Virtueller Ortsverein

SPD ++: „Die Digitalisierung der Parteistrukturen ist eine Machtfrage“

Kai Doering05. Oktober 2017
Die Hürden für die digitale Partei sind immer noch hoch: elektronisches Abstimmungsgerät auf dem SPD-Bundesparteitag 2015 in Berlin
Die Hürden für die digitale Partei sind immer noch hoch: elektronisches Abstimmungsgerät auf dem SPD-Bundesparteitag 2015 in Berlin
Die SPD soll mehr digitale Beteiligungsmöglichkeiten für ihre Mitglieder schaffen. So fordert es die Initiative „SPD ++“. Dabei ist bereits heute vieles möglich. „Es hakt eher bei der praktischen Umsetzung“, sagt die frühere Vorsitzende des „Virtuellen Ortsvereins“, Petra Tursky-Hartmann.

Die Initiative „SPD ++“ sagt, die Partei brauche einen neuen Ansatz, um ihre Mitglieder einzubeziehen. Sehen Sie das auch so?

Ohne Wenn und Aber ja! Und die Digitalisierung, die bei SPD ++ im Mittelpunkt steht, ist das Megathema, das uns als Partei beschäftigen muss.

SPD ++ will Themenforen etablieren, die online organisiert sind und deren Mitglieder Antrags- und Rederecht auf dem Bundesparteitag haben. Ist das der richtige Ansatz?

Ja. Genau genommen gibt es das allerdings alles schon. Der Virtuelle Ortsverein (VOV) hat schon in den 90er Jahren über E-Mail-Listen online über verschiedene Themen diskutiert. Über die „InterPol“-Liste etwa haben wir über Internet und Politik debattiert. Im Vergleich zu heute mit Facebook, Twitter und Chatprogrammen ist das alles Steinzeit, aber für die damalige Zeit waren wir so etwas wie die digitale Avantgarde der SPD. Die Themen waren denen von heute übrigens sehr ähnlich.

Petra Tursky-Hartmann war von 1997 bis 1999 und von 2002 bis 2008 Vorsitzende des Virtuellen Ortsvereins der SPD.
Petra Tursky-Hartmann war von 1997 bis 1999 und von 2002 bis 2008 Vorsitzende des Virtuellen Ortsvereins der SPD.

Was ist dann überhaupt der Unterschied zwischen dem Virtuellen Ortsverein und den Vorschlägen von SPD ++?

Der Virtuelle Ortsverein wollte in den 90er die Meinungs- und Willensbildung innerhalb der Partei im Internet vorantreiben – ganz so, wie es die Leute von SPD ++ nun offenbar auch vorhaben. Die Lage ist heute aber eine ganz andere als in den 90er Jahren. Damals galten alle, die etwas mit Computern gemacht haben, eher als Nerds. Heute ist der Computer aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Deshalb finde ich es gut, dass endlich wieder ein Vorstoß unternommen wird, das Thema Digitalisierung in der SPD voranzutreiben. Wir waren vor 20 Jahren Pioniere, die Macher von SPD ++ sind es mit den aktuellen technischen Möglichkeiten heute.

Wenn Sie damals mit dem VOV schon ähnliche Anliegen vertreten haben: Warum ist die SPD in Sachen Beteiligung über das Internet heute nicht schon weiter?

Das ist eine gute Frage! Viele Rechte gibt es ja bereits, zumindest auf dem Papier. Der Bundesparteitag in Bochum hat bereits 2003 beschlossen, dass Anträge, die digital verabschiedet werden, beim Parteivorstand zur Beratung auf dem Parteitag eingereicht werden können. Sie müssen also schon jetzt nicht den Weg über die Ortsvereine nehmen. Es hakt eher bei der praktischen Umsetzung.

Nutzt die SPD die Möglichkeiten, die das Internet bietet, zu wenig?

Das würde ich so pauschal nicht sagen. Als Werbemöglichkeit nutzt die Partei das Internet sehr gut. Das hat man ja auch gerade während des Bundestagswahlkampfs gesehen. Bei der Diskussion von Themen oder beim Erarbeiten von Anträgen wird das Internet dagegen ziemlich stiefmütterlich behandelt. Das ist schade und ein Problem, denn die SPD verschenkt damit sehr viel Potenzial für Innovationen. Klar ist: Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird nicht auf die SPD warten.

Was sind die Gründe für die schleppende Entwicklung?

Die Digitalisierung der Parteistrukturen ist eine Machtfrage. Wenn Anträge digital und über Landes- und Bezirksgrenzen hinweg erarbeitet werden, stellt man damit die althergebrachten Hierarchien infrage. Deshalb sind die Beharrungskräfte in der SPD immer noch recht groß. Nur, wenn sich da nicht wirklich etwas tut, ist der Zug für die SPD endgültig abgefahren. Ich hoffe, dass sich die Initiatoren von SPD++ nicht beirren und von Formalien abschrecken lassen.

Inwiefern?

Die Menschen erwarten von der SPD konkrete Antworten auf die Probleme ihres Alltags, der mehr und mehr von der Digitalisierung bestimmt wird. Wie verändert sich mein Arbeitsplatz durch die Digitalisierung? Welche Auswirkungen haben Veränderungen auf den Arbeitsschutz? Was bedeutet es für mich, wenn mein Kollege ein Roboter ist? All das wollen die Menschen wissen. Ich erlebe, dass das, was die SPD ihnen bietet, den meisten Arbeitnehmern zu theoretisch und zu akademisch ist.

Was würden Sie raten?

