Saskia Esken und Lars Klingbeil

Sommertour: Wie die SPD-Vorsitzenden Transformation live erleben

Karin NinkKai Doering16. September 2022
Am Steuer: In Wolfsburg machte SPD-Chefin Saskia Esken Erfahrungen mit dem autonomen Fahren.
Am Steuer: In Wolfsburg machte SPD-Chefin Saskia Esken Erfahrungen mit dem autonomen Fahren.
Bei ihren Sommerreisen durch Niedersachsen erleben die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil ein Land im Aufbruch. Die Transformation bietet Chancen im Verkehr und in der Energieversorgung – wenn der politische Rahmen stimmt.

Saskia Esken beäugt etwas skeptisch das schwarze Auto, das in der „Autostadt“ in Wolfsburg vor ihr steht und erkennbar seine beste Zeit schon hinter sich hat. Dabei soll der ältere schwarze VW Passat Variant als Forschungsfahrzeug „Teasy 3“ die SPD-Vorsitzende autonom über die Autobahn fahren, so wird ihr das jedenfalls vom Vorstand des Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF), Thomas Vietor, erläutert. Denn das Fahrzeug ist für autonomes Fahren ausgestattet.

Und so startet Esken zusammen mit dem Wolfsburger SPD-Bundestagsabgeordneten Falko Mohrs und der jungen Forscherin Anna Panzen vom NFF zur Probefahrt. Der Start in der Autostadt Wolfsburg ist allerding noch ganz unspektakulär, denn der Wagen muss erst einmal ganz traditionell von Forscherin Panzen aus der Stadt gesteuert werden, bevor er auf der Autobahn selbständig wird.

Das Auto wird autonom

Der Besuch in der „Autostadt“ ist Teil der Sommertour von Saskia Esken durch Niedersachsen, bei der es um Transformation und Fachkräftemangel geht. Aktuell, so ist zu erfahren, schafft Teasy 3 die dritte von fünf Stufen für autonomes Fahren. Es wird also noch ein wenig dauern, bis das Auto von ganz allein weiß, wo es langgeht. Aber die Forschung schreitet konsequent voran, wie Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig bei dem Termin bestätigen. Die Mobilität der Zukunft basiere auf Software und Digitalisierung. Und für den Volkswagen-Konzern ist autonomes Fahren ein wichtiger Bestandteil seiner Zukunftsstrategie.

Dass Autos künftig zunehmend von Software und Digitalisierung beherrscht werden, ist auch bei dem Braunschweiger Autohändler klar, bei dem Saskia Esken vor ihrem Besuch in Wolfsburg vorbeigeschaut hat. „Die klassische Autoreparatur ist Vergangenheit“, sagt Betriebsrat Michael Stössens. In den kommenden Jahren würden die Anforderungen an Automechaniker*innen steigen, denn die Technik werde zunehmend elektronischer und digitaler.

Ausbildungsberufe stärken

Das Autohaus ist ein gut aufgestelltes Unternehmen, das allein in Braunschweig rund 300 Mitarbeiter*innen und 50 Auszubildende hat, von denen jede*r übernommen wird. Allerdings strebt ein Drittel der jungen Leute nach der Ausbildung ein Studium an und verlässt das Unternehmen, so dass der Fachkräftemangel auch hier deutlich zu spüren ist. „Wir wünschen uns, dass das Handwerk wieder an Attraktivität gewinnt“, heißt es deswegen dort an vielen Stellen.

Esken unterstützt diese Forderung und plädiert dafür, Handwerksberufe aufzuwerten. Eine stärkere Tarifbindung sei dafür genauso wichtig wie ein besseres Image der Ausbildungsberufe. Heutzutage müsse die Entscheidung für einen Beruf auch keine Lebensentscheidung mehr sein, betont die SPD-Vorsitzende. Zwar komm es darauf an, dass junge Menschen früh – etwa durch Praktika – einen Bezug zu den verschiedenen Bereichen bekämen. Eine Festlegung in jungen Jahren schließe aber dank der vielen Möglichkeiten, die es heute gibt, eine spätere Weiterbildung und Veränderung nicht aus.

Wie gut Handwerk und Wissenschaft ineinandergreifen wird auch in der Autostadt deutlich, als die SPD-Vorsitzende nach ihrer autonomen Probefahrt sichtlich begeistert aus dem Passat steigt. Anschaulich erläutert sie den mitgereisten Journalist*innen, wo das Auto noch gelenkt werden muss (in der Stadt und der Autobahnabfahrt) und wo es selbständig seinen Weg findet (auf der Autobahn). „Die aktuellen Krisen sind zweifelsohne ein Treiber der Transformation“, sagt sie und verspricht „die Politik, allen voran die SPD, wird diese Entwicklung aber massiv fördern und unterstützen“.

Das erste Flüssiggas-Terminal Deutschlands

SPD-Chef Lars Klingbeil und die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller an Bord der "Jantje"
SPD-Chef Lars Klingbeil und die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller an Bord der "Jantje"

Das wird auch deutlich als ein paar Tage später die „Jantje von Dangast“ in Hooksiel ablegt. An Bord des Schiffes sind der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, der niedersächsische Umwelt- und Energieminister Olaf Lies, die örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller und der parteilose Wilhelmshavener Oberbürgermeister Carsten Feist. Als das Schiff Fahrt aufnimmt, bricht die Sonne durch die Wolken, am Horizont erscheint ein Regenbogen. Nach wenigen Minuten ist das erste Ziel erreicht: die Baustelle des Flüssiggas-Terminals.

