Sozialdemokratie

Sophie Koch: So wird die SPD wieder erfolgreich

Sophie Koch24. Dezember 2019
Wenn wir junge Menschen für die SPD gewinnen wollen, müssen wir ihnen auch zuhören, fordert die sächsische Juso-Landesvorsitzende Sophie Koch.
Wenn wir junge Menschen für die SPD gewinnen wollen, müssen wir ihnen auch zuhören, fordert die sächsische Juso-Landesvorsitzende Sophie Koch.
Für einen erfolgreichen Kurs braucht die SPD wieder eindeutige Positionen, klare Ziele und Vorbilder, die man beim Wort nehmen kann. Eine SPD, die junge Generationen ernst nimmt und die standhaft sozialdemokratische Ideen voranbringt, das ist eine SPD, die wieder glänzen kann.

In Sachsen sind wir niedrige Wahlergebnisse der SPD gewohnt und meine Hoffnung war, dass sich unsere Ergebnisse früher oder später eher an die der Bundespartei annähern – nicht andersherum. Jetzt steht die SPD in Sachsen bei 7,7 Prozent, die Bundes-SPD schwächelt und alle suchen nach einem Weg zurück zum Glanz. Was also muss die SPD anders machen? Ich versuche einige Denkanstöße zu geben – als junge, progressive, ostdeutsche Frau innerhalb dieser Partei und mit vielen Eindrücken, die ich bundesweit in den sozialen Medien oder auf den Straßen und Märkten Sachsens bekommen habe.

Die Jugend nimmt die SPD nicht ernst

Ein Problem der SPD haben die letzten Wahlergebnisse verdeutlicht: Die Jugend nimmt uns nicht mehr ernst – zumindest zu einem großen Teil! Es brauchte übrigens kein YouTube-Video von Rezo, damit sich der Großteil einer Generation fragt, was die SPD ist und wofür sie steht. Viele nehmen die Sozialdemokratie nur als das Anhängsel der CDU wahr. Sie könnten nicht in drei Sätzen erklären, welche Ziele die SPD verfolgt – aber viele unserer Mitglieder können das wahrscheinlich auch nicht.

Und es fehlt der Jugend an Vorbildern, an jungen Sozialdemokrat*innen, die ihre Lebensrealität kennen und ihnen Politik in ihrer Sprache vermitteln. Zum Glück gibt es in diesem Punkt Hoffnung! Mit Lilly Blaudszun, Delara Burkhardt, Kevin Kühnert oder Tiemo Wölken zeigen exemplarisch vier SPD-Mitglieder, wie Politik bei YouTube, Instagram, Twitter oder Twitch funktioniert und dass man auch als junger Mensch schon was zu sagen hat.

Es braucht eine klare Haltung gegen rechts

Ich möchte aber gleich davon abraten, unsere SPD-Abgeordneten alle vor eine Kamera zu stellen, die Politik der GroKo mit schönen Bildern zu unterlegen und zu glauben, halbgare Kompromisse in schönen Schnittbildern sind plötzlich das Gelbe vom Ei. Wenn wir junge Menschen zurückgewinnen wollen, müssen wir ihnen auch zuhören! Wenn die EU Plattformen wie YouTube beim Urheberrecht stärker in die Pflicht nehmen will und vorsieht, dass die Betreiber schon beim Hochladen sicherstellen müssen, dass geschützte Werke nicht unerlaubt auf ihrer Seite landen, und Tausende gegen den entsprechenden Artikel 13 auf die Straße gehen, heißt es Druck ausüben, um Uploadfilter zu verhindern.

Wenn Millionen gegen Klimawandel protestieren, heißt es, einen sozial gerechten Klimaschutz voranzubringen, der aber genauso den künftigen Generationen gerecht wird. Es braucht mehr politische Bildung, es braucht eine klare Haltung gegen Rassismus, Hass, Antisemitismus und jegliche Form von Diskriminierung. Es braucht Vorbilder, die zu dem stehen, was sie sagen. Damit können wir auch dem Rechtsruck einer jungen Generation in Ostdeutschland entgegensteuern.

