
David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, ist in der Nacht von Montag auf Dienstag verstorben. Das berichtete sein Sprecher Roberto Cuillo, die Nachricht verbreitete sich noch in der Nacht in den Medien. Cuillo hatte erst am Tag zuvor berichtet, dass Sassoli sich bereits seit dem 26. Dezember in Behandlung in seinem Heimatland Italien befand – Cuillo sprach von einer schwerwiegenden Dysfunktion des Immunsystems. Sassoli wurde 65 Jahre alt. Er wäre zum Monatsende aus seinem Amt als Parlamentspräsident ausgeschieden. Als Sozialdemokrat war er Mitglied de S&D-Fraktion im Parlament, der auch die SPD-Abgeordneten angehören.
Sein Fraktionskollege Jens Geier reagierte bestürzt auf die plötzliche Nachricht von Sassolis Tod. Der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament kennt Sassoli seit vielen Jahren. In ihrer gemeinsamen Zeit als Europaabgeordnete hätten sie in der S&D-Fraktion oft nah beieinander gesessen, so Geier. Er erinnert sich vor allem an das sprachliche Talent Sassolis, der vor seiner Zeit als Politiker Journalist sowie Nachrichtensprecher in verschiedenen Fernsehsendern war. „Er war ein rhetorischer Titan“, erklärte Geier in einem Pressegespräch am Dienstag, „das ist mein bleibender Eindruck von ihm.“
Bei Themen, die ihn gepackt hätten, so Geier, habe der Italiener oft angefangen am ganzen Körper zu beben. „Er ging aus sich raus, wenn er sprach, er stand dabei oft auf“, beschreibt Geier Sitzungen mit David Sassoli. Auch für sein Amt als Parlamentspräsident habe der Verstorbene gebrannt, für die Rolle der EU und die Stärkung der demokratischen Institutionen ebenso. „Er hat sich dafür mit seiner ganzen Kraft eingesetzt, die er hatte.“ Die Sozialdemokratie verliere einen wichtigen Vertreter, so Geier, und einen charmanten, liebenswerten und auch kreativen Kollegen.
Abschied von einem klugen Politiker und Freund
Sozialdemokrat*innen in ganz Europa äußerten sich bestürzt über den plötzlichen Tod von Sassoli. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte via Twitter, er habe die Nachricht vom Tod Sassolis „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“. Der Kanzler weiter: „Europa verliert einen engagierten Parlamentspräsidenten, Italien einen klugen Politiker und Deutschland einen guten Freund.“
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigte Sassoli auf Twitter als einen großen Europäer. „In Gedenken an den Präsidenten des Europäischen Parlaments habe ich eine Trauerbeflaggung für den Bundestag veranlasst“, so Bas, die auch Bezug auf eine Äußerung von Katarina Barley nahm, die als eine Vizepräsidentin des Europaparlaments eng mit Sassoli zusammengearbeitet hatte. „Er war ein verbindender, humorvoller Politiker, Brückenbauer und Europäer“, lobte Barley. Mit ihm als seine Vizepräsidentin zu arbeiten, sei eine große Ehre gewesen, so die Sozialdemokratin weiter.
Auch SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil kondolierte den Angehörigen via Twitter, sowie sein Amtsvorgänger Norbert Walter-Borjans:
„Mach‘s gut, mein Freund“, kommentierte der sozialdemokratische Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans den Tod von David Sassoli auf italienisch: „Addio, amico mio.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schloss sich den Trauerbekundungen an – und verabschiedete sich via Twitter mit den Worten „Riposa in pace, caro David!“ (Ruhe in Frieden, lieber David!).
Auch andere europäische Sozialdemokrat*innen äußerten sich sehr persönlich zum Tod des Parlamentskollegen und Präsidenten, darunter die Vorsitzende der S&D-Fraktion, Iratxe Garcia Perez. Sie sei „verzweifelt“, über den Verlust, schrieb die Spanierin am Dienstagmorgen.
Gerade diejenigen, die ihn näher kannten, bezeichneten ihn als Freund, überzeugten Kämpfer für ein besseres Europa – wie der SPD-Europabeauftragte Udo Bullmann:
Oder auch Michael Roth, früherer EU-Staatsminister im Außenministerium, erinnert sich an eine gute Zusammenarbeit mit einem „leidenschaftlichen“ Parlamentarier: „Er wird mir und Europa fehlen“.
Vom Journalisten zum Politiker
David Sassoli war 2019 zum Präsidenten des Europaparlaments gewählt worden – für zweieinhalb Jahre. Seine reguläre Amtszeit wäre zum Monatsende ausgelaufen, die Vorbereitungen zur Wahl eines Präsidenten sind bereits in vollen Gange. Dass der Vorgang jetzt vom Tod des Italieners überschattet werde, habe eine besondere Tragik, so Jens Geier. Als Nachfolgerin ist die Christdemokratin Roberta Matsola im Gespräch.
Sassoli wurde am 30. Mai 1956 in Florenz geboren. Nach seinem Studium der Politikwissenschaft in seiner Heimatstadt machte er zunächst als Journalist Karriere, arbeitete für verschiedene TV-Sender, berichtete viel über organisierte Kriminalität und die Mafia in Italien.
Sozialdemokratischer Parlamentarier
Seine politische Laufbahn in Europa begann Sassoli 2009, als er ins Europaparlament gewählt wurde. Sassoli ist Mitglied der italienischen Sozialdemokraten, der Partito Democratico (PD). Seitdem gehörte er auch der S&D-Fraktion im Parlament an, fungierte zeitweise als Sprecher der PD-Gruppe, war Mitglied in diversen Fachausschüssen. 2014 wurde er wieder ins Parlament gewählt, im Anschluss wählten die Abgeordneten ihn auch zum Vizepräsidenten. In der folgenden Legislatur wurde er 2019 schließlich an die Spitze des Parlaments gewählt. Er folgte im Juli 2019 auf Antonio Tajani.
Der Wechsel an der Spitze des Parlaments schon nach zweieinhalb Jahren war 2019 Teil einer Absprache der EU-Staats und Regierungschefs. Für einen anderen Vorgänger im Amt des Parlamentspräsidenten, SPD-Politiker Martin Schulz, war David Sassoli ein Freund und Kämpfer für Europa: „Einer auf den man sich verlassen konnte, auch in schwierigen Lagen“, so der inzwischen Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung.