwerbsleben will die SPD aber festhalten. „Das gehe nur über Arbeit“, so Bullmann. Doch Arbeit sei nicht gleich Erwerbsarbeit. „Wir brauchen einen neuen Arbeitsbegriff“, ist er überzeugt. Engagement und ehrenamtliche Tätigkeiten müssten ebenfalls gesellschaftlich honoriert werden.

Am Ende ist die Diskussion auch mit Abschluss der Konferenz nicht. Beim Debattencamp am 12. Dezember geht es weiter, erklärt Bullmann. Dort werde Parteichef Norbert Walter-Borjans für Gespräche rund um Globalisierungsfragen und Außenminister Heiko Maas und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Katarina Barley für außenpolitische Themen zur Verfügung stehen. Bullmann wird sich an Europathemen orientieren. Noch nie sei ein Programm der SPD entworfen worden, dass so auf Beteiligung und Transparenz aufgebaut war, sagt er und bedankt sich bei allen Teilnehmer*innen für ihr Engagement.

Online-Konferenzen: Termine, Themen, Gesprächspartner

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Kommentare

Online-Konferenzen

Zum Thema „Europa, Frieden und die Welt“ mit Udo Bullmann hatte ich folgende Nachricht geschickt:

"Wenn die SPD sich für Frieden einsetzen will, muss sie die Beschaffung von Drohnen, deren Bewaffnung, die Beschffung von weiteren Eurofightern und Hubschraubern sowie gegen die Kriegsideen der Kriegsministerin im Bundestag ebenso verhindern wie die CDU/CSU das Lieferkettengesetz sowie die arbeitsrechtlichen Initiativen zur Abschaffung von Werkverträgen, Leiharbeit und sachgrundlose Befristung blockiert!!!"

Leider wird diese Bitte wieder erfolglos sein, wenn ich der Haushaltsplanung für 2021 entnehme, dass der Kriegshaushalt um 2,8 % erhöht wird, während andererseits z.B. der Etat für Umwelt, Naturschutz um 11,9 % gesenkt wird.

Kriegshaushalt???

In welchem Land und in welcher Zeit leben Sie denn wenn Sie von Kriegshaushalt sprechen? Im Kaiserreich? Mit Ihren Ansichten wenden Sie sich einfach der Bewegung "Aufstehen" zu, da finden Sie viele Gleichgesinnte, deren Schnellzug ins sozialistische Paradies ohne Lokomotive auf dem Abstellgleis der Geschichte langsam vor sich hinrostet und das Pfeifen der Schaffnerin in ihrem roten Jäckchen wohl nur von den alten Tattergreisen gehört wird.

Kriegshaushalt???

Na und? Ich bin bei Aufstehen, das Recht lasse ich mir nicht von Ihnen nehmen, ebenso wenig wie ich Ihnen das Recht abspreche, bei den Seeheimern zu sein.

Kriegshaushalt???

Als Sozialdemokrat spreche ich niemanden ein Recht ab, auch Ihnen nicht. Sie dürfen mich auch gerne in die Schublade "Seeheimer" legen, auch wenn ich mit denen nichts zu tun habe. Wenn es Ihnen aber hilft Ihr Weltbild zu erhalten, ist es in Ordnung.

Jetzt und Einst

Die Sozialdemokratie als wichtige Partei in Europa (und anderswo) zerbrach schon 1914 am 1. Weltkrieg. Die internationalistisch Orientierte Friedens- und Sozialpolitik wurde einem "Burgfrieden" mit den Regimes der Herrschenden geopfert.
Wenn die Sozialdemokratie sich besinnt und diese Vorkriegsziele wieder aufnimmt, dann kann sie vielleicht auch wieder etwas werden.
Als Sozialimperialismus betreibende Kraft hat sie abgewirtschaftet.

Sozialimperialismus betreibende Kraft

Die SPD als Sozialimperialismus betreiben Kraft? In welche Splittergruppe der Querdenken- und Verschwörungs-Bewegung sind Sie denn geraten? Sie haben wohl nur noch irgendwelchen Frust (warum, woher?) abzuarbeiten.

Was daran ist nun fest und verbindlich ?

