
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) beteiligt sich an der Aktion „Make Europe Yourope“ der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD). In einem Motiv zeigen Sie selbst Gesicht. Warum ist diese Europawahl so wichtig?
Nach den vielen Jahrzehnten, im denen es die EU nun bereits gibt, müssten wir eigentlich alle wissen, welche Vorteile sie uns allen bringt. Trotzdem wird sie von Nationalisten und Populisten massiv bedroht. Wir sollten deshalb alles daransetzen, diese Gemeinschaft fortzusetzen. Dabei dürfen wir nicht ausblenden, dass es soziale Ungleichheiten zwischen den Ländern gibt. Aus Sicht des SoVD ist es immens wichtig, das Europäische Parlament und das weitere Zusammenwachsen der EU-Staaten zu fördern. Dafür braucht es ein starkes Mandat. Und das gibt es nur bei der Europawahl.
Aus Sicht des SoVD steht natürlich der soziale Bereich im Zentrum des Interesses. Welche Rolle spielt Europa da?
Selbstverständlich eine ganz entscheidende. Die Anpassung der sozialen Standards unter den EU-Staaten muss weitergehen – nicht als Wettlauf um die niedrigsten Standards, sondern als Verbesserung für alle. Die sozialen Standards müssen den Menschen in allen europäischen Staaten ein menschenwürdiges Leben garantieren. Konkret bedeutet das zum Beispiel, Löhne anzuheben. Für uns ist klar: Die EU darf nicht bei einer Wirtschaftsunion stehen bleiben.
Was haben die Menschen in Deutschland davon, wenn etwa in Rumänien die Löhne steigen?
Wenn Unternehmen irgendwo in der EU Dumpinglöhne zahlen, können sie zu diesen Bedingungen in Deutschland Aufträge annehmen und damit unser Lohnniveau gefährden. Ein deutscher Arbeiter konkurriert dann mit einem Mal mit seinem rumänischen Kollegen – allerdings unter unfairen Bedingungen. Da werden wirtschaftliche Kämpfe auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen. Wenn in anderen Ländern die Löhne steigen und sich die Lebensverhältnisse verbessern, können die Menschen in ihren Heimatländern bleiben und dort für weiteren wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. Armutswanderung würde so unterbunden.
Die SPD fordert in ihrem Programm für die Europawahl die Einrichtung eines europäischen Fonds zur Sicherung der Sozialsysteme, in den Länder in wirtschaftlich guten Zeiten einbezahlen, um dann daraus in schwächeren Jahren Sozialleistungen zu finanzieren. Ist so etwas realistisch?
Solch ein Fonds wie ihn die SPD fordert wäre eine gute Möglichkeit, in schwierigen Zeiten für die Stabilisierung der Sozialsystem zu sorgen. Er dürfte allerdings nicht dazu führen, Unterschiede zu nivellieren. Ein Fonds, in den alle EU-Staaten einbezahlen, würde eine Ausweitung des Solidarsystems auf unsere europäischen Nachbarn bedeuten. Der EU würde das gut zu Gesicht stehen.
Innerhalb Europas greifen Nationalismus und Populismus in den letzten Jahren um sich. Der SoVD hält mit verschiedenen Kampagnen dagegen. Warum ist das die Aufgabe eines Sozialverbands?
Die europäische Geschichte zeigt, dass Nationalismen in Katastrophen enden können. Der SoVD ist auch als Reaktion auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs entstanden. Unsere Mitglieder haben am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn radikale Strömungen mehrheitsfähig werden. Deshalb tritt der SoVD von Anfang an für Demokratie, die Freiheit des Einzelnen und soziale Gerechtigkeit ein. Eine Rückkehr nationaler Egoismen und Ausgrenzungen ist in Europa nicht ausgeschlossen. Aus unserer eigenen Geschichte und Verantwortung heraus setzen wir uns deshalb für Weltoffenheit und Toleranz ein.
Ende des Jahres will der SoVD auf seiner Verbandstagung die Themen für die kommenden Jahre abzustecken. Wo sehen Sie die größten Baustellen in der Sozialpolitik?
Unsere Aufgaben werden sicher nicht kleiner werden. Wir werden uns verstärkt um die Auswirkungen von Altersarmut kümmern müssen. Dasselbe gilt für Kinderarmut. Obwohl wir ein Sozialverband und keine Gewerkschaft sind, müssen wir auch einen Blick auf die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Löhnen haben. Klar ist, dass alle Menschen ein Einkommen haben müssen, von dem sie auch leben können. Dafür ist es wichtig, die Fortbildungsmöglichkeiten von Beschäftigten kontinuierlich auszubauen, sie fit für die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt zu machen. Dazu spielt die ausreichende Versorgung mit gut ausgebildetem Pflegepersonal eine wichtige Rolle. Bei all dem ist wichtig, dass eine Verbesserung nur erreicht werden kann, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einem Tisch sitzen. Sie sehen: Uns wird die Arbeit nicht ausgehen.