Landtagswahl in Hessen

Die SPD in Hessen: „Eine Schlacht, die nicht zu gewinnen war“

Jonas Jordan28. Oktober 2018
Thorsten Schäfer-Gümbel nach der Landtagswahl
Ein schwerer Gang: Thorsten Schäfer-Gümbel am Wahlabend
Die richtigen Themen, der passende Kandidat und trotzdem das schlechteste Ergebnis aller Zeiten. Die Verantwortlichen der hessischen SPD waren sich am Wahlabend einig: Schuld war der Bundestrend. Die stellvertretende Landesvorsitzende Gisela Stang sprach von einer Schlacht, die nicht zu gewinnen gewesen sei.

„Hier bekomme ich heute wohl keine Jubel-Bilder“, sagt ein Kameramann kurz vor 18 Uhr auf der Wahlparty der hessischen SPD. Er soll Recht behalten. Betretene Mienen bei den anwesenden Genossen, als die ersten Prognosen auf den Bildschirmen erscheinen. Um 18.27 Uhr erscheint Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel im Wiesbadener Restaurant „Lumen“, begleitet von seinen engsten Weggefährten, seiner Frau Annette Gümbel, dem Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies, der Generalsekretärin Nancy Faeser und der stellvertretenden Landesvorsitzenden Gisela Stang.

Schäfer-Gümbel: Regelmäßig Sturmböen im Gesicht

Verhaltener Applaus, als Schäfer-Gümbel die Bühne betritt. Er spricht von einem „schweren Abend“ und einer „bitteren Niederlage“. Es ist das schlechteste Ergebnis der SPD seit 1946. In ihrem einstigen Stammland sind die Sozialdemokraten auf 20 Prozent geschrumpft. „Wir hatten bei allen relevanten Themen die höchsten Kompetenzzuschreibungen“, sagte der hessische SPD-Vorsitzende. Trotzdem hat die Partei als Oppositionsführerin mehr als 10 Prozentpunkte verloren.

Schnell wird klar, was die Genossen als Grund für die großen Verluste ausgemacht haben: die Bundespolitik. „Wir haben nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmäßig Sturmböen im Gesicht. Gegen diesen Bundestrend hatten wir keine Chance“, sagt Schäfer-Gümbel, der zugleich stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD ist. Nach diesem Ergebnis in Hessen müssten im Bund Konsequenzen gezogen werden. „Uns fehlt auf Bundesebene inhaltliche Klarheit und der Mut zu Positionen“, sagt Schäfer-Gümbel.

Aufgeben ist keine Alternative

Für Hessen kündigt der Landesvorsitzende an: „Wir werden nicht aufgeben, wir werden weitermachen und können als hessische SPD in vielen Punkten Vorbild sein.“ „Bravo, Thorsten!“, ruft der Gießener Udo Bullmann, der Vorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament ist. Langer Applaus brandet auf. Um 18.37 Uhr schließt Schäfer-Gümbel seine Ansprache mit den Worten: „Die Arbeit fängt jetzt erst an.“

Udo Bullmann lobt den hessischen SPD-Vorsitzenden: „Thorsten hat Vieles richtig gemacht.“ Es sei jedoch eine „bundespolitische Stimmungswahl gewesen“, bei der beide an der Großen Koalition beteiligten Parteien mehr als zehn Prozentpunkte verloren hätten. In Berlin werde zu viel geredet und zu wenig gestaltet, sagt Bullmann: „Es muss erkennbar sein, wofür die SPD steht. Wir müssen Seehofer und Kollegen sagen, dass die Regierungspraxis der letzten Monate so nicht weitergeht.“  

Das Schlachtfeld lag nicht in Hessen

Das, was viele an diesem Abend denken, bringt die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Gisela Stang auf den Punkt: „Wir haben eine Schlacht geschlagen, die nicht zu gewinnen war, weil das Schlachtfeld nicht in Hessen lag. Trotzdem haben wir bis zum Ende alles gegeben. Jetzt muss sich in Berlin etwas tun.“ 

Ähnlich sieht das Susanne Simmler, die im Main-Kinzig-Kreis Vizelandrätin ist. Im Kompetenzteam von Thorsten Schäfer-Gümbel war sie als Umweltministerin vorgesehen: „Wir haben es nicht geschafft, unsere landespolitischen Themen in den Vordergrund zu bringen. Wir sind in einer Vertrauenskrise.“ Innerhalb der Großen Koalition müsse sich einiges ändern.