Onlinekonferenzen,Absichtserklärungen, Gutfindisiererei...

Welche verbindlich umzusetzenden und konkreten Handlungen wurden oder werden nun beschlossen ? Wie viel davon dann umgesetzt ?

Was außer diesem altmodischen Wort im Namen hat die heutige SPD nun mit dieser komischen "Sozialdemokratie" zu tun ? Und was will die nun überhaupt ?

Parteitag im März

Das werden Sie im März erfahren, wenn die SPD und Programm für die Bundestagswahl beschlossen hat. Ziel der Konferenzen ist, möglichst viele Ideen dafür zu sammeln.

Wie viel davon dann umgesetzt ?

Wenn ich die Wahlprogramme allein von 2013 und 2017 mit der tatsächlichen Politik vergleiche, ist leider nicht viel davon übrig geblieben. Da nützt auch nicht der immerwährende Hinweis unserer MdB's auf die Koalition.

Denn auch der Koalitionsvertrag beinhaltet viele Punkte, die nicht umgesetzt werden, wie z.B. Abrüstung, Kampf dem Steuerbetrug, Umwelt, Lieferkettengesetz etc.

Dabei sollten doch das Leben der Menschen, die Menschenrechte, Schutz der Umwelt etc. Vorrang haben vor einer Koalitiontreue, die der SPD zunehmend Stimmen bei ALLEN Wahlen und Einfluss kostet.

In einer rot-rot-grünen Koalition im Jahre 2013 hätte die SPD wesentlich mehr von ihrem Programm umsetzen können als unter der herrschaft der CDU/CSU; selbst die Grünen waren damals nicht so auf die Union und auf Aufrüstung fixiert wie heute. Natürlich gestehe ich, dass es damals zumindest teilweise auch Vorbehalte seitens der Linken gab, aber eine Regierungsbildung wäre nicht daran gescheitert.

Und die verbesserte Umsetzung des Wahlprogramms hätte 2017 mit Sicherheit zu einem besseren Wahlergebnis geführt, womit eine Fortsetzung der damaligen Regierung möglich gewesen wäre.

SPD Konferenz / Sozialdemokratie muss eine europäische Bewegung

Die Sozialdemokratie IST eine europäische Bewegung - jedenfalls seit dem 08.06.1999 mit dem 'Schröder-Blair-Papier', das sich als Dokument der Fairness, sozialen Gerechtigkeit sehen wollte, aber inhaltlich den Neoliberalismus zweifellos stützte. Bei den maßgeblichen Protagonisten der deutschen Sozialdemokratie herrscht bis heute (trotz Bundesparteitag im Dezember 2019!) nicht das Gedankengut von z.B. Ottmar Schreiner, Rudolf Dreßler, sondern das der Seeheimer, Schröderianer und Gabrielisten. In GB haben die Epigonen Blair's Jeremy Corbyn mehr bekämpft als die konservativen Tories. Frankreichs Sozialisten sind eben nur sogenannte Sozialisten. Es führt kein Weg daran vorbei: Die
europäische Sozialdemokratie MUSS sich ohne WENN und ABER vom
Neoliberalismus verabschieden und ohne Zögern jedenfalls einer echten,
wirkungsvollen Wirtschaftsdemokratie den Weg bereiten - mit z.B. sehr starken Mitbestimmungsrechten für die Arbeitnehmerschaft. Mit den Zielen des Vorantreibens der weltweiten militärischen Abrüstung, der
Bewahrung der Schöpfung, der weltweiten kraftvollen Armuts- und Elendsbekämpfung. Das hat Sozialdemokratie als Demokratischer Sozialismus zu leisten. Das muss sie wollen!

Die Welt/die Weltordnung ist

Die Welt/die Weltordnung ist im Wandel. Da muss man sich erst einmal die Frage stellen, ob die EU als solches überhaupt überleben kann bzw. in welcher Form und welche Rolle ihr ggfs. zugedacht wird. Die USA, der bisherige Hegemon, sind doch schon vor Jahren von der Bühne abgetreten. Als Lobbyverein wie in der Vergangenheit, sehe ich keine Bleibeperspektive. Warum denn auch.