Runder Tisch

So will die SPD Politiker*innen vor Bedrohungen schützen

Kai Doering12. Februar 2020
Einschuss in der Scheibe des Bürgerbüros von Karamba Diaby in Halle: Die SPD will Politker*innen besser vor Bedrohungen beschützen.
Einschuss in der Scheibe des Bürgerbüros von Karamba Diaby in Halle: Die SPD will Politker*innen besser vor Bedrohungen beschützen.
Die Bedrohungen von Politiker*innen nehmen zu. Die SPD hatte deshalb am Mittwoch zu einem runden Tisch mit Betroffenen und Expert*innen eingeladen – mit konkreten Ergebnissen.

Die Zeichnung,die Katharina Zacharias Ende Januar aus dem Briefkasten nahm, zeigte ein Strichmännchen mit langen Haaren. Es baumelte an einem Galgen. Die Zeichnung steckte in keinem Briefumschlag. Zacharias lebt in Haldensleben, sitzt dort für die SPD im Stadtrat. Die Morddrohung bekam sie, so vermutet die 29-Jährige, weil sie zuvor eine rassistische Büttenrede im Karneval kritisiert hatte. Zacharias erstattete Anzeige und machte die Morddrohung öffentlich. „Galgen ist schon heftig“, kommentierte daraufhin ein AfD-Stadtrat auf Facebook. „Steinigungen wäre für das Volk besser.“

Anfang des Jahres häuften sich die Bedrohungen

Bedrohungen wie die von Katharina Zacharias gehören inzwischen für viele Kommunalpolitiker*innen und andere ehrenamtlich Engagierte zum Alltag. Anfang des Jahres sorgten einige Fälle für besonderes öffentliches Aufsehen: In Niedersachsen erklärte Arnd Focke nach Hakenkreuzschmierereien auf seinem Auto und Hetze im Internet seinen Rücktritt als Bürgermeister von Estorf. Christoph Landscheidt, Bürgermeister von Kamp-Lintfort in Nordrhein-Westfalen, beantragte einen Waffenschein, um sich und seine Familie zu schützen. Und auf das Büro des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby wurden mehrere Schüsse abgegeben.

„Wenn sich Menschen überlegen, ob sie ihr Engagement für ihre Stadt, ihre Gemeinde oder ihren Kreis nicht lieber sein lassen, weil sie Angst haben müssen vor Bedrohung, dann läuft etwas richtig schief in unserem Land“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Am Mittwoch hatte er deshalb zu einem „runden Tisch“ eingeladen, um gemeinsam mit Betroffenen, Vertreter*innen aus der Bundespolitik sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu beraten, wie der Bedrohung zu begegnen ist.

Bedrohte sollen Anlaufstelle in der SPD bekommen

Allein auf rechtlicher Ebene lässt sich einiges ändern. So strebt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht eine Reform des Melderechts an, die es Opfern von Bedrohungen erleichtert, ihre Anschrift sperren zu lassen. Zudem will Lambrecht bereits die Bedrohung mit Gewalt unter Strafe stellen. Bisher gibt es den Tatbestand nur bei Morddrohungen. Und Betreiber von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sollen verpflichtet werden, Beiträge, die volksverhetzend sind oder Morddrohungen enthalten, nicht nur zu löschen, sondern auch an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.

Doch auch innerhalb der SPD sollen Betroffene schnelle Hilfe erhalten. „Ich möchte, dass jeder in der SPD weiß, wo ihm geholfen wird, wenn er bedroht wird“, sagt Lars Klingbeil. Der Generalsekretär schlägt deshalb eine Anlaufstelle oder eine Hotline im Willy-Brandt-Haus vor. Auch die Parteischule soll Kommunalpolitiker*innen besser darauf vorbereiten, was sie bei Bedrohungen tun können. Zudem will das Willy-Brandt-Haus einen Leitfaden für die Gliederungen erstellen. Weitere Ideen sollen folgen.

Bei Katharina Zacharias stößt das auf volle Zustimmung. „Die SPD sollte dafür sorgen, dass wir uns als Betroffene untereinander vernetzen können“, sagt die Haldenslebenerin. Eine zentrale Anlaufstelle für bedrohte Politiker*innen findet sie gut, „damit der Bundesverband Bescheid weiß und Hilfestellung leisten kann“.

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Kommentare

Wie wäre es mit echter Unterstützung ?

Da in unserem Landkreis relativ aktuell Herr Bartels aufgrund des zunehmenden Drucks sein Amt aufgegeben hat möchte ich diesen sehr unvollständigen Artikel durch einige meiner Ansicht nach relevante Ursachen für Aversionen gegen Lokalpolitiker ergänzen.
Es wurde durch die "Berichterstattung" im Kriminalfall Lügde Herrn Bartels eine (Mit)verantwortlichkeit unterstellt die mit als Ursache für den Umfang der Aggressionen gesehen werden muß.
Sowohl private als auch "öffentlich-rechtliche" Medien haben in fast täglichen Medienbeiträgen Behauptungen zu einem ungesunden Gesamtbild zusammengebaut. Untergegangen sind grundlegende Fakten, zum Beispiel das ein Landrat eines Bundeslandes kaum verantwortlich sein kann für Vorgänge in einem angrenzenden Bundesland bzw. das das vielzitierte "Jugendamt Lügde" faktisch ein vom Jugendamt Blomberg Mittwochs für 2 Stunden besetzter Schreibtisch im Rathaus war.

Vergessen wird auch in diesem Artikel wieder das Lokalpolitiker (wie in der Wahl auch die Helfer am Werbestand) die einzigen real greifbaren Vertreter (=Ziele für Kritik und "Vergeltung") der Parteien sind.

Wer die lokalen Vertreter schützen will muß sein politisches Handeln überdenken.

Das wurde nicht „vergessen“...

...sondern es ist nicht relevant. Wir haben die Debatte schon unter einem anderen Artikel geführt, Herr Henze: Es dreht sich hier um Morddrohungen gegenüber Menschen, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Egal wie Medien berichten oder wie Politiker*innen handeln – kein Artikel, keine Meinung, keine Äußerung rechtfertigt eine Morddrohung oder reale Gewalt gegenüber Mitmenschen. Das sind keine „Aversionen", über die wir hier sprechen, sondern das ist blanker Hass, der Ängste schürt und in reale Gewalt umschlagen kann.

es wäre

angezeigt, auch an die anderen zu denken, die im Alltag aus welchen absurden Gründen auch immer der tatkräftigen Feindschaft andersdenkender ausgesetzt sind. Natürlich muss bestraft werden, wer andere wegen ihrer politischen Überzeugung angreift. Gleiches muss aber auch gelten bei anderen "Rechtfertigungsgründen" für angewandte Gewalt, beispielsweise bei der Gewalt in Fussballstadien und im Umfeld des Spielbetriebs der Bundesliga. Da spielt gerade Eintracht Frankfurt eine besonders unrühmliche Rolle, so dass es recht eindimensional anmutet, wenn die gleichen Fans hier im VORWÄRTS für ihr- in jedem Fall honoriges- Eintreten gegen Gewalt von Rechts quasi als Vorbild verkauft werden.

Gleich Sicherheit für alle muss das Motto sein, dann sind auch die Politiker inkludiert

Stimmt, Herr Freitag. Wer nur

Stimmt, Herr Freitag. Wer nur die Politiker (die müssen natürlich auch geschützt werden) und nicht auch die Sicherheit der Bürger erwähnt, verschließt vor der Realität in diesem Lande beide Augen. Negativbeispiele gibt es zur Genüge. Und wer Andersdenkende oder AfD-Wähler oder diejenigen, die nicht die Meinung der Altparteien vertreten, von der Gesellschaft auf Dauer ausschließen will, macht einen Riesenfehler.

Sie haben beide Recht

Aber solange, wie auch hier ersichtlich, umfassende Ursachenfindung mit einer wie auch immer gearteten "Rechtfertigung" gleichgesetzt wird kann in keinem Bereich eine tatsächliche Besserung eingeleitet werden.

Man kann natürlich in "bester" Tradition jeder Diktatur die Probleme mit immer größerem staatlichen Gewalteinsatz "lösen" aber wer sich zumindest in Wahlreden angeblich für die Überwindung einer Spaltung der Gesellschaft einsetzen will, der muß Ursachen für Aggression und Zerrissenheit finden und bedämpfen wollen - egal wie unbequem, aufwändig oder peinlich das ist.

"Irgendwas" muß sich ja wohl drastisch geändert haben wenn diese Bedrohungen und Gewaltakte sich in den letzten Jahren zusehends häufen. Mir sind jedenfalls derartige Probleme in diesem Umfang persönlich bis ca 2010 nicht erinnerlich.
Warum man da nicht auch bei den Ursachen ansetzen will wäre mal interessant zu erfahren.

Bevor die Eristiker sich freuen: Bestrafung muss bei solchen Taten natürlich sein aber wer nur die aktuelle Kuh vom Eis holt ohne den Teich einzuzäunen kommt aus dem Bestrafen nicht mehr heraus wenn der Rest der Herde immer wieder auf den Tümpel rennt.

Riesenfehler

Ein Riesenfehler wäre es, sich dem Ungeist der AfD als Partei und dem Ungeist von deren Hauptprotagonisten - geistig und/oder verbal anzupassen/anzunähern - in der Hoffnung, Protestwähler dieser Rechten wieder für die "Altparteien"
"einzufangen". Solches müsste und würde in die Hose gehen. RECHTS muss ohne WENN und ABER bekämpft werden!
Dass neoliberale Kardinalfehler, welche die Soziale Gerechtigkeit und die Solidarität unterminiert haben, vollständig
zu korrigieren sind, versteht sich dabei von selbst!

Wie Herr Henze schon richtig

Wie Herr Henze schon richtig festgestellt hat, wird keine Ursachenanalyse betrieben sondern lt. gebrüllt. Und diejenigen, die ins Abseits gestellt werden haben nicht unbedingt was mit der AfD zu tun, sondern vertreten schlicht nur gegenteilige Meinungen bzw. treten den Systempropagandisten zu Recht auf die Füße (wer wird nicht alles als Nazi abgestempelt.

Die AfD (diese vertritt Ansichten, die die Merkel-CDU nach der Regierungsübernahme auch vertreten hat) bzw. die Rechtslast kann nicht mit täglichem Kampf-Geschrei reduziert werden, sondern mit einer dem Bürger zugewandten Politik. Die Neoliberalen sind da fehl am Platze.

Im Übrigen darf das Tun und Lassen der Linksexstremisten nicht unterm Teppich gekehrt werden. Auf dem Ohr scheinen die Systemparteien jedoch schwerhörig zu sein.

Linksextremisten

Natürlich darf das Tun von Linksextremisten nicht unter den Teppich gekehrt werden. Aber wir haben seit Jahrzehnten
kein exorbitantes Problem des Linksextremismus, sondern seit Jahrzehnten ein ständig wachsendes Problem des
Rechtsextremismus.Nicht jeder der AfD wählt muss ein Nazi/Faschist sein.Aber jeder der AfD wählt muss wissen, dass die AfD der parlamentarische Arm der Rechten ist. Und er muss wissen, dass die AfD glasklar zu den geistigen Brandstiftern von RECHTS zählt, die bewusst eine Verrohung der Sprache herbeiführen und Sündenböcke suchen oder aufbauen für angebliche oder tatsächliche Benachteiligungen der sog. alteingesessenen Bevölkerung.Den von der AfD so genannten Altparteien kann man bestimmt "1.000" Fehler vorwerfen. Die Fehler Rechten sind "1.000 x 1.000".
Von den Rechten kann nie eine objektive/sachgerechte Lösung, sondern nur Verderb kommen! Die Rechen sind weder demokratiefähig noch demokratiewillig! Das war 1870/1871; 1878 - 1890 (!); 1914 - 1918 so. Das war in der Weimarer Zeit so. Das war von 1933 - 1945 und später so. Und das ist auch heute noch so! Wer AfD wählt, der spielt mindestens mit dem Feuer! Mindestens! Falsches Verständnis ist unangebracht.

Na, in Bezug auf

Na, in Bezug auf Linksextremismus braucht man nur den Blick nach Hamburg (G20) richten. Im Übrigen halte ich sowohl den Links- als auch den Rechtsexstremismus für einen Verderb. Hier im Staate erweckt es den Anschein, dass Linksexstremismus aber (wohlwollend (?) geduldet wird.

Für die sprachliche "Verrohrung", man kann es auch unzivilisierten Umgangsformen nennen, scheinen mir hier im Lande sowohl Politiker und insbesondere die Medien eine beachtliche Rolle zu spielen. Man schaue sich nur an, was für Ausdruckformen in Bezug auch auf gewählte Poltiker anderer Staaten angewendet werden.

Projektion ist nicht sinnvoll

Herr Gelhardt es kommen keinesfalls nur aus Richtung AfD verrohende Auswüchse.
Ich erinnere an die Schaffung des Unwortes "Sozialschmarotzer" seitens "demokratischer" Parteien sowie an die irrtümlich korrekte FDP-Entgleisung "spätrömische Dekadenz" die nicht nur gezeigt hat, wes Geistes Kind ein Herr Weseterwelle war sondern auch bewiesen hat, wie schlecht es um die historische Allgemeinbildung in politischen Kreisen bestellt ist.

Ich habe da keinen einzigen Politiker in Erinnerung der sich gegen diese Verrohungen stellte, weder bei der Verunglimpfung Bedürftiger noch bei der Richtigstellung das die spätrömische Dekadenz letztlich ein Gleichnis für neoliberale Gier ist. Hauptsache der eigene Luxus ist gesichert und sch... drauf wie es dem Pöbel geht und ob die "Barbaren" das Land schon fest in der Hand haben.

Es ist dringend an der Zeit hauptsächlich auf die Folgen und Zielrichtungen politischen Handelns und Unterlassens zu schauen. Allerdings ist diese Herangehensweise doch sehr beschämend für viele Politiker und Parteien die qua Lippenbekenntnis angeblich "gegen Rechts" sein wollen.