Grumbach sieht historische Zäsur

Der südhessische Bezirksvorsitzende Gernot Grumbach aus Frankfurt schließt sich diesen Worten an: „Es gibt nur eine SPD und wenn sie insgesamt eine Vertrauenskrise hat, müssen alle darunter leiden.“ Zugleich stellt diese Landtagswahl aus Grumbachs Sicht eine Zeitenwende dar: „Es gibt ein paar eherne Grundregeln bei Wahlen. Eine davon ist, dass die Partei, welche die höchsten Kompetenzzuschreibungen bei den wichtigsten Themen hat, normalerweise die Wahl gewinnt. Das ist die erste Wahl in der Geschichte der Bundesrepublik. die nicht so ausgegangen ist.“

In Berlin sei jetzt eine sachorientierte Politik notwendig, beispielsweise in Bezug auf den Diesel-Skandal: „Es kann nicht sein, dass für Fehler, die die Autombilindustrie zu verantworten haben, nicht alle Betroffenen gleichberechtigt entschädigt werden.“

Eine Landtagswahl als Denkzettel für die GroKo

Die hessische SPD-Generealsekretärin Nancy Faeser spricht von einem „sehr schlechten Ergebnis“. Es sei der SPD nicht gelungen, ihre landespolitischen Themen gegen den Bundestrend durchzusetzen. „Es ist paradox, dass wir die Wahl verloren haben, obwohl wir die wichtigsten Themen im Wahlkampf gesetzt haben. Daran erkennt man, dass die Berliner Themen im Vordergrund standen.“

Insbesondere nach der Landtagswahl in Bayern sei dies spürbar gewesen. „Spätestens seit einige Menschen wie die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer diese Wahl zur Schicksalswahl über die Große Koalition erklärt haben, wollten die Menschen ihre Gelegenheit wahrnehmen, den Berlinern mal einen Denkzettel zu verpassen. Gegen eine solche Stimmung hatten wir keine Chance mehr“, sagt Faeser.   

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Kommentare

noch vor wenigen Tagen las

sich das im Vorwärts anders- ich zitiere: Nahles: SPD in Hessen kann Regierungswechsel schaffen"

Ich habe das schon vor Tagen für absurd gehalten, und die, die sich so äußerte, hat das wohl auch getan, und sich- das ist das eigentliche Problem- doch dazu hinreissen lassen, dass Gegenteil zu behaupten.

Damit war auch dieser Satz politikersprech- damit lockt man heutzutage keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Der Wähler, und auch die Wählerin, erkennt, dass hier ein Showprogramm abläuft- und kommt schnell zum Schluss- die kann man nicht wählen. So kanm 4es dann ja auch.

Agiert einfach ehrlich, und hört auf den Leuten dummes Zeug zu erzählen, und sie damit "für dumm zu verkaufen". Schon der Versuch kommt als Beleidigung an, Beleidigung der Intelligenz der so Angesprochenen, die es ja auch ist. Das muss euch doch klar sein, oder bin wirklich ich es, der euch das erklären muss?

Einfach

Die Anderen sind schuld: diesmal der Bundestrend !
Das enthebt einem wohl der sachlichen Analyse der fortwährenden Vertauensschwundes in die SPD. der Bundestrend kommt auch nicht von irgendwoher und ist auch nicht "gottgegebene Ordnung".
Miserable antisoziale und antiökologische Politik, nur um der eigenen Pfründe willen, aber immer hochgelobt von der Qualitätspresse (kapitalistische Meinungskonzerne).
August Bebel wusste schon: wenn uns unsere Feinde loben, dann haben wir was falsch gemacht. (und die loben seit Schröder unentwegt).

Die SPD in Hessen: „Eine Schlacht, die nicht zu gewinnen war“

Die Wahlkämpfer in den Ländern und Gemeinden, vor allem in den Ortsvereinen, müssen stets ausbaden, was in Berlin vermasselt wird. Sie sind die Bauernopfer für eine verfehlte Regierungspolitik und vor allem für verloren gegangene Glaubwürdigkeit.

Soziale Gerechtigkeit und Schonen von Steuerhinterziehern bzw. Sparen am unteren Ende und Steuergeschenke für Superreiche passen einfach nicht zusammen. Die Parteibasis bekommt es um die Ohren geschlagen und die Regierungsmitglieder der SPD sowie die Fraktion scheinen dies nicht zu merken oder sie ignorieren es.

Auch ein Hinweis auf die Zustimmung zur GroKo hilft nicht weiter. Denn den Mitgliedern wurden auch hier massiv Versprechungen gemacht, was im Papier "durchgesetzt" wurde, wobei das Gegenteil in der Regierung praktiziert wird. Auch die unrühmliche Rolle von Andrea Nahles (jeden Tag eine andere Aussage) im Maaßen-Skandal ist längst nicht vergessen.

