Abrüstung

SPD-Fraktionsvize: Atomwaffen raus aus Europa!

Gabriela Heinrich10. März 2020
Vor 50 Jahren trat der Atomwaffensperrvertrag in Kraft. Die in ihn gesetzten Erwartungen einer weltweiten nuklearen Abrüstung wurden bis heute jedoch nicht erfüllt. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich fordert den Abzug aller Atomwaffen aus Europa.

Vor 50 Jahren trat der Atomwaffensperrvertrag in Kraft. Die in ihn gesetzten Erwartungen einer weltweiten nuklearen Abrüstung wurden bis heute jedoch nicht erfüllt. Dennoch ist er ein Grundpfeiler der multilateralen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsdiplomatie. Denn dieser umfasst sowohl die vertragliche Säule der Abrüstung als auch die im Vertrag geregelte Nichtweiterverbreitung von Kernwaffenmaterial und Atomwaffen. 

Internationale Agenda für Abrüstung und Rüstungskontrolle

Trotz der Bedeutung des Vertrages für die internationale Sicherheit häufen sich insbesondere in der jüngeren Vergangenheit Rückschläge auf dem Gebiet der atomaren Abrüstung: Im vergangenen Jahr mussten wir die Kündigung des INF-Vertrages durch die USA und die Russische Föderation erleben. Dieser Vertrag regelte die Beseitigung nuklearer landgestützter Mittelstreckensysteme. Im Bereich der strategischen Waffen existiert heute nur noch der New-Start-Vertrag. Wenn der Vertrag von der russischen und amerikanischen Regierung jedoch nicht vor Februar 2021 verlängert werden sollte, dann wären beide Staaten zum ersten Mal seit 1972 an keine rechtlich verpflichtende Begrenzung und Überprüfung ihrer Atomwaffenarsenale mehr gebunden. 

Unter diesem gewaltigen Druck findet Ende April bis Ende Mai die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags statt. Wir brauchen daher endlich wieder eine internationale Agenda für Abrüstung und Rüstungskontrolle. Um es ganz klar zu sagen: Die SPD hält am langfristigen Ziel einer vollständigen Abschaffung von Massenvernichtungswaffen fest – ohne Wenn und Aber.

Ziel bleibt Abzug der Atomwaffen

Neuen Schwung in diese Debatte hat der 2017 beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag gebracht. Zu den Unterzeichnern des Vertrages gehören bereits 80 Staaten, jedoch weder Atomwaffenstaaten noch NATO-Mitglieder. Dennoch kommt es jetzt darauf an, sich konstruktiv mit den Argumenten und Intentionen des Vertrages auseinanderzusetzen. Ich plädiere deswegen dafür, dass sich die Bundesregierung als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags einbringt, die voraussichtlich im Laufe der nächsten zwölf Monate zum ersten Mal stattfinden wird.

30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ist und bleibt unser Ziel der Abzug der in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen im Rahmen einer gesamteuropäischen Abrüstungsinitiative. In diesen Zusammenhang gehört auch eine sachliche und sorgfältige Erörterung der Nuklearen Teilhabe. Also der Idee, dass NATO-Staaten ohne eigene Atomwaffen Teil der nuklearen Abschreckung des Bündnisses werden. 

Debatte über atomwaffenfreie Welt

Die Debatte um die Nukleare Teilhabe wird aktuell wieder durch die Behauptung dominiert, dass Deutschland ein Trägersystem – zurzeit ist es der Jagdbomber Tornado – bereitstellen müsse, um die 20 in Deutschland lagernden US-Atombomben im Ernstfall ans Ziel zu bringen. Nur dann sei Deutschland Teil des exklusiven Kreises der Staaten, die von sich nukleare Teilhabe behaupten und damit auch über die Nuklear-Strategie der NATO im Rahmen der Nuklearen Planungsgruppe mitbestimmen können. Aber: Seit 1979, also seit 41 Jahren, stimmt das so nicht. 

Fakt ist vielmehr: Alle NATO-Staaten sind Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe. Der Umstand, dass wir mit dem Tornado ein Trägersystem bereitstellen, gibt uns jedoch keinerlei zusätzliche Entscheidungsgewalt. Denn auch strategische Mitglieder entscheiden gleichberechtigt über die Nuklear-Strategie der NATO mit. Mit anderen Worten: Sollte Deutschland kein Nachfolgemodell für den atomwaffenfähigen Tornado anschaffen, der voraussichtlich zwischen 2030 bis 2035 außer Dienst gestellt werden muss, bleibt Deutschland trotzdem Teil der Nuklearen Teilhabe – mit allen Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Nuklear-Strategie der NATO. 

Wir brauchen eine grundsätzliche Diskussion darüber, wie wir eine atomwaffenfreie Welt erreichen können. Dazu gehört eben auch eine sachliche und sorgfältige Erörterung der Nuklearen Teilhabe. Es ist nicht die Zeit für schnelle Entschlüsse. Alle Entscheidungen, die das Ergebnis der Debatte vorwegnehmen, wie die damit zusammenhängende Frage eines Nachfolgesystems für den Tornado, dürfen auf keinen Fall überstürzt getroffen werden.

Der Beitrag erschien zunächst im ipg-Journal.