Der SPD würde deutlich mehr praktischer Input von Menschen, die bereits digital arbeiten, guttun. Damit meine ich nicht nur, dass sie sie Partei beraten sollten, sondern sie müssten Teil des aktiven Parteilebens sein. Warum stellt man nicht einfach mehr Kandidaten auf, die bereits im digitalen Bereich gearbeitet haben und für die das Internet und die sozialen Medien ganz selbstverständlich zum Alltag gehören? Die Frage der Veränderung der Arbeitswelt unter dem Einfluss der Digitalisierung lässt sich doch nicht dadurch lösen, indem wir einfach noch mehr Anträge dazu verabschieden. Das sollte auch den Initiatoren von SPD ++ klar sein. Ich wünsche ihnen auf jeden Fall viel Glück!

SPD erneuern

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Kommentare

Das Delegationsprinzip über Bord werfen

Bisher sieht es so aus: wollen wir Basismitglieder mitbestimmen, dann wählen wir unsere Delegierten für die Landeskonferenzen, die wiederum Delegierte für die Bundeskonferenzen wählen und so weiter. Im Endeffekt führt dies dazu, dass die meisten Mitglieder in der Partei de facto nichts zu sagen haben. Wer das meiste „Sitzfleisch“ besitzt, dem winken hingegen Posten und Einfluss. Und schaffe ich es nicht zum Ortsvereinstreffen, weil ich zum Beispiel nach zehn Stunden Arbeit gerade meinen eineinhalbstündigen Heimweg antrete, wenn das Treffen losgeht, kann ich nicht mitgestalten.

Ich bin daher für einen kompletten Bruch mit unserem bisherigen Delegationsprinzip und dafür, dass wir uns eine neue Satzung geben, die sich an der von anderen Parteien orientiert. Die Grünen, aber auch die mittlerweile bedeutungslos gewordenen Piraten, sind hier moderner und zukunftsorientierter aufgestellt.

An Landes- und Bundeskonferenzen sollen prinzipiell alle teilnehmen können. Ziel ist es aber, hier lediglich Beschlussvorlagen zu erarbeiten, die in den Folgewochen der Basis zur Abstimmung vorgelegt werden.

Siehe hier für mehr Informationen: http://www.lammermann.eu/wordpress/?p=258

Delegationsprinzip

Ich war in 2016 Neumitglied und bin wieder aus der SPD wieder ausgetreten.
Was soll ich in einer Partei,wo ich (wie Herr Lammermann erwähnt) als einfaches zahlendes Mitglied nichts zu sagen habe.Die Partei ist in ihren jetzigen Strukturen veraltet.Ich wäre gerne im letzten Jahr zum Landesparteitag in Sachsen nach Chemnitz gefahren.Ich dachte als Parteimitglied bin ich beschlußfähig. Das wurde mir von anderer Stelle verneint. Was soll das? Für was bin ich in diese Partei eingetreten? Nur um mein Mitgliedsbeitrag abzuleisten? Die Grünen sind in der Tat moderner aufgestellt.Es Bedarf dringend die Partei von innen heraus neu auszurichten. Da unterstütze ich Teile der Jusos. Ich habe nur die Befürchtung,das die neue Eintrittswelle wieder zur Folge hat, weiter so! Wir brauchen nichts ändern. Das wäre ein fataler Fehler! Wenn die Partei sich von innen erneuert und dadurch auch Mitglieder auf Kreis, Stadt, Landesebene bzw. Bundesebene politisch aktiv werden könnten, die jetzt durch das aktuell praktizierte System, hinten runter fallen, dann wird die Partei bis auf Bundesebene eine starke politische Rolle spielen können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Digitalisierung der SPD

Eine Digitalisierung der SPD ist nötig. Dazu müssen aber auch die Mitglieder entsprechende Kenntnisse haben. Alleine die Nutzung von Facebook ist für manche Mitglieder eine Schwierigkeit. Durch die Digitalisierung besteht auch die Möglichkeit, das Arbeitsgemeinschaften ihre Dateien zentral speichern können. Flyer zur Information müssen nicht neu erstellt werden, es müssen nur verschiedene Daten verändert werden. Was den Eintritt in die SPD betrifft, so kann man an einem Landes- oder Bundesparteitag teilnehmen, nur eben nicht gleich als Delegierter sondern als Gast. Nur weil die sofortige Teilnahme nicht möglich ist, da muss die SPD nicht umorganisiert werden, was nicht bedeutet das ich gegen Änderungen bin. Wer aber aktiv in einer Arbeitsgemeinschaft mitarbeitet, der kann schneller Delegierter werden. Gerade durch die Arbeitsgemeinschaften bietet die SPD viele Möglichkeiten einer Mitarbeit. Dort kann man auch in die SPD hinein schnuppern, man muss dazu kein Mitglied sein. Es kommt allerdings immer auf die Arbeit der Personen der SPD an, egal ob Ortsverein oder Unterbezirk. Dort an der Basis beginnt die Arbeit und auch die Mitarbeit.

Die Digitalisierung der Parteistruktur.....

....Wäre dringend nötig.

.....Aaaber, ich habe im Internet, bei den Piraten beobachtet, daß eine Digitalisierung nur erfolgreich sein kann wenn der Listmaster jeder Gruppe sich selbst zurücknehmen kann aber sehr viel Zeit und Hirnschmalz Investieren kann.
Das bedeutet, der Listmaster müßte das Hab-Professionell bis Professionell machen, wenn in einer Liste Leben vorhanden ist :-).