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SPD-Konferenz: Wie Corona zu einer besseren Art des Wirtschaftens führen kann

Vera Rosigkeit13. Mai 2020
Diskussion über neue Formen des Wirtschaftens: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Parteivize Kevin Kühnert bei der ersten Die-neue-Zeit-Konferenz
Diskussion über neue Formen des Wirtschaftens: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Partei-Vize Kevin Kühnert bei der ersten Die-neue-Zeit-Konferenz
Kann die Corona-Krise eine Chance für eine andere Art des Wirtschaftens sein? Darüber diskutierte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Dienstag mit Partei-Vize Kevin Kühnert und Expert*innen. Das könnte Folgen für den Bundestagswahlkampf haben.

Schneller, höher, weiter und immer mehr Profit: Soll es damit nach der Corona-Krise weitergehen? Und geht es bei den Milliardenhilfen nur um die Rettung von Unternehmen oder auch um eine Transformation der Wirtschaft?

Gemeinsam mit SPD-Vize Kevin Kühnert und externen Expert*innen diskutiert Lars Klingbeil am Dienstag auf der „In die neue Zeit“-Onlinekonferenz der SPD zum Thema „Zusammenhalt“. Es geht um alternative Formen des Wirtschaftens, jenseits vom „bedingungslosen Profitstreben“. Denn, so Klingbeil, höhere Gewinne und Renditen „haben für die meisten nicht zu mehr Wohlstand geführt, wohl aber zu einer gesellschaftlichen Spaltung“. Die SPD habe diese Bewegung in der Vergangenheit nicht verhindert, fügt er hinzu. „Nun muss sie eine Alternative formulieren.“ 

Wie diese Alternative inhaltlich aussehen könnte? Laut SPD-Generalsekretär müsse die SPD eine Form des Wirtschaftens fördern, die nicht das Kapitalinteresse in den Mittelpunkt rückt, sondern vielmehr das Wohl der Gemeinschaft, das Miteinander, aber auch einen starken Sozialstaat. Gerade in Krisenzeiten wie diesen, „sind wir froh, dass es ihn gibt“, so Klingbeil. Ebenso wie das gut funktionierende Gesundheitswesen.

Kühnert versus Spahn

Ein Stichwort für Kühnert, um CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn zu kritisieren. Laut dem Juso-Chef laufe Spahn derzeit durch die Welt und erzähle, Deutschland komme so gut durch die Pandemie, weil es so große Kapazitäten im Gesundheitswesen gebe.  „Das ist der gleiche Jens Spahn, der erzählt hat, das seien Überkapazitäten und müssten abgebaut werden“, erinnert Kühnert.

Dies zeige, dass „uns das auf die Spitze getriebene Effizienzdenken verletzlich macht“, so Klingbeil. Als Gegenmodell bringt der Generalsekretär den Genossenschaftsgedanken in die Diskussion und die Frage nach der Rolle des Staates. „Schafft er nur die Rahmenbedingungen oder wird er selbst aktiver?“, will Klingbeil wissen.

Förderung unter sozial-ökologischen Kriterien

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes Peter Neher betont die Leistung der freien Wohlfahrtspflege. Die sei alt, aber nicht überholt, sagt Neher. Immerhin seien zwei Millionen Beschäftigte und drei Millionen Ehrenamtliche aktiv, nicht nur in Suppenküchen und Kleiderkammern. „Da sind auch Unternehmen dabei, die gemeinnützig arbeiten.“

Sally Ollech vom Vorstand „Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) e.V.“ spricht für Sozialunternehmen und beklagt in der Förderlandschaft ein Silo-Denken in Deutschland: „Es ist ein Silo-Denken in schwarz weiß. Es wird geguckt, ist derjenige gemeinnützig, dann ist es sozial oder ist er gewerblich, dann ist es nicht sozial.“ Dabei  gebe es viele Sozialunternehmen, die beides verbinden. Die Suchmaschine „Ecosia“, Mitglied von SEND, wirtschaftet gemeinwohlorientiert, hat als Suchmaschine aber nicht den Gemeinnützigkeitsstatus. „Wir brauchen andere Rahmenbedingungen für Sozialunternehmen, auch um beispielsweise Wirtschaftsförderung an ökologische Kriterien zu knüpfen“, lautet Ollechs Forderung. „Das müssen wir hinbekommen.“

Corona-Pandemie als Brennglas

Die Corona-Pandemie sei ein Brennglas, das zeige, was im Land funktioniere und wo es Defizite gebe, sagt Laura Krause von „More in Common Deutschland“. Auch Ungerechtigkeit würde so noch einmal besonders deutlich – sei es in Sachen Wohnsituation, Bildungsprivilegien oder finanzieller Sicherheit. „Wenn Menschen das Gefühl haben, die Gesellschaft ist für mich nicht gebaut, sondern dient anderen, dann bereitet das den Weg für Populismus“, ist die Geschäftsführerin überzeugt. „Wir sollten schauen, was soll in zehn Jahren anders sein als vor Corona?“

Unternehmerisches Handeln mit sozialer Verantwortung gibt es schon lange. Doch wurden Sozialunternehmen in Deutschland gut unterstützt? Zarah Bruhn, „CEO & Gründerin von Social Bee“, fordert in der Corona-Krise mehr Unterstützung für gemeinnützig orientierte Unternehmen und nicht nur Einzelarbeitnehmerförderung. Ihrer Meinung nach braucht es eine grundsätzlich andere Investitionslogik.

Nach der Krise nicht in alte Muster verfallen

Dazu scheint ein anderes Verständnis von Unternehmertum notwendig. Gemeinsam mit 32 Unternehmer*innen wie Götz Rehn (Alnatura) oder Thomas Bruch (Globus Baumärkte) rief der mehrfache Unternehmensgründer Armin Steuernagel im vergangenen Jahr die Stiftung „Verantwortungseigentum“ ins Leben. Mit der Forderung nach einer neuen Rechtsform für Unternehmen in Verantwortungseigentum hat sie viel Aufsehen erregt.

Ist ein anderes Unternehmertum denkbar? Diese Diskussion sei ein Anfang, sagt Klingbeil am Dienstag, denn es sei eine Diskussion über Grundsätzliches wie Werte. Sozialunternehmen passen nicht in das Raster des Rettungsschirms, „stehen aber bei der SPD auf dem Zettel“, fügt er hinzu. Denn, so die Warnung, „wir sollten nach der Krise nicht in alte Muster verfallen“. Es könne in und nach der Krise nicht nur um die Rettung von Unternehmen gehen, ist er sicher. Laut Klingbeil werden diese neuen Gedanken Einfluss auf den Wahlkampf der SPD haben und in ihr Regierungsprogramm einfließen.

Am 27. Mai wird die nächste „In die neue Zeit“-Onlinekonferenz stattfinden. Dann diskutiert Lars Klingbeil mit Bundesarbeitsminister und SPD-Vize Hubertus Heil und einer neuen Expert*innenrunde über Arbeitswelten.

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Kommentare

Lars Klingbeil

".......aber auch einen starken Sozialstaat. Gerade in Krisenzeiten wie diesen, „sind wir froh, dass es ihn gibt“, so Klingbeil".
Von den noch bestehenden Ruinen als "starkem Sozialstaat" zu sprechen ist vielleicht etwas übertrieben. Wie empfinden Rentner, Hartzer, Werkverträgler, Dauerbefristete, Billiglöhner, Leiharbeiter ...... solche Worte ??? Ein bischen Mehr Orientierung an den wirklichen Lebensümständen von Millionen (nicht von Millonären) wäre für die Verbreiterung der SPD Wählerschaft vielleicht ganz nützlich.

Bekämpfung der Wirtschaftskrise zentrales Thema

Es ist positiv, wenn die Politik sich endlich wieder mit grundsätzlicheren Fragen befasst. Viele Probleme, die in der Krise in den Fokus gerückt wurden, waren aber lange bekannt, zb. die mangelnde Digitalisierung der Schulen oder fehlende Kapazitäten in der Heimpflege.

Der Wahlkampf im nächsten Jahr wird im Zeichen der Wirtschaftskrise und ihrer Folgen stehen. Hier muss die Politik pragmatische Lösungen anbieten. Für die SPD geht es ums Überleben. Die Analyse, nach der wir nur 4 (!) Wahlkreise direkt gewinnen würden, sollte allen den Ernst der Lage bewusst machen.