Die SPD muss aufhören, Politik für AfD-Wähler zu machen

Denn die hohen AfD-Ergebnisse, die Vielzahl jener, die wissentlich Nazis in Parlamente gewählt haben, stimmt mich mehr als nachdenklich. Schockiert bin ich leider nicht. Einerseits, weil wir in Ostdeutschland in der Tat ein großes Problem mit rechten Denkmustern haben, andererseits, weil wir es der AfD auch zu leicht gemacht haben, sich in der »Mitte« der Gesellschaft zu wohl zu fühlen. Zu lange wurde die AfD verharmlost, einzelne Aussagen als Ausnahmen hingenommen und jenen, die den Diskurs verweigerten ein ungenügendes Demokratieverständnis attestiert.

Die SPD muss nicht nur jede Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließen, sie muss auch deren Mitglieder als rechte Brandstifter entlarven. Aber das Allerwichtigste: Die SPD muss aufhören, Politik für vermeintliche AfD-Wähler*innen zu machen, in der Hoffnung, diese würden dann schon zur Sozialdemokratie kommen.

Ich wurde auf der »Unteilbar«-Demo in Dresden im August 2019 darauf angesprochen, dass die SPD den Rechtsruck der Gesellschaft mit zu verantworten hätte: durch Verschärfungen des Asylrechts, durch das Vernachlässigen anderer Themen neben Asyl & Migration (bitte nicht falsch verstehen, das sind unfassbar wichtige Themen, aber nicht die einzigen der Sozialdemokratie) und durch eine restriktivere Innenpolitik. Und ich musste der Person in Teilen recht geben.

Wichtige Konflikte zwischen oben und unten

Das Elend der Sozialdemokratie ist nämlich nicht, dass wir uns beim Thema Asyl und Migration nicht einigen können. Das Elend besteht darin, dass wir mit jeder Verschärfung unsere Grundwerte mehr als nur auf eine Zerreißprobe gestellt haben und, dass wir nicht aufhören, über das Thema zu reden und der AfD damit jedes Mal den roten Teppich der Bullshit-Argumente ausrollen. AfD-Wähler*innen hören nämlich nicht auf, AfD zu wählen, nur weil plötzlich weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen. Die bedanken sich und wählen trotzdem das Original.

Dabei sollten wir Sozialdemokrat*innen das Recht auf Asyl, auf Schutz immer hochhalten. Und wir sollten aufhören, unsere Kernthemen aus den Augen zu verlieren. Wollt ihr wissen, wann die AfD das letzte Mal ruhig war? Als Kevin Kühnert eine Debatte um Vergesellschaftung und Sozialismus losgetreten hat. Denn hier hat die AfD nix zu melden. Konzepte gegen Wohnungslosigkeit? Fehlanzeige. Ideen für eine faire Verteilung von Vermögen? Haben sie nicht.

Wenn wir als SPD verstehen, dass die für uns wichtigen Konflikte in diesem Land nicht zwischen »Grenzen offen« und »Grenzen geschlossen«, zwischen Globalisierungsgegner*innen und -befürwörter*innen verlaufen (hier sollte unser Standpunkt klar sein), sondern zwischen denen, die viel besitzen und jenen, die wenig haben – also zwischen oben und unten, dann können wir auch wieder Politik aus unseren Grundwerten heraus gestalten.

Wie die SPD wieder glänzen kann

Ich bin 26 Jahre alt und entschuldige mich an fast jedem Infostand für Hartz IV. Viele nehmen uns das heute immer noch übel – ob sie davon betroffen sind oder nicht. Das Sozialstaatskonzept, die Grundrente, die Mindestausbildungsvergütung – all das sind gute erste Schritte zurück zu unseren Idealen. Eine Vermögensteuer, eine grundlegende Kritik am kapitalistischen System, eine sozialökologische Wende und eine Absage an dieses wirkliche Elend namens Große Koalition wären weitere wichtige Schritte.

Eine SPD, die junge Generationen ernst nimmt und ihnen Chancen gibt, die bedingungslos klare Kante gegen Rechts zeigt, die Verteilungsfragen stellt und beantwortet, die quasi standhaft sozialdemokratische Ideen voranbringt, das ist eine SPD, die wieder glänzen kann.

