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„Sozis für Tiere“: Warum sich die SPD stärker um den Tierschutz kümmern sollte

Kai Doering27. Dezember 2019
Kurzbesuch auf dem Parteitag: Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (l.) schauten am Stand der „Sozis für Tiere“ vorbei – zur Freude des Vorsitzenden Stefan Sander (2.v.r.)
Kurzbesuch auf dem Parteitag: Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (l.) schauten am Stand der „Sozis für Tiere“ vorbei – zur Freude des Vorsitzenden Stefan Sander (2.v.r.)
Eigentlich ist Tierschutz ein ur-sozialdemokratisches Thema, in der SPD allerdings zu wenig präsent, sagt Stefan Sander. Mit seinem Verein „Sozis für Tiere“ will er das ändern – und fordert u.a., dass Tierprodukte teurer werden.

Was stand bei Ihnen zu Weihnachten auf dem Tisch?

Bei uns gab es in diesem Jahr ganz klassisch einen Kartoffelsalat, bei uns dann eben mit Räuchertofu. Zum Nachtisch haben wir Mousse au Chocolat und Bratapfel gemacht.

Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat vor einigen Jahren mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“ geworben. Ist das heute noch zeitgemäß?

Der SPD ging es natürlich nicht um die Bewerbung von Currywurst, sondern vielmehr um die Herstellung von Nähe. So nach dem Motto: Auch wir gehen nach der Maloche dann und wann zur Frittenbude, wir verstehen dich! Gut, dass es da immer öfter auch leckere vegane Currywurst gibt. Ich weiß allerdings auch, dass sich viele Tierschützer*innen damals sehr über den Spruch geärgert haben. Auch grenzt das Verpflegungsangebot bei unseren Parteiveranstaltungen häufig immer noch Menschen aus und ist aus Klima- und Tierschutzperspektive alles andere als zufriedenstellend.

Auf ihrer Internetseite schreiben die „Sozis für Tiere“, die Ausbeutung von Tieren sei „ein vergessenes Thema der Sozialdemokratie“. Was meinen Sie damit?

Es gibt sehr vielschichtige und tiefgehende Betrachtungen und Stellungnahmen zum Thema Tierschutz und Tierrechte von Sozialistinnen und Sozialisten – von August Bebel, über Rosa Luxemburg bis hin zum Vater des Godesberger Parteiprogramms, Willi Eichler. Auch eine der ersten Theorien, die einen starken Rechtsstatus von Tieren begründet, kommt von einem Sozialisten. In der heutigen SPD spielt das alles leider keine Rolle mehr und ist wohl den meisten sogar unbekannt. Stattdessen reden wir lediglich über ein Tierwohl-Greenwashing. Das ist bedauerlich.

Seit wann ist das so?

Der Wendepunkt kam nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuvor gab es beispielsweise Sozialdemokrat*innen und Sozialist*innen, die ihre Widerstandsarbeit gegen die Nazis mit vegetarischen Gaststätten finanzierten und verdeckten. Nach der Nazi-Herrschaft ging es diesen Genoss*innen verständlicherweise vor allem darum, einen demokratischen Staat aufzubauen. Die starke Tierschutzperspektive wurde nur noch privat weitergelebt.

Versucht man den Tierschutz heute politisch zu verorten, würden wahrscheinlich die wenigsten an die SPD denken. Warum ist das Thema wichtig für die Partei?

Wer progressive Mehrheiten gewinnen will, braucht die SPD. Grüne und Linke haben jeweils eine Arbeitsgemeinschaft für den Tierschutz. Aber sie allein können kaum etwas ausrichten. Das geht nur zusammen mit der SPD. Ich bin mir sicher: Wenn die SPD das Thema Tierschutz stärker in den Vordergrund stellen würde, könnte sie auch bei Wahlen davon profitieren, denn zwei Dritteln der Verbraucher ist Tierschutz wichtig.

Wo sollte die SPD beim Thema Tierschutz aktiver sein?

Die SPD sollte sich für eine drastische Umstellung der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union stark machen. Statt Tierproduktion und damit Tierleid zu unterstützen, sollte nur noch nachhaltige Landwirtschaft unterstützt werden. Und die SPD sollte darauf hinwirken, dass auf Tierprodukte der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben wird und nicht der reduzierte von sieben.

Das würde bedeuten, dass sich Ärmere deutlich weniger Fleisch leisten könnten.

Nicht wenn die Anhebung sozialpolitisch flankiert ist. Man könnte z.B. darüber nachdenken, dass Obst und Gemüse noch weniger besteuert werden oder dass die Sozialleistungen erhöht werden. Kostenloses Schulessen kann dabei auch eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend ist, dass Tierprodukte einen ehrlicheren Preis bekommen und es weniger selbstverständlich wird, sie zu konsumieren als es bisher der Fall ist.

Rund 15 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes kommen aus der industriellen Tierhaltung. Wie lässt sich das ändern?

Die Landwirtschaft wird viel zu selten unter dem Klimaaspekt bewertet. Das muss sich ändern. Klar ist, dass sich der CO2-Ausstoß in der Landwirtschaft nur reduzieren lässt, wenn weniger Tiere gehalten und weniger tierische Produkte hergestellt werden. Da müssen wir uns endlich ehrlich machen: Wir brauchen deutlich mehr tiergerechte und dadurch klimafreundliche Ernährungsangebote.

Die „Sozis für Tiere“ sind ein eigenständiger Verein, der der SPD nahesteht. Wollen Sie offizieller Arbeitskreis oder sogar Arbeitsgemeinschaft werden?

