Folgen des Ukraine-Krieges

So will Entwicklungsministerin Schulze die Ukraine gegen Putin stärken

Lars Haferkamp24. Oktober 2022
Tod und Zerstörung durch russische Raketen: Ein zerstörtes Familienhaus im ukrainischen Dnipro am 5. Oktober 2022. Bei dem Beschuss wurde die dort lebende Familie getötet.
Tod und Zerstörung durch russische Raketen: Ein zerstörtes Familienhaus im ukrainischen Dnipro am 5. Oktober 2022. Bei dem Beschuss wurde die dort lebende Familie getötet.
Mit 600 Millionen Euro in 2022 hilft das Entwicklungsministerium der Ukraine. Das ist nötiger denn je, seit Putins Militär gezielt die Infrastruktur des Landes zerstört. Ministerin Svenja Schulze will nun die Widerstandskraft der Ukraine steigern.

Svenja Schulze (SPD) will Wladimir Putin einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen: Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kündigt massive Hilfen ihres Hauses für die Ukraine an. Mit 600 Millionen Euro allein in diesem Jahr will sie das von Russland überfallene Land unterstützen. Am Montag trifft sich die Ministerin mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Shmyhal, um die weitere entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu besprechen. Schmyhal schätzt den Finanzbedarf für den Wiederaufbau auf 750 Milliarden Dollar. 

Schulze: Ukraine darf Mut nicht verlieren

Die Angriffe Russlands gegen die Energie-Infrastruktur, gegen Stromnetze und Kraftwerke in der Ukraine zeigen für Schulze klar: „Putins menschenverachtendes Kalkül ist, dass die Ukrainer im Winter bei Kälte und Dunkelheit ihre Kampfesmoral verlieren.“ Darauf könne es nur eine Reaktion geben: „Dem müssen wir uns entgegen stellen und die ukrainische Gesellschaft so stärken, dass sie in