Dieser Artikel erschien zunächst in der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte.

SPD erneuern

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Kommentare

Wohin ?

Solange die SPD eine Politik vorspielt, die immer mit dem Spruch: "Wir haben unsere Ziele nicht erreicht" endet, solange wählen die Menschen andere oder garnicht. Solange die SPD die interessen der Wirtschaft, früher sagte man die Interessen des Kapitals, für wichtiger hält als die Interessen der Mehrheit der Menschen hier im Land, solange kommt die SPD auf keinen Roten Zweig.
erinnern wir uns kurz: als die Wahl von EskWaBo ins Haus stand, da schrieb die Einheitspresse, daß die Errichtung der Sowjetmacht droht. Und schuppdiewupp hat die SPD mal wieder gekuscht. Jaja, wir bleiben in der GroKo ! (Ansonsten könnten ja lukrative Mandate verloeren gehen, diese Mandate dienen aber anscheinend nicht dazu sozialdemokratische Politik zu machen, sondern einzig und allein der Existenzsicherung auf sehr hohem Niveau.

Weckruf !

Dem Weckruf von Sophie Koch können wir uneingeschränkt zustimmen !
Es genügt eben nicht das Vielzuwenig an zukunftsfähiger Rahmensetzung schönzureden oder dem scheinbar begriffsstutzigen Wahlvolk als Knüller verkaufen zu wollen ! Zuvorderst braucht es erstmal die vereinte Kraft den SPD-Karren aus dem Dreck zu ziehen und vorher den Mut die Zukunft wirklich gestalten zu wollen!
Das geht nicht ohne dass bisher Versäumte klar zu benennen !
Da nützen Sprüche nichts die das lauten "die SPD darf ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen"! Eine Partei die sich ihrer selbst besinnt muss zuerst durch das Tal der Tränen ! Wir stehen notwendigerweise vor einer gesellschaftlichen Wende, vor der Abkehr von einer absurd verschwenderischen Wachstumsgeslelschaft! Dies mit den erforderlichen Rahmenbedingungen schnellstens einzuleiten erfordert radikales Umdenken und sicher auch manch noch Unpopuläres, gerade für die vorwiegend älteren Gesellschaftsteile die´s noch nicht begreifen wollen ! Aber: Es zahlt sich schon mittelfristig aus, nicht für die gefährlich einflussreichen Profitmaximierer, aber für unsere Gesellschaft und für unsere SPD, die nur so neues Vertrauen gewinnen wird !!!

Sophie Koch

Sehr geehrte Frau Koch, das ist ein kluger, richtiger und Mut machender
Beitrag! Ich hoffe, Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter können sich
durchsetzen!

SPD der Zukunft

Die Genossin Koch und ihre Mitstreiter/ innen werden dafür sorgen, dass die sozialistische Agenda der Partei-Linken zügig ins Werk gesetzt wird. Das Aussparen der bürgerlichen Mitte als potenzielle Wählerschaft der SPD darf dabei bereits jetzt erfolgreich konstatiert werden. Wozu auch diese "Boomer", diese ideologisch unsicheren Kantonisten - mit womöglich klammheimlicher AfD-Zuneigung? Hinfort mit ihnen. Dies vorausgeschickt, wird sich ein "annus horribilis 1998" für die SPD zuverlässig nicht mehr wiederholen. Und da wären dann noch die von der Genossin Koch namentlich genannten Hoffnungsträger/ innen: Kühnert, Blaudszun, Wölken etc.. Eine/r aus diesem Kreis setzte Anfang 2019 diesen Tweet ab: "Kennt Ihr das, ihr wollt in Ruhe für Eure Klausur lernen, könnt aber nicht aufhören, an die tollen Gesetze (der SPD) zu denken, die am 01.01.(2019) in Kraft treten." Das ist groß, sehr groß. Eine so bitterböse Satire ist seit "Farm der Tiere" nicht mehr zu Papier gebracht worden. In diesem Tweet ist all das unheilvolle mitte-spezifische bürgerliche Boomer-Kriechertum karikiert, eine Wort-Granate. Die Essenz von Intellekt. A taste of George Orwell ( Neighbour Parsons...).

