Verhandlungen der großen Koalition

SPD-Experte Matthias Bartke: Lobbyregister soll 2021 kommen

Lars Haferkamp09. Juli 2020
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Bartke kritisiert den CDU-Kollegen Philipp Amthor: „Er hat den Eindruck eines käuflichen Politikers erweckt.“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Bartke kritisiert den CDU-Kollegen Philipp Amthor: „Er hat den Eindruck eines käuflichen Politikers erweckt.“
Beim Lobbyregister im Bundestag bewegen sich CDU und CSU. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Bartke hätte sich darüber noch mehr gefreut, wenn die Union dafür nicht drei Legislaturperioden gebraucht hätte. Scharfe Kritik übt er am Lobbyismus des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor.

Matthias Bartke, nach dem fragwürdigen Einsatz des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor für die Firma „Augustus Intelligence“ haben CDU und CSU Ihren langjährigen Widerstand gegen die Einführung eines Lobbyregisters aufgegeben. Sind Sie Philipp Amthor im Nachhinein dankbar?

Bestimmt nicht! Ich wäre froh, wenn die Union sich aus anderem Grund bewegt hätte. Am Ende kann man aber schon sagen, dass der Fall Amthor innerhalb der Unionsfraktion wohl den letzten Anstoß zur Meinungsänderung gegeben hat.

Wie bewerten Sie das Einlenken der Union?

Das bewerte ich uneingeschränkt positiv. Ich hätte mich aber noch mehr gefreut, wenn sie für ihr Einlenken nicht drei Legislaturperioden gebraucht hätte.

Wo hätten Sie sich noch mehr Bewegung bei CDU und CSU gewünscht?

Das wird man erst am Ende sagen können. Die Verhandlungen zur konkreten Ausgestaltung des Lobbyregisters werden sich voraussichtlich bis in den Herbst hineinziehen. Allerdings waren die Vorgespräche sehr konstruktiv und ich hatte den Eindruck, es gibt jetzt auch bei der CDU/CSU den großen Willen, das noch in diesem Jahr einvernehmlich mit uns zu verabschieden.

Wird es eine Offenlegung aller Formen von Unternehmensbeteiligungen inklusive Aktienoptionen geben?

Ja, die SPD möchte die Geschäftsordnung so ändern, dass auch Aktienoptionen und Unternehmensbeteiligungen von Bundestagsabgeordneten meldepflichtig sind.

Einflussnahmen auf parlamentarische Entscheidungsprozesse sollen mit dem Lobbyregister klar erkennbar sein. Wie genau funktioniert das?

Wir wollen eine öffentliche Liste, in die sich die Lobbyisten eintragen müssen. Darin sollen sie umfassende Angaben zu sich selbst und zu ihrer Tätigkeit machen. Verstöße dagegen werden bestraft. Auch wollen wir, dass die Bundesregierung die sogenannte „exekutive Fußspur“ einführt. Das heißt, dass die Bundesregierung bei jedem Gesetzentwurf offenlegen soll, welche Interessenvertreter und Sachverständige Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess genommen haben.

Lobbyisten sollen sich künftig einem „Verhaltenskodex“ unterwerfen. Was bedeutet das konkret in der Praxis?

Das bedeutet, dass der Bundestag einen Kodex vorgibt, der bestimmte Grundsätze integrer Interessenvertretung für Lobbyisten vorsieht.

Was genau fällt denn alles unter den Begriff „Lobby“?

Abstrakt formuliert heißt das: Lobbyarbeit ist jede Tätigkeit zum Zweck der Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Bundestages. Konkret heißt das, dass die großen Unternehmensverbände, aber auch Wohlfahrts- und Umweltverbände dann Lobbyisten sind, wenn sie Einfluss auf Abgeordnete nehmen.

Wann wird der Bundestag über das Gesetz entscheiden? Und ab wann gilt es dann?

Unser Ziel ist das Inkrafttreten zum 1.1.2021.

Die SPD fordert schon ein Lobbyregister bereits seit Jahren, zuletzt in ihrem Wahlprogramm. Hätte es den Fall Amthor verhindert?