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Kommentare

Atomwaffen raus aus Europa

"Um es ganz klar zu sagen: Die SPD hält am langfristigen Ziel einer vollständigen Abschaffung von Massenvernichtungswaffen fest - ohne Wenn und Aber."

Diese Aussage ist grundsätzlich zu begrüßen!

Aber - wie lange ist real der Zeitrahmen für die Erreichung eines "langfristigen" Ziels?

Die SPD gehört einer GroKo an, die mitverantwortlich dafür ist, dass Deutschland weiterhin weltweit zu den größten/wichtigsten Waffenexporteuren gehört! Ein Milliardengeschäft in der Inszenierung:
' Der Tod ist ein Meister aus Deutschland '.

In Abwandlung von Bertolt Brecht's Zitat:
Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral - müsste es hier heißen: Zuerst kommt das Geschäft, dann die Moral.

Aber selbst wenn 'morgen' die Republik ROT / ROT / GRÜN
regiert würde (was ich gegenwärtig realpolitisch als geringstes Übel befürworte!) - wie lange steht dann die 'Antimilitarismusfront' , wenn der
Militärische Komplex mit massivem/massivstem Arbeitsplatzabbau droht?
Würde dann die Produktion in 'Schwerter zu Pflugscharen' transformiert
werden?

Würde der real existierende Kapitalismus solches zulassen?
Würden die verbündeten FREUNDE dies zulassen?

Fragen über Fragen!

R2G

Wenn ich mir die möglichen beteiligten Parteien bei R2G ansehe, dann wissen wir seit >100 Jahren wieviel manchem in der SPD die Programmatik wert ist; dann gehören die "Grünen" zu den größten Bellizisten wenn es gegen "Russland" geht (das ist wohl das maoistische Erbe) und selbst bei den Linken machen sich die "Atlantiker" breit.
Trotz alledem weist dieser Artikel ein kleines Schrittchen in die richtige Richtung.

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland?

Was hat denn Ihr Kommentar mit dem Thema des Beitrages "Atomwaffen raus aus Europa" zu tun? Die Bundesrepublik als Quelle allen Rüstungsübels? Schohn mal was von Syrien gehört? Offenbar haben Sie hier mal wieder eine Gelegenheit gesehen, sich aus der alten SED-Propagandakiste zu bedienen. Der strenge Mottengeruch stört einen vergessenen Uraltlinken wie Sie dabei nicht. Da dürfte wohl nur noch Beifall für Sie aus dem Schlafwagen mit der Aufschrift "Aufstehen" kommen, der da auf dem Abstellgleis der Geschichte steht und die Auferstehung erwartet. So was kann natürlich dauern.

alte SED-Mottenkiste / Ultralinker wie Sie

Herr Frey, es hat einen gewissen Unterhaltungswert, mit welchen Attributen und Begriffsdefinitionen Sie Personen belegen, die nicht auf Ihrer Schiene der politischen Wahrnehmung liegen.

Ein Alfred Dregger, Franz-Josef Strauß oder Herbert Hupka sind im Vergleich zu dem von Ihnen gepflegten Weltbild wahre Vollblutsozialdemokraten.

Atomwaffen raus aus Europa!?

Welche Atomwaffen sollen denn raus aus Europa? Nur die der Nato? Den weltgrößten Haufen von Atomwaffen mit ca. 15.000 schlecht gesicherten Sprengköpfen hat Russland angehäuft, das wird im Beitrag nicht einmal erwähnt! Und Russland hat mit seiner neuerlichen Nachrüstung auch den INF-Vertrag gebrochen. Auch davon kein Wort im Beitrag! Auch nicht, dass in der Bundesrepublik derzeit nur etwa 20 (!) atomare Sprengköpfe auf dem Flugplatz Büchel gelagert sind. Die würde ich natürlich auch gerne beseitigt sehen, aber nicht, solange ein unberechenbarer Despot wie Putin einen solchen riesigen Haufen von Atomwaffen sein Eigen nennt und allein kontrolliert.

Ein wenig einseitig, oder ?

Zum Einen weiß niemand, wie viele Atomwaffen welcher Art denn tatsächlich in Deutschland stationiert sind, zum Anderen ist die Grundlage für die Behauptung das Rußland 15.000 "schlecht gesicherte" Atomwaffen hätte wohl eher im Reich der Fantasie zu verorten.
Beim Bruch des INF Vertrages ist man recht schnell mit der Schuldzuweisung, ignoriert dabei gezielt die EInladung Rußlands, das Inspektoren sich über den behaupteten Bruch im Lande selber informieren sollten und ignoriert erst recht den sogenannten "Raketenschutzschild" der laut Propaganda natürlich "rein defensiv" sein soll.

Wie gewohnt werden Fakten und Behauptungen miteinander verknüpft aber selbst wenn es "nur" 20 Massenvernichtungswaffen auf benanntem Flughafen geben sollte sind eben diese 20 schon zu viel.
Vielleicht sollte man mal bei unseren französischen Nachbarn nachfragen ob deren "Schutzkonzept" gegen den bösen Russen immer noch ist, einen etwaigen Einmarsch ganz nach US-Vorbild "Theatre Europe" mit einer nuklearen Schneise von Schleswig bis Bayern aufzuhalten.
Nur um sich zu erinnern das man für "Abschreckung" nicht derartig viel Bomben benötigt wie gewisse "Wertepartner" aktuell in Massen neu bauen.