Die "Bürgerliche Mitte"...

...befindet sich im Auflösungsprozess, wird zunehmend diffuser und befindet sich genau wie unsere SPD in einer akuten Findungsphase. Die Entscheidungsparameter für kommende Wahlen werden zunehmend von der Natur selbst und ihrer unbarmherzigen zerstörerischen Kraft vorgegeben, die gleichzeitig die Antwort liefert auf die Frage ob es auf längere Sicht gesund sein kann maßlos über die Verhältnisse zu leben, im unsinnigen Glauben an den eigenen Größenwahn mit technischen Erfindergeist die zunehmend klemmende Büchse der Pandora jederzeit wieder schließen zu können.
Dass Ignoranz und ressourcenfressende Verschwendungssucht nicht nur Arbeitsplätze (Totschlagargument für neoliberale Wachsttumsideologie) schafft, sondern sehr schnell sehr teuer, auch für die "bürgerliche Mitte", werden kann (die vielfach glaubte es bezahlen nur die Prekären und/oder allenfalls unsere Nachkommen) ist eine Wahrheit die zunehmend in dieser sich auflösenden Mitte ankommt ! Die Nervosität steigt. Wie wir am Tempo130-Thema erkennen. Trotz eindeutiger wissenschaftliche Belege für die Sinnhaftigkeit und einem weiter wachsenden Teil aus der "MItte" die dies inzwischen fordern, gibt es noch die Ignoranten !

Bürgerliche Mitte

Sie schreiben richtig, dass sich auch die bürgerliche Mitte in einem Findungsprozess befindet. Es gibt in diesem breiten Gesellschaftsband eine große Vielfalt von Haltungen und Meinungen. Ob es einer sozialistisch gewendeten Corbyn-like SPD gelingen wird, mindestens bei den vielen zur Reflektion und Transformation ihres Handelns bereiten "Bürgerlichen" zu punkten, bleibt abzuwarten. Das "Angebot" ist im Moment nur bedingt interessant, nichr jede/r gerät in Extase, wenn er/ sie an die Neue SPD denkt. Da können wir noch was von @ Frau Blaudszun lernen (danke nochmal für den Tweet des Jahres, die Neu-Definition in Sachen Satire. Great).

SPD der Zukunft

Sehr geehrter Herr Schumacher, wenn Sie zum Beitrag von Frau Koch kommentieren:
... " mit womöglich klammheimlicher AfD-Zuneigung?" finde ich das absolut konstruiert und
beleglos!
Wollen Sie damit -völlig grundlos, sachfremd- fatale Assoziationen auslösen?
Wenn ja, wäre das infam und verantwortungslos!

Infam? Na ja...

Sehr geehrter Herr Gelhardt, Sie unterstellen mir ein willkürliches Konstruieren. Ich entgegne scharf :) Vor die Klammer gezogen: Was ich unter Mitte-Politik verstehe: Gemessene Marktorientierung, keine Rechte ohne Verpflichtungen, starke Rolle der Unternehmen bei der Bewältigung von Zukunftsaufgaben (Energiewende etc.), soziale Gleichberechtigung aber nicht Gleichheit, ausgeprägte konservative Züge in Sachen innere Sicherheit. Nun Frau Koch: "Die SPD muss aufhören, Politik für vermeintliche AfD-Wähler/ innen zu machen (...)." "(...) weil wir es der AfD auch zu leicht gemacht haben, sich in der "Mitte" der Gesellschaft zu wohl zu fühlen." Ich stelle in meinem Statement fest, dass die sich in Richtung Corbyn-EngSoz aufmachende SPD die Mitte ausspart. Gespiegelt an meiner Mitte-Definition oben, ist diese Aussage, wie ich glaube, haltbar. Verbunden mit den Zitaten der Genossin Koch, habe ich mir die Zuspitzung erlaubt, dass sich die Mitte-Ablehnung vieler SPD-(Jung-)-Funktionäre auch aus der These speist, in dieser Mitte wäre ein verstecktes Habitat, unkoscheren nationalkonservativen Gedankengutes (mit klammheimlicher AfD-Sympathie) zu vermuten. Wo bitte, ist das jetzt konstruiert?