Nein. Das Lobbyregister soll den Einfluss von Lobbyisten auf Bundestagsabgeordnete reglementieren. Philipp Amthor ist aber ein Bundestagsabgeordneter, der selbst offen als Lobbyist für das Unternehmen „Augustus Intelligence“ agiert hat.

Transparency International sieht bei Philipp Amthor einen „Anfangsverdacht der Bestechung“. Der Bundestagspräsident sieht dagegen keine Anhaltspunkte für Gesetzesverstöße. Wie bewerten Sie den Fall?

Amthor hat sich gegenüber dem Wirtschaftsminister in einem offiziellen Abgeordnetenbrief mit Bundesadler für das Unternehmen „Augustus Intelligence“ eingesetzt. Entscheidend für die strafrechtliche Bewertung dürfte sein, ob Amthor dafür Geld oder geldwerte Leistungen von dem Unternehmen angenommen hat. Dafür spricht derzeit einiges, insbesondere die teuren Reisen, die das Unternehmen ihm finanziert hat. Nach meiner Kenntnis ermittelt die zuständige Staatsanwaltschaft auch schon.

Amthor hat seine Zusammenarbeit mit der Firma „Augustus Intelligence“ beendet. Welche Konsequenzen fordern Sie darüber hinaus von ihm?

Das muss Philipp Amthor am Ende selber entscheiden. Unabhängig davon, ob sein Verhalten strafbar war oder nicht, hat er damit aber einen großen Schaden für den Bundestag insgesamt bewirkt. Er hat den Eindruck eines käuflichen Politikers erweckt. In meinen Augen sollte er sich daher genau überlegen, welche persönlichen Konsequenzen er daraus zieht.

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Kommentare

Auch hinter der eigenen Haustür kehren !

Es gibt vielfache, auch brabdaktuelle Anzeichen (Beratertätigkeit v. S.Gabriel f. Tönnies, völlig überteuerte Abfindung der Energiekonzerne und nicht Einhaltung des Kohlekompromisses) dass unere SPD ein massives strukturelles Problem in Sachen Industrielobbyismus hat !!!
Auch die mutmaßlich gespielte Empörung und die vorgegebene Überraschtheit unseres Arbeitsministers über die Arbeits- und Lebensverhältnisse in der Fleischindustrie (u. anderswo) können darüber nicht hinwegtäuschen !!! Was wäre er für ein Arbeitsminister wenn er darüber nicht informiert gewesen wäre! Solche Verhältnisse wurden medial lange vor Corona vielfach veröffentlicht !
Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass auch in der SPD die völlig überzogene Lobbymacht der Konzerne ihre Spuren hinterlässt !
Das macht unsere Partei nachhaltig unglaubwürdig und kostet WählerInnenstimmen in erheblichen Ausmass ! Dies ist ein Generalverdacht !
Deshalb braucht unsere SPD dringendst eine diesbezügliche Einrichtung zur Selbstreinigung, eine parteiinterne Untersuchung und eine diesbezügliche Beschwerdestelle! Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt !

das völlig zutreffend

beschriebene Problem ist keines dass der SPD vorbehalten wäre. Der Politikbetrieb, jedenfalls unter den etablierten (die an den Rändern sind hier nicht betroffen) Parteien, stellt sich heute als Sprungbrett dar. Die Berufspolitiker kommen aus der Schule direkt in das Parlament und erwerben durch ihre dort verbrachte Zeit die "Qualifikation" für eine besonders unter Ertragsgesichtspunkten richtige Arbeit ausserhalb des Parlaments. Das schafft Verdruss, auch hier im Forum

Kreißsaal, Hörsaal (wenn

Kreißsaal, Hörsaal (wenn überhaupt), Plenarsaal heißt es immer so schön. Neben dem Lobbyismus müssen auch noch die zahlreichen NGO's (hinter denen auch oftmals kapitalträchtige Personen/Gesellschaften stehen) erwähnt werden, die nicht vom Bürger gewählt sind und sich übermäßig häufig einmischen.