Hört doch bitte endlich mal auf die kritischen Stimmen, bevor diese ebenfalls wegbrechen!!!

glatt gelogen !!

Die Hessen-Wahl hätte zu einem weitaus besseren Ergebnis geführt, ohne frustrierten Bezug zur Bundespolitik, wenn die Parteispitze (insbes. Scholz/Nahles) klare Zeichen für inhaltliche Erneuerung in der "Bundes-SPD" gesetzt hätten (Personal-Wechsel und/oder Groko-Austritt !
Parteierneuerung muss immer mit dem dafür glaubwürdigen Personal einhergehen !
Die SPD/Alt-Spitze mit Nahles/Scholz ließ den Hessen-Kandidaten Schäfer-Gümpel sehenden Auges in´s offene Messer laufen,
Wer gestern die Sendung "Anne Will" gesehen hat, weis das Scholz gegen jeglichen Kurswechsel für Erneuerung ist. Er stellt die Weichen der SPD Richtung Abstellgleis und nicht Richtung Zukunft !!!

https://www.ardmediathek.de/tv/Anne-Will/ANNE-WILL-nach-der-Landtagswahl...

"Einen Schlacht, die nicht zu gewinnen war"

Die Bundespolitk war schuld, da sind sich Bouffier und Schäfer-Gümbel einig. Sicher haben sie damit zu einem großen Teil recht, - aber sind nicht sowohl Bouffier bei der CDU, als auch Schäfer-Gümbel bei der SPD stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Parteien?!

SPD erarbeitet sich weiterenVorsprung bei Aufholjagd Richtung 5%

Und zum 100tn mal: "Das müssen wir jetzt genau analysieren" Was habt ihr dann eigentlich die ganze Zeit vorher gemacht?
Die SPD hat schon lange kein eigenes Programm und keine klare Vorstellung wie eine gerechte Gesellschaft aussehen soll ist nirgends definiert. Sie ist schon lange Erfüllungsgehilfe der Marktradikalen Kräfte, sowie des US/NATO Kriegskurses.
Wie wärs denn statt dessen mal mit diesen strategischen Zielen
Klaren Plan wie man dem Raubzug der Profiteure des marktradikalismus einhalt gebietet (CUM EX, Steuer flucht von Amazon und Konsorten ect)

Massive Projekte zur Solidarisierung der nicht besitzenden Klasse gegen die Machteliten und gegen die Zersplitterung der Gesellschaft

Förderung des Gedankens der Gemeinwohl Ökonomie als alternatives Modell
Genossenschaftliche Projekte ausweiten

Friedenspolitik gegen die US imperialen Aktivitäten uns von Russland unter allen Umständen abzuschneiden und verweigerung Beteiligung an Kriegseinsätzen.

Einfordern eines Friedensvertrags, Schließung der US Basen und raus aus der NATO

Das wär mal ein Prpofil, aber dazu seid ihr wahrscheilich zu feige.!

ß

Wahl in Hessen

Da werden in Bayern und Hessen die großen Parteien für Ihr merkwürdiges Verhalten im Bund abgestraft und was passiert? Nichts. Hinterher müssen wir mit den gleichen Protagonisten leben wie vorher. In Bayern bleibt Söder mit seinen Truppen an der Regierung und in Hessen wird sich politisch auch nichts ändern. Ich glaube nicht, dass der Wähler dies so gewollt hat. Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass der Wähler eine Veränderung wünscht. Vielleicht sollten die Parteien mal darüber nachdenken. Frau Nahles redet jetzt schon seit der Bundestagswahl, dass man in der SPD Ziele formulieren muss, jetzt nach der Hessenwahl wieder. Wie lange soll es denn noch dauern, bis diese Ziele den Genossen eingefallen sind? Wie steht es mit der Vermögenssteuer und der Abschaffung der kalten Progression, damit auch der Bürger endlich mal etwas von der Politik merkt. Was ist mit der Abschaffung des Solis? In Deutschland wird die höchste Steuerquote bei Angestellten und Arbeitern in Europa erhoben. Dies zu ändern wäre ja bestimmt ein schönes Ziel.

vermögenssteuer...

solche Themen- man könnte auch von dicken brettern reden, die zu bohren sind- werden auf die europäische Ebene gehoben, einzig mit dem Ziel, sich -entgegen wortreicher Erklärungen- nicht angehen zu müssen. Fakt ist: Es besteht nicht die geringste Absicht, eine solche Steuer einzuführen. Lippenbekenntnisse- Etikettenschwindel sind nur einige dafür in betracht kommende Bezeichnungen.
Wer so was will, muss zum original wechseln- oder warten, auf die SPF (neu)