Steuern

Wie der Soli für ein kleines Stück Steuergerechtigkeit sorgt

Norbert Walter-Borjans25. Februar 2019
Die Einnahmen aus dem Soli können weiterhin für den Strukturwandel genutzt werden.
Von rund 20 Milliarden Euro, die 2019 als Einnahmen aus dem Soli erwartet werden, kommt mehr als die Hälfte von den oberen zehn Prozent der Einkommen. Für Ex-Finanzminister aus NRW, Norbert Walter-Borjans, ist der Soli für Besserverdienende ein Faustpfand für eine gerechte Steuerreform.

Muss der Soli weg oder soll er bleiben? Glaubt man den Organisationen der Wirtschaftslobby wie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, dann gibt es kaum etwas Ungerechteres, als den ungeliebten Solidaritätszuschlag auch nur einen Tag länger zu erheben, auch nicht von den Besserverdienenden.

Geschickte Lobbyarbeit gegen Soli

CDU, CSU und FDP stimmen mit Blick auf einflussreiche Teile ihrer Wählerschaft gern lautstark in diesen Chor ein, aber wenn wir ehrlich sind, hegen auch viele mit durchaus vorhandener Sympathie für die Sozialdemokratie keine Sympathie für den Soli. Dass das so ist, hat viel mit geschickter Lobbyarbeit in Diensten der Bezieher von weit überdurchschnittlichen Einkommen zu tun.

Deren Interessenvertreter schaffen es immer wieder, Normalverdienern einzureden, sie seien die wahren Verlierer solcher Sonderopfer. Es ist aber auch Folge eines gehörigen Misstrauens, dass die Politik eine einmal erhobene Abgabe auch dann nicht wieder zurücknimmt, wenn der Anlass dafür entfallen ist.

Geld für Strukturwandel nötig

Ich gebe zu, auch mich beschäftigt die Frage, ob wir den Soli nicht ganz abschaffen sollten. Das Festhalten daran hat einen faden Beigeschmack – auch wenn er gar nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem sogenannten Solidarpakt zur Finanzierung des Um- und Aufbaus der ostdeutschen Länder steht und damit auch nicht zwingend Ende 2019 auslaufen muss.

Wir wissen alle, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West auch danach noch nicht vollzogen ist und dass auch in den westdeutschen Ländern Folgen des Strukturwandels zu bewältigen sind, die noch lange viel Geld kosten – ganz abgesehen von den Herausforderungen, die mit dem Ausstieg aus der Braunkohle, mit den absehbaren Veränderungen der Mobilität und auch mit dem Wandel im Altersaufbau der Gesellschaft auf uns zukommen.

Soli ist kleines Stück Steuergerechtigkeit

Unabhängig von der Verwendung der Einnahmen hat der Soli aber noch einen anderen Effekt. Bisher dämpft er wenigstens ein Stück die besonders hohe Entlastung der Gewinne von Kapitalgesellschaften und Top-Einkommen im Zuge der Steuersenkung 2005 und zollt dem seither enorm geschwächten Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen sollen als schwache, wenigstens etwas Tribut.

Würde der Soli vollständig abgeschafft, dann würden sich nicht nur viele Klein- und Mittelverdiener über eine ausbleibende oder nur minimale Steuerersparnis wundern; die oberen Zehntausend würden dann noch einmal um rund 2,5 Prozent ihres zu versteuernden Einkommens entlastet.

Von den rund 20 Milliarden Euro, die 2019 als Einnahmen aus dem Soli erwartet werden, kommt nicht von ungefähr mehr als die Hälfte von den oberen 10 Prozent der Einkommen. Eine vierköpfige Familie mit 50.000 Euro brutto im Jahr zahlt dagegen gar keinen Soli. Sie hätte folglich auch nichts von seiner Abschaffung. Aber wäre ein auf hohe Einkommen beschränkter Soli denn nicht auch irgendwie ungerecht? Wer diese naheliegende Frage stellt, sollte wissen, dass der Steuersatz der Oberschicht in den Zeiten vor dem Soli deutlich höher war als heute mit ihm.  

Für mehr Verteilungspolitik

Aus dem verteilungspolitischen Blickwinkel, dass eine gerechte Reform der Besteuerung kleine und wirklich mittlere Einkommen entlasten sollte, ohne immer nebenbei höheren Einkommen einen noch höheren Rabatt zu gewähren, ist der Koalitionskompromiss, den Soli für 90 Prozent der Steuerzahler, nicht aber für die oberen zehn Prozent abzuschaffen, deshalb ein Schritt in die richtige Richtung.

Ihm müssten weitere folgen, denn auch ein Soli für Besserverdienende wiegt nicht ansatzweise auf, was Mega-Einkommen durch die radikale Senkung des Spitzensteuersatzes, Mega-Vermögen durch das Aussetzen der Vermögensteuer, Mega-Erbschaften durch die Quasi-Freistellung und Kapitaleinkommen bis in Milliardenhöhe durch die Abgeltungssteuer an Rabatten erhalten haben.

SPD muss Besteuerung reformieren

Es gehört zur Wahrheit dazu, dass einige dieser Extremrabatte durch oder zumindest mit sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung zustande gekommen sind. Manches unter dem Eindruck, dass in wirtschaftlich schwieriger Zeit Handlungsbedarf bestand. Die gewählte Therapie und vor allem die Dosis haben im Ergebnis aber zur Vertiefung gesellschaftlicher Gräben beigetragen und uns viel Vertrauen gekostet. Es ist an uns, dieses Vertrauen wiederherzustellen.