Gleichzeitig muss es um kreative Lösungen gehen, da der Staat schlicht kein Geld mehr haben wird, um so Probleme zu lösen. Die Schuldenbremse wird nicht auf Dauer ausgesetzt werden können. Schon recht bald wird es um sehr große Einsparungen auf allen staatlichen Ebenen gehen. Auch darauf muss man sich inhaltlich und mental einstellen.

SPD Konferenz Corona

Leute, um diesen seit jedenfalls drei Dekaden bestehenden NEOLIBERALEN Wahnsinn über Bord zu werfen, war und ist kein Corona-Erlebnis notwendig. Dieses Über Bord werfen hätte schon viel, viel früher geschehen müssen.

Vielmehr hat dieser neoliberale Spar- und Austeritätswahnsinn die bösartigen Auswirkungen der Coronakrise viel schlimmer werden lassen, als dies hätte sein müssen!

Zustimmung. Zu ergänzen wäre

Zustimmung. Zu ergänzen wäre noch, dass die andauernde und sich verstärkende Umverteilung von unten nach oben beendet werden muss und eine gerechtere Lastenverteilung, sprich ein vernünftiges Steuerkonzept, ins Blickfeld gehört.

"Sozialabgaben" belasten mehr als Steuern

Die Nebelkerze "steuerliche Belastung" wird sehr gern von den Menschen jenseits der Beitragsbemessungsgrenzen angeführt, wobei sowohl die unzähligen Abschreibungsmöglichkeiten als auch andere "Optimierungen" die nur Menschen mit erheblichem Kapital zur Verfügung stehen gekonnt ignoriert werden.
Die "Sozialabgaben" reißen in die Taschen von Arbeitnehmern wesentlich größere Löcher als die direkten Steuern. Die indirekten Steuern hingegen belasten aufgrund der ungleichen Einkommen ebenfalls die weniger bekommenden Menschen überproportional mehr.
2021 kommt dann noch eine Lebenskostenverteuerungsabgabe, genannt "C02-Steuer" dazu, die keinerlei wirkliche "Umwelt"effekte vermuten läßt sondern allein Preise hochtreibt.
Statt hier mit festen Auflagen zu handeln greift man lieber allgemein Gelder ab und ignoriert dabei, das es keinerlei Anreiz für effizientere Produkte gibt, wenn die Verteuerung allgemein gleich ist und an den Verbraucher nur durchgereicht wird.

Artikel wie dieser sprechen zwar erkannte Mißstände an, der ursächliche Mißstand aber ist die strikte Weigerung aller Parteien, dem neoliberalen Irrsinn mit realen Maßnahmen Grenzen zu setzen.

Falsche Impulse !!!

Da sind sich scheinbar ein paar Länderchefs einig, absurderweise auch solche von Grünen- und SPD-Parteibuch, dass sie mit völlig abstrusen, anachronistischen Steinzeitmethoden wie Abwrackprämie gerade die Industrie wieder schnellstens hochfahren, die in höchsten Maße für den Rückgang natürlich. Lebensräume, den rücksichtslosen globalisierten Handel, Ausbeutung natürl. Ressourcen, die katastr.Klimaproblematik u. bei genaueren Hinschauen auch für die Pandemie mitverantwortlich ist die uns in die jetzt unabsehbare, für Viele tödliche Krise geführt hat.
Welche Bezeichnung könnten wir für so ein absurdes Verhalten finden ?
Und wie ist die Haltung der SPD-Groko-Riege und unserer Parteispitze dazu ? Noch immer die Klima- ,Umwelt- und gesundheitsschäd. Subventionen nicht gestrichen u. dann wird der große witschaftliche, monokulturelle Irrtum eines antiquierten Mobilitätsmodells wieder hochgefahren, während der ÖPNV möglicherweise gleichzeitig mangels Corona-Konzeptes u. mangels Rettungsplanes kaputtgemacht statt massiv ausgebaut wird ! Zukunft ist: Mobilitätsdienstleistung mit wenigen, robusten, reparaturfreundl. Fahrzeugen mit Erneuerbaren angetrieben, ÖPNV, E-Bike, Fahrrad, Füße !