Vor der Entscheidung der EU-Kommission

Wie die SPD zum EU-Beitritt der Ukraine steht

Kai Doering16. Juni 2022
Die Ukraine gehört nach Europa, sagt die SPD. Allerdings muss sie dieselben Kriterien erfüllen, wie alle anderen Beitrittskandidaten auch.
Die Ukraine gehört nach Europa, sagt die SPD. Allerdings muss sie dieselben Kriterien erfüllen, wie alle anderen Beitrittskandidaten auch.
Am Freitag könnte die Ukraine offiziell den Kandidatenstatus für eine EU-Mitgliedschaft erhalten. Aus der SPD gibt es dafür viel Zustimmung. Eine „Abkürzung“ soll es allerdings nicht geben.

Wie es sich anfühlt, wenn die Ukraine in die EU aufgenommen wird, weiß Wolodymyr Selenskyj schon. In der Comedy-Serie „Diener des Volkes“ spielte er vor einigen Jahren den ukrainischen Präsidenten, dessen Handy eines Tages klingelt und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ihm die frohe Botschaft überbringt. „Herzlichen Glückwunsch, wir werden Ihr Land in die Europäische Union aufnehmen.“ Es dauert allerdings nur wenige Sekunden bis klar wird: Merkel hat sich verwählt. Eigentlich geht es um Montenegro.

„Die Ukraine gehört nach Europa.“

An diesem Freitag könnte die Freude in Kiew echt sein. Zwar wird die Ukraine dann nicht in die Europäische Union aufgenommen, aber die EU-Kommission will ihre Entscheidung über den Beitrittsantrag des kriegsgebeutelten Landes verkünden. Die Ukraine könnte offiziell Beitrittskandidat werden wie es die Balkan-Staaten Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien sowie die Türkei bereits sind.

Aus der SPD gibt es große Zustimmung für den Kandidatenstatus. „Ich empfehle dringend, dass wir der Ukraine schnell eine EU-Perspektive anbieten“, sagte Parteichef Lars Klingbeil am Dienstag am Rande eines Treffens mit den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Schwesterparteien aus Skandinavien in Stockholm. „Die Ukraine gehört nach Europa und diese Perspektive muss deutlich werden“, betonte auch der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, gegenüber dem „vorwärts“. Die Ukraine kämpfe für europäische Werte „und deshalb ist es gut, ihm jetzt einen Weg in die Union aufzuzeigen“.

Allerdings müssten für die Ukraine dieselben Regeln gelten wie für alle anderen Beitrittskandidaten auch: Vor einem Beitritt müsse die Ukraine Voraussetzungen wie eine stabile Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfüllen. Eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU sei aber schon vor einem offiziellen Beitritt möglich.

„Es darf nicht um Symbolpolitik gehen.“

Geiers SPD-Abgeordnetenkollege Dietmar Köster brachte kürzlich im Interview mit dem „vorwärts“ die Idee eine „europäischen politischen Gemeinschaft“ ins Spiel, zu der neben den Mitgliedsstaaten auch die Länder gehören sollen, die den EU-Beitritt beantragt haben. Dabei sei es jedoch wichtig, keine falschen Erwartungen zu wecken. „Es darf nicht um Symbolpolitik gehen“, betonte Köster. Solange sich die Ukraine im Krieg mit Russland befindet, hält Köster den Beginn von Beitrittsverhandlungen ohnehin für unrealistisch. „Wichtiger ist gerade, dass es eine sozial-ökonomische Perspektive für die Ukraine gibt“, betonte er.

Wichtiger als ein sofortiger Beitritt sei ohnehin das Signal „Wir wollen, dass die Ukraine in die EU kommt, und wir tun alles, was in unserer Macht steht, um sie dabei zu unterstützen“, betonte EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley kürzlich im Interview mit dem Radiosender „Bayern 2“. Neben finanzieller Hilfe könne die EU die Ukraine auch administrativ dabei unterstützen, Veränderungen vorzunehmen, die die Beitrittschancen erhöhen. „Beschleunigen können wir das Prozedere in dem Sinne, dass die Ukraine nochmal eine ganz besondere Unterstützung bekommt.“ Ein allgemein beschleunigtes Aufnahmeverfahren lehnte Barley hingegen ab.

„Keine Abkürzungen“ in die EU

Ähnlich hatte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai in einer Regierungserklärung im Bundestag geäußert. Zwar sagte er der Ukraine Unterstützung beim EU-Beitritt zu, betonte jedoch zugleich, dieser sei „keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren“. Auch aus Fairness gegenüber den langjährigen Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan dürfe es für die Ukraine „keine Abkürzungen“ in die EU geben.

Bei einem Besuch in Skopje und Belgrad am vergangenen Wochenende betonte Scholz, der EU-Beitritt von Albanien, Serbien, Montenegro und Nordmazedonien sei ihm „ein Herzensanliegen“. Die EU stehe „besonders gegenüber Nordmazedonien im Wort, die Beitrittsverhandlungen ohne Verzögerungen zu beginnen“.

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Kommentare

Keine Abkürzungen“ in die EU

Nein, die darf es in der Tat nicht geben. Darin gebe ich Olaf Scholz und Katarina Barley vollkommen recht.

Vor allem müssen gegenüber der Ukraine die gleichen Beitrittskriterien angewandt werden wie bei allen übrigen Beitrittswilligen. Und in diesem Punkt sehe ich vielfache Probleme, was die Rechtsstaatlichkeit anbetrifft.

Z.B.: Wenn auch die Annektion der Krim im Jahre 2014 nicht rechtmäßig war, so kann doch "eine Eroberung der Krim", wie Selenskij sie angekündigt hat, nicht mit den Kriterien für eine Aufnahme in die EU im Einklang stehen. Insbesondere aber wäre es schlimm, wenn wir ihm auch noch Waffen zu diesem Zweck liefern würden. Dies müssten Scholz, Macron und Draghi bei ihrem Besuch deutlich machen.

In gleicher Weise verstößt Erdogan gegen die Aufnahmekriterien, weil er -ohne Kritik aus dem Westen - in den Irak einmarschiert ist und jetzt Griechenland mit Krieg droht.