Deshalb muss die SPD Treiber für eine grundlegende Revision des Steuersystems sein. Dabei geht es zu allererst darum, dass alle ihre Steuern auch wirklich zahlen. Davon sind wir immer noch weit entfernt. Es geht dabei auch darum, das hundert Jahre alte Prinzip einer Besteuerung zu stärken, die mit steigendem Wohlstand auch einen zunehmenden prozentualen Beitrag dieses Wohlstandes zu unserem Gemeinwesen erwartet.

Wenn das gewährleistet ist, brauchen wir keine „ergänzende“ Abgabe wie den Soli. Der kann dann für alle entfallen. Bis dahin ist seine Beibehaltung für die oberen zehn Prozent der Einkommen ein Faustpfand, das wir allem Gezeter der Wirtschaftslobby zum Trotz nicht aus der Hand geben dürfen.

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Kommentare

back to the roots

Dieses "kleine Stück Steuergerechtigkeit" kann durchaus abgeschafft werden.
Wenn man das große Stück "Steuergerechtigkeit" wieder einführt das im Rahmen der Agenda abgeschafft wurde.
Also weg mit dem "Soli", weg mit der Märchensteuererhöhung die ja angeblich auch ungewollt ist und zurück auf 1998, Prä-Agenda-Steuermodell.

Dann noch solche gewollten Schlupflöcher wie Cum-XXX strafbewehrt schließen, diverse andere "Steuertatbestände" abschaffen und siehe da, wer "Gerechtigkeit" möchte wird sie erhalten.

In Runde 2 wären dann die "Beitragsbemessungsgrenzen" anzugehen.

Soli

Klar muss der Soli, als einziges Werkzeug um die Bestensverdiener ihren Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten zu lassen, erhalten werden. Ich frage mich allerdings immer noch, vergesslich wie ich bin,: welch schändliche Regierung hat den Spitzensteuersatz von 53 auf 43% gesenkt - das können doch nur so Schufte von der FDP und der CDU gewesen sein ???!!!???

Steuergerechtigkeit

Sehr gut, Norbert Walter-Borjans.
Nur schade, dass der Bundesfinanzminister sich nicht in der gleichen Weise für mehr Steuergerechtigkeit einsetzt, wie es Norbert Walter-Borjans als NRW-Finanzminister getan hat.

So würde mich z.B. auch interessieren, ob und inwieweit die Forderung von Norbert Walter-Borjans vom November 2012 (!), die Verjährung von Stuerschulden erst beginnen zu lassen, wenn ein Steuerpflichtiger den Meldepflichten nachgekommen ist und ob der seit 2014 der Bundesregierung vorliegende Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Belangung von Banken endlich beschlossen wurde.

Auf diese Forderungen hat Norbert Walter-Borjans bereits in der Bundestagssitzung vom 13.04.2016, als der Skandal um die Panama-Papiere bekannt wurde, hingewiesen. In der Folgezeit hat es eine Reihe weitere solcher Skandale wie Cum-Ex oder Cum-Cum gegeben, und bekanntlich auch mit Beteiligung der deutschen Bank und namhafter Institute wie KMPG u.a.

Und was hat Scholz, von seinem Vorgänger Schäuble ganz zu schweigen, in der Zwischenzeit hierzu getan? Nur die Kleinen, normalsteuerpflichtige Arbeitnehmer*innen oder Handwerksbetriebe u.ä. werden streng überprüft und belangt.

wo waren

Sie denn , Herr Walter- Borjans? Wie/wo auch immer. Schön, dass die Parteiführung Sie wieder mitspielen lässt und damit das Thema Steuern wieder namhaft besetzt ist in der Partei. Es lag allzulange brach.

Finanzminister in NRW

Also von 2010 bis 2017 war Norbert Walter-Borjans Finanzminister in NRW, gestern Abend bei einem Vortrag in Bielefeld. Beantwortet das die Frage?

Schwer aktiv !

Genosse Walter Borjans war an diesem Tag auch in einem wichtigen Beitrag der ARD zu sehen !
Wir sollten ihn in seinem Anliegen unterstützen, damit die Politik nicht weiterhin fremdbestimmt wird !!!

https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9yd...

an uns..

soll es nicht liegen, in der Partei ist er offenkundig nicht wohlgelitten, dabei steht er, und nicht Scholz, für Steuergerechtigkeit. Ich vermute, dass er gerade deshalb kaltgestellt war, begrüße um so mehr, dass er jetzt sogar im Zentralorgan der Partei wieder zu Wort kommt.
Er gehört zu den Besten, die die Partei aufbieten kann, gerade weil er mit Glaubwürdigkeit aufwarten kann, ein Alleinstellungsmerkmal, um es mal zuzuspitzen

Großes, umfassendes Solidarmodell !

Der Solidarbeitrag in der herkömmlichen Form sollte in jedem Falle, ob seiner damals vesprochenen zeitlichen Befristung gestoppt werden.
Dennoch benötigen wir, ob der teils strukturellen und sozialen extremen und weiter wachsenden Ungleichheit, dringend ein neues Solidarmodell !
Wir benötigen dies, weil unser bisher in der Verfassung verankertes Steuerrecht die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen verhindert !
Folge sind nicht nur eine zunehmend gespaltene unsolidarischere Gesellschaft die sich in kleineren Einheiten abschottet , sondern auch eine Geselschaft die das funktionieren der Demokratie zunehmend in Frage stellt !!!