SPD-Debattencamp

SPD-Debattencamp: Scholz' Antwort auf die Populisten

Jonas Jordan12. Dezember 2020
Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im digitalen Talk mit dem US-Philosophen Michael J. Sandel.
Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im digitalen Talk mit dem US-Philosophen Michael J. Sandel.
Beim Talk des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz mit dem US-amerikanischen Philosophen Michael J. Sandel sind sich beide einig: Die Sozialdemokratie muss mehr für Würde und Anerkennung tun. Scholz setzt dafür auf ein gesellschaftliches Bündnis.

Es ist der zweite Auftritt von Olaf Scholz an diesem Tag. Einige Stunden vorher hatte der Kanzlerkandidat beim Debattencamp der SPD mit seiner Rede bereits dafür gesorgt, dass ihm zehn Millionen digitaler Herzen zugeflogen waren. Nun, am Nachmittag, geht es mehr um das Grundsätzliche, die philosophische Betrachtung der politischen Zusammenhänge, die Ursachen für Populismus, soziale Spaltung oder den Brexit. Darüber spricht Scholz mit dem US-amerikanischen Philosophen Michael J. Sandel, der von der anderen Seite des Atlantiks per Video zugeschaltet ist. Die beiden Männer sind sich in vielen zentralen Punkten der Analysen einig. Doch die Schlüsse daraus zu ziehen und in Maßnahmen umzusetzen, obliegt letztlich den politisch Handelnden, wie Scholz betont.

Zunächst aber macht Sandel die grundsätzliche Bedeutung sozialer Mobilität deutlich. Jede*r solle durch Bildung das Recht beziehungsweise die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg haben. Doch diese grundsätzliche Chance habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend umgekehrt: Aus dem Recht auf sozialen Aufstieg wurde die Pflicht zur Qualifikation durch Bildung. Das bedeutet laut Sandel, dass diejenigen, die beispielsweise keinen Universitätsabschluss haben, das Gefühl vermittelt bekommen können, versagt zu haben. Das könne zum Verlust von Würde und Respekt führen.

Scholz fordert gesellschaftliches Bündnis

Olaf Scholz teilt diese Analyse des US-Philosophen. „Wer nicht studiert hat, ist nicht weniger Teil der Leistungsgesellschaft“, stellt der SPD-Kanzlerkandidat klar. Im Hinblick darauf sei in der jüngeren Vergangenheit die gesellschaftliche Wahrnehmung durcheinander gekommen, meint er beispielsweise mit Blick auf den Begriff der gesellschaftlichen Leistungsträger*innen. Union und FDP verwendeten diesen in der politischen Debatte häufig, wenn sie von Menschen mit hohen Einkommen sprechen. Das sei grundlegend falsch und müsse sich ändern. 

„Mir geht es darum sicherzustellen, dass es gleichwertig bleibt, wenn jemand handwerkliche Fähigkeiten ausübt. Ich finde es nicht richtig, wenn jemand für sehr schwere Arbeit sehr wenig Geld bekommt. Das ist eine Debatte, die wir in unserer Gesellschaft noch nicht intensiv genug führen“, sagt Scholz. Denn nicht auf jede gesellschaftliche Frage sei Bildung die richtige Antwort. Wer beispielsweise 40 oder 45 Jahre in einem handwerklichen Beruf gearbeitet habe, verdiene Respekt und gesellschaftliche Anerkennung. Der SPD-Kanzlerkandidat fordert daher: „Wir brauchen ein gesellschaftliches Bündnis, wo eine Theaterleiterin und ein Mitarbeiter der städtischen Müllabfuhr ein gemeinsames politisches Anliegen haben – und zwar auf Augenhöhe. Ich setze mich dafür ein, dass wir so ein Bündnis schaffen.“

Die Antwort auf Trump und alle Populist*innen

Sandel gefällt das. Der US-Philosoph sagt: „Ich stimme sehr mit dem, was Olaf Scholz gesagt hat, überein. Wir müssen uns erinnern, dass die Arbeit, die die Arbeiter geleistet haben, gesellschaftlich nicht genug anerkannt worden ist.“ Sozialdemokrat*innen müssten etwas für die Würde und gesellschaftliche Anerkennung tun, um den Wert der Arbeit wieder zu steigern, fordert er. An Scholz gerichtet stellt er die Frage, warum Mitte-Links-Parteien ihre traditionelle Bindung zur Arbeiterklasse verloren hätten.

Der Kanzlerkandidat antwortet, dass sich der Wert der Arbeit nicht allein danach bemessen dürfe, wie viele Fremdsprachen beispielsweise jemand spreche. „Wir dürfen nicht die einen gegen die anderen stellen, sondern müssen alle zusammenführen. Das ist auch die Antwort auf Trump und alle Populisten“, sagt Scholz. Nur ein breites gesellschaftliches Bündnis könne die Populist*innen zurückdrängen. Aktuell befinde man sich an einem Scheidepunkt, ähnlich wie zu Beginn der Industrialisierung. Der Finanzminister fordert: „Deswegen müssen Mitte-Links-Parteien es schaffen, ein Zukunftsbündnis zu formulieren.“ Notwendig sei ein Plan, mit dem gute Arbeitsplätze auch in zehn bis 20 Jahren noch vorhanden seien.

Sandel: „Ich denke, das ist eine gute Antwort.“

„Ich denke, das ist eine gute Antwort“, sagt Sandel. Er regt zudem an, grundsätzlich über Einstellungen und Werte nachzudenken. Nicht diejenigen, die das meiste Geld verdienten, leisteten zwangsläufig auch am meisten für das Gemeinwohl einer Gesellschaft. „Viele Menschen leisten einen entscheidenden Beitrag zum Gemeinwohl, verdienen aber wenig Geld“, sagt Sandel.

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Kommentare

Nicht wirklich glaubwürdig

Die einzig interessante und relevante "Anerkennung" ist nun einmal die Bezahlung und sämtliche davon abhängenden Faktoren wie "Respekt"Rente. Man kann noch so viele "Held der Arbeit" Rhetorik absondern, so ziemlich alle mir bekannten "Corona-Helden" wissen sehr genau, was sie neben bedeutungslosen Lobpreisungen an tatsächlicher finanzieller Anerkennung erhalten haben/werden.
Nun ist der Herr Scholz eine der Hauptfiguren der Agendapolitik und damit mitverantwortlich für Lohneinbußen eben der Menschen die er nun ganz plötzlich "respektieren" möchte. Nicht die ideale Werbefigur für solche Inhalte, will mir scheinen.
Wieder vermeidet er eine Antwort auf wichtige Fragen, zum Beispiel hier die Entfremdung der nur noch dem Namen nach "linken" Parteien gegenüber Arbeitnehmern und Familien.

Eines der Hauptprobleme, die extrem ungleiche Verzinsung von investierten Mitteln sowie Belastung der Profite im Vergleich von realwirtschaftlicher Wertschaffung zu fiktiver Gelderfindung in der "Finanzwirtschaft" bleibt ausgeblendet.

Mehrsprachigkeit ist hier überbewertet - jedenfalls kriegt man auch mit einem LCCI Level 4 z.B. bei Auslandseinsätzen und UL/CSA Normbewertungen keinen Cent mehr.