Im Moment streben wir das nicht an. Unser Ziel ist erstmal, stärker zu werden und mehr regionale Gruppen zu gründen. SPD-Mitglieder und auch Nichtmitglieder sind bei uns herzlich willkommen und wir ermuntern sie ausdrücklich, kritische Anträge im Sinne des Tierschutzes in die SPD einzubringen. Dafür werden wir demnächst auch Vorlagen erarbeiten und auf unserer Internetseite zur Verfügung stellen.

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Kommentare

warum sich die spd stärker um den tierschutz kümmern sollte

der tierschutz liegt sehr vielen am herzen. bei wahlen profitieren davon bisher vor allem die grünen und die tierschutzpartei. auch im hinblick auf die verluste an stimmen sollte die spd das thema tierschutz aufgreifen.
christiane bernhardt

Verstoß gegen Netiquette

Der Kommentar wurde gelöscht, da er gegen Punkt 5 unserer Netiquette verstieß.

https://www.vorwaerts.de/seite/netiquette

Tierschutz

Jaja die Veggies - da muss man sich anschleimen - und der Klimaschutz - alles vorgeschoben. Fakt ist, das SPD Politik in den Bundesländern, in der BRD, in der EU und global die Agrarindustrie, dank des Arbeitsplatz"arguments" intensivst fördert. Seit 15 Jahren verschwinden immer mehr Milchkühe in Roboterställen, 70% von ihnen sehen nie den Himmel, dafür gibt es die "neue Marke" Weidemilch, aus der Stallmilch wird dann weiter Butter und Käse produziert. Schweine- und Geflügelbarone bestimmen den Markt. Hobby- oder Nebenerwerbshaltung dieser Tiere wird durch angebliche Hygeniegesetze erschwert und teilweise verboten - alles zugunsten der Monopolisten. Fleischexportweltmeiter BRD (= Futtermittelimport und Verseuchung des Grundwassers). Konträr zu dieser industrialisierten Tierproduktion wird dann das Bioidyll hochgehalten, mal abgesehen davon, daß BIO mittlerweile fast genauso industrialisiert ist. Wer wundert sich da noch über die Entremdung des Menschen von sich und der Natur? Da >70% der landwirtschaftlichen Nutzfläache global abesolutes Weideland ist ist Veggie keine Alternative.
Weiß den jemand wieviel Abfall bei der Herstellung von TOFU anfällt?

Tierschutz

Die Kritik von Armin Christ ist grundsätzlich berechtigt!

Trotzdem - gute und richtige Ansätze sind gute und richtige Ansätze. Und besser spät als niemals!

Wenn sich die SPD jetzt ernsthaft und wirkungsvoll für das Tierwohl einsetzt (und sie sollte dafür mit allen geeigneten 'Verbündeten' kooperieren!) - kann dies nur positiv sein!

Der sittlich richtigen Einstellung müssen jedoch zwingend angemessene Taten folgen!

Ein Einknicken vor der Agraindustrie-Lobby und/oder vor Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, CDU, darf es nicht (mehr) geben.

Als klima- und

Als klima- und umweltfreundlich kann auch nicht angesehen werden, wenn Soja aus Südamerika importiert wird, in deutschen Schweinemastställen verfüttert wird und das Fleisch anschließend nach China exportiert wird. Man muss sich die Frage stellen, ob der ganze Globalismus überhaupt umwelt- und klimafreundlch ist oder nur einigen wenigen als Profitmaschine dient.

Wer mal einen Blick in die Ställe mit Spaltenboden nehmen konnte, der wird das Grausen kriegen.Früher überlebte eine Kuh mit pfleglicher Behandlung 10 Jahre und mehr, heute sind es maximal 5 Jahre.

Soja

Absolut richtig!

Schrankenloser Handel ?

Wie wichtig es sein muss nicht allein die Tierqual innerhalb Deutschlands zu beenden, sondern inbesondere auch strikte Einfuhrverbote zu verhängen für tierische Lebensmittel die mit unsäglicher Tierqual verbunden sind, zeigt diese aktuelle Dokumentation im Nachgang zu den Weihnachtsfeiertagen und Martinstag:

https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/servicezeit/video-gaensema...

Interessant ist, dass in Frankreich ähnliche derartige Haltungsformen als "nationales Kulturgut" sogar geschützt sind, wenn es stimmt was ich aus den Medien erfahren habe (Frage am Rande: Vielleicht schützen wir in Deutschland die durch fehlendes generelles Tempolimit stattlich geförderte Raserei Autobahnen mitsamt ihren Opfern ja auch als "Nationales Kulturgut" ?!) !

Meine Oma stopft im großen Stall die Gänse ...

... hoffentlich geht WDR-Intendant Tom Buhrow nicht soweit, dass er sich auch noch für die ausgestrahlten Reportagen im WDR bezüglich der Tierquälerei entschuldigt und dafür dass uns mit solchen Bildern der Spiegel vorgehalten wird !
Leider ist es noch immer so, dass es Menschen mit derart geringen Einkommen gibt, dass sie kaum dauerhaft auf tierqualfreie Lebensmittel zurückgreifen können, ohne sich an anderer Stelle auf demütigende Weise vom besser etablierten Teil der Gesellschaft abzuhängen ! Aber der überwiegende Teil unserer Bevölkerung hat durchaus die materielle Freiheit, sich wenn schon tieriches verzehrt wird, dann auf eine freundlichere Haltungsform zu achten ! Auch unserer eigenen Selbstachtung willen !