Es ist da erste, das in Deutschland gebaut wird, und ein direktes Ergebnis des Angriffs Russlands auf die Ukraine. Nur drei Tage nach Kriegsbeginn, am 27. Februar, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz den Bau in seiner „Zeitenwende“-Rede an. Carsten Feist bekam davon zunächst gar nichts mit. Der Oberbürgermeister saß in seinem Arbeitszimmer und arbeitete an einer Rede, bis sein Telefon nicht mehr aufhörte zu klingeln: Die Anrufer*innen wollten wissen, wann es denn nun losgehe mit dem Bau des Terminals.

Das ganze Land blickt auf Wilhelmshaven

„Wenn der Kanzler entscheidet, dass hier gebaut wird, muss er mich natürlich vorher nicht fragen“, sagt Feist. Zumal in einer Zeit, in der sich die Ereignisse überschlagen, lange gepflegte Überzeugungen von einem Tag zum anderen über den Haufen geworfen werden müssten. Für Feist war sofort klar: „Wir machen das.“ Zumal die Bedingungen in Wilhelmshaven ideal seien.

Mit dem Jade-Weser-Port gibt es hier, direkt neben der Baustelle des Terminals, Deutschlands einzigen Tiefwasser-Hafen. Die Autobahn ist nicht weit, die Zugstrecke wurde erst vor wenigen Jahren elektrifiziert. Im Hinterland gibt es außerdem 99 Salzkavernen, unterirdische Hohlräume, in denen Gas gelagert werden kann. Es gebe ausreichend Fachkräfte. „Für den Rest der Republik ist entscheidend, was in Wilhelmshaven passiert“, betont Lars Klingbeil. Die Fahrt auf der „Jantje von Dangast“ ist Teil seiner Sommertour durch den Norden Niedersachsens. Klingbeil will sich vor Ort ein Bild davon machen, wie Deutschland sich unabhängig macht von russischem Gas.

Eine alte Idee feiert ihren Durchbruch

„Wir haben uns zu lange auf russischem Gas ausgeruht“, sagt Olaf Lies, an Bord der „Jantje von Dangast“. Die Idee, in Wilhelmshaven Flüssiggas anzulanden, sei nicht neu, erklärt der niedersächsische Umweltminister. Bereits vor 50 Jahren habe man darüber nachgedacht. Doch es sei im Vergleich schlicht zu teuer gewesen. Russlands Krieg in der Ukraine hat nun Tempo in die Planungen gebracht: Am 1. Mai um 10 Uhr morgens sei die Baugenehmigung für das Terminal erteilt worden. Am 5. Mai war Baubeginn. Am 27. Dezember soll das erste Schiff mit Flüssiggas ankommen – passenderweise mit dem Namen „Höegh Esperanza“, spanisch für Hoffnung.

Hoffnung setzen sie in Wilhelmshaven in das neue Terminal, auch weit über flüssiges Erdgas hinaus. „Was heute an fossilem Gas ankommt, wird sehr schnell erneuerbares Gas sein“, ist Olaf Lies überzeugt. Bald schon soll nämlich in Wilhelmshaven kein LNG, wie verflüssigtes Erdgas kurz heißt, umgeschlagen werden, sondern verflüssigter, grüner Wasserstoff, aus dem Wärme genauso wie Strom gewonnen werden kann. „Wir bauen jetzt das Sprungbrett in eine klimaneutrale Zukunft“, sagt Olaf Lies.

Tempo auch bei Erneuerbaren Energien

Damit das vor Ort auch gelingt, haben er und die SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller bereits 2018 einen „Runden Tisch Wasserstoff“ in Wilhelmshaven initiiert. Seit zwei Jahren treffen sich Energieversorger und andere Unternehmen aus der Region, um den Rahmen für eine erfolgreiche Wasserstoff-Zukunft abzustecken. Ein Papierhersteller etwa will sich nahe dem Terminal ansiedeln und die Abwärme für seine Produktion nutzen.

„Die Industrie folgt der Energie, das war schon immer so“, sagt Lars Klingbeil. Damit das strukturiert und erfolgreich passiere, brauche es aber auch politische Führung. Deshalb sei es wichtig, dass es Rückendeckung aus Hannover und Berlin gebe. Beeindruckt zeigt sich der SPD-Vorsitzende von der Geschwindigkeit, die in Wilhelmshaven an den Tag gelegt wird. Die wünscht sich Siemje Möller auch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Vor allem Windkraft ist ein wichtiges Thema in der Region um Wilhelmshaven. „Wir müssen Deutschland besser mit Energie versorgen“, sagt Möller, „damit die Preise wieder sinken“.

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Kommentare

ja, diese Transformationen sind auch nicht

zu vernachlässigen. Aber der Blick muss in erster Linie auf die Transformation von Beschäftigten zu Beschäftigungslosen, von Steuerzahlern zu Transferempfängern und von Mittelschicht zu Prekariat gerichtet werden. Digitalisierung ist ja modern, jedenfalls in guten Zeiten, das ist uns allen klar. Die haben wir aber derzeit nicht, so dass der Blick auf das gerichtet werden sollte, was die Menschen umtreibt, und - so wird ja befürchtet- auf die Straße treibt, ob Montags oder an anderen Tagen, ist dabei unwichtig