Trotz Kritik von verschiedenen Seiten werten Sie das Klimapaket als Erfolg. Warum?
Matthias Miersch: Die gute Botschaft ist: Wir haben den Systemwechsel eingeleitet. Der Anfang ist gemacht. Mir war auch vorher schon klar, dass wir das Klima nicht im Verlauf einer Nacht retten können. Denn wir haben eine gesellschaftliche Herkulesaufgabe vor uns: Wir müssen den gesellschaftlichen Zusammenhalt organisieren und wir müssen anerkennen, dass wir mit der Natur nicht verhandeln können. Vor diesem Hintergrund haben wir das Klimapaket zusammengestellt. Noch nie hat eine Koalition ein derart umfassendes Klimaschutzprogramm vorgelegt.
Woran machen Sie das fest?
Matthias Miersch: Wir gestalten gemeinsam den sozial ökologischen Umbau unserer Gesellschaft. Der Kohleausstieg ist fest vereinbart. Er soll noch in diesem Jahr zusammen mit dem Gesetz zur Stärkung des Strukturwandels in den Kohleregionen im Bundestag verabschiedet werden. Wir werden ebenfalls noch in diesem Jahr gesetzlich dafür sorgen, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Und über all dem steht das Klimaschutzgesetz.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist enorm wichtig. Nur mit mehr Strom aus Wind und Sonne können wir auf Kernkraft und Kohle verzichten. Wir haben ein Problem was die Akzeptanz von Windrädern angeht. Auch in meinem Wahlkreis gibt es Bürgerinitiativen dagegen. Deswegen wollen wir die Kommunen finanziell an Windparks beteiligen. Jede Anwohnerin und jeder Anwohner soll auch die unmittelbar positiven Seiten der Energiewende erleben. Außerdem haben wir die Union dazu gebracht, dass Photovoltaik ohne eine künstliche Deckelung gefördert werden kann. Den Ausbau der Windenergie auf See haben wir angehoben.
Sören Bartol: Das Klimapaket nimmt besonders den Verkehr in den Blick. Seit 1990 sind die CO2-Emissionen in diesem Bereich nicht gesunken, hier müssen wir also wirklich ran, um eine deutliche Reduktion zu erzielen. Wir müssen alles tun, um unser Klima zu schützen. Gleichzeitig muss Mobilität bezahlbar sein. Wir müssen umweltfreundliche Verkehrsträger stärken, indem wir sie für viele attraktiv und bezahlbar machen. Daher nehmen wir Milliarden Euros in die Hand um den Ausbau klimaneutraler Technologien zu fördern und die Bürgerinnen und Bürger für den Klimaschutz zu gewinnen.
Die Schiene ist dabei das Rückgrat der Mobilitätswende. Daher unterstützen wir die Bahn in den kommenden zehn Jahren mit jeweils einer Milliarde Euro zusätzlich. Wir senken die Mehrwertsteuer für Bahntickets, damit Zugfahren für viele Menschen billiger und attraktiver wird. Gleichzeitig verteuern wir das Fliegen. Bis 2030 fördern wir zudem eine Million Ladepunkte für E-Autos. Außerdem erhöhen wir die Kaufprämie für E-Autos unter 40.000 Euro. Mehrere Millionen Euro fließen zudem in die Entwicklung sogenannter E-Fuels, die klimaneutral Diesel und Benzin ersetzen können.
Was bringt die Festlegung der jährlichen Klimaschutzziele, gegen die die Union sich lange gewehrt hat? Was passiert, wenn sie nicht erfüllt werden?
Matthias Miersch: Das Klimaschutzgesetz ist das Herzstück unseres Programms. Es soll noch in die-sem Jahr beschlossen werden. Wir verpflichten die einzelnen Ministerien und die Bundesregierung als Ganzes zur Einhaltung der Klimaziele. Das wird regelmäßig überprüft. Gelingt es einer Ministerin, einem Minister nicht, muss sie oder er inner-halb von drei Monaten sagen, wie das Rad gedreht werden soll, damit die Ziele erreicht werden. Solche Maßnahmen tragen viel mehr dazu bei, Klima zu schützen als ein rein marktwirtschaftlich definierter Preis.
Warum ist der CO2-Preis so niedrig festgesetzt, welche Effekte versprechen Sie sich davon?
Matthias Miersch: Gehen wir mal umgekehrt ran: Wenn wir mit einem hohen Preis einsteigen, der so-fort Lenkungswirkung entfaltet, ohne gleichzeitig Alternativen zur Verfügung zu stellen, dann rumst es möglicherweise gewaltig in der Gesellschaft– und das kann keiner wollen. Wenn der Liter Benzin oder Diesel plötzlich 50 Cent mehr kostet, ohne dass wir für mehr Busse und Züge in besseren Netzen gesorgt haben, dann leiden sehr, sehr viele unter dem hohen CO2-Preis, ohne dass sie eine Wahl hätten. Ein neues E-Auto können sich aktuell viele nicht leisten, Bus und Bahn bringen sie nur unzureichend zum Arbeitsplatz. So geht das nicht.
Warum ist es jetzt doch zum Handel mit CO2-Zertifikaten gekommen statt einem Steuermodell?
Matthias Miersch: Unser Ansatz setzt auf einen starken Staat: Ich war immer dafür, den Preis für CO2 als Signal einzuführen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir 2020 damit beginnen. Aber da sind zwei Denkschulen aufeinandergeprallt, die von Union und SPD – und daraus ist jetzt dieser Kompromiss mit zunächst zu vergebenden Festpreiszertifikaten geworden. Aber noch einmal: An der Höhe des CO2-Preises entscheidet sich nicht, ob wir die Klimaziele erreichen. Dazu braucht es andere Maßnahmen, für die wir jetzt sorgen werden.
Profitieren alle Bürgerinnen und Bürger von der Erhöhung der Pendlerpauschale gleichermaßen? Wie ist sichergestellt, dass mit der Erhöhung der Pendlerpauschale der Klimaschutz-Effekt nicht verpufft?
Sören Bartol: Seit rot-grün wird die Pendlerpauschale unabhängig vom Verkehrsmittel gezahlt. Wenn ich also klimaschonend mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahre, steht mir die Entfernungspauschale ebenso zu, wie wenn ich einen großen Spritschlucker fahre. Wir haben die Pendlerpauschale erhöht, weil wir diejenigen, die zum Beispiel auf dem Land auf ihr Auto angewiesen sind, nicht zu stark belasten wollen. Der springende Punkt ist, dass sich die Kosten für Kraftstoffe durch die künftige CO2-Bepreisung jedes Jahr erhöhen. Zunächst moderat, dann stärker. Wer benzinfrei pendelt, kann sich perspektivisch also mehr von der Pendlerpauschale kaufen als der, der ein Verbrennungsauto fährt.
Mehr Geld für Fahrradwege und Zugverbindungen
Damit klimafreundliche Alternativen zum Auto, wie der öffentliche Personennahverkehr oder das Fahrrad für immer mehr Leute in Frage kommen, bauen wir die Infrastruktur für Straßenbahnen, Radwege und Co. mit zusätzlichen Fördermitteln aus. Außerdem erhöhen wir die Mittel für die Bahn, damit die Länder mehr Züge und bessere Verbindungen bereitstellen können. In zehn Modellregionen führen wir dazu ein 365 Euro-Ticket ein, mit dem man Bus und Bahn für einen Euro am Tag nutzen kann.
Trotz umfangreicher Förderung kostet auch eine klimafreundliche Heizung erstmal viel Geld. Wie will die SPD verhindern, dass Vermieter die Kosten für energetische Sanierungen auf ihre Mieter abwälzen?
Sören Bartol: Wir haben die Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent gesenkt und eine Kappungsgrenze, also eine absolute Obergrenze, für die Umlage von Modernisierungskosten eingeführt. Der Schutz von Mieterinnen und Mietern stand für uns auch in den Verhandlungen des Klimapakets ganz oben auf der Agenda. Deshalb werden wir verhindern, dass Vermieter die Mehrkosten der CO2-Bepreisung vollumfänglich an die Mietenden weitergeben können. Für Vermieter ist das wiederum ein Anreiz in eine klimaneutrale Heizung zu investieren, damit sie nicht auf den CO2-Kosten sitzen bleiben. Zur Vermeidung sozialer Härten bei steigenden Heizkosten erhöhen wir außerdem das Wohngeld um 10 Prozent.
Glauben Sie, dass Deutschland die Klimaziele 2030 mit diesem Klimapaket erreicht?
Matthias Miersch: Das Instrumentarium dafür schaffen wir. Es gibt keine Blaupause. Wir werden das jedes Jahr neu justieren müssen und das auch tun. Mir ist wichtig: Wir brauchen dafür die gesamte Bevölkerung. Wer aus allem raus will, Kohle, Kernkraft, aber so weiter leben wie bisher – das wird nicht funktionieren. Man muss Rücksicht nehmen auf Bedenken, aber auch irgendwann sagen wo der Weg lang führt, etwa beim Einbau von Ölheizungen oder bei der Kfz-Steuer. Die SPD wird auf diesem Weg immer für soziale Gerechtigkeit sorgen. Denn in einer Demokratie können wir nur erfolgreich sein, wenn wir die Menschen überzeugen und mitnehmen.
Matthias Miersch beantwortet per Video auch noch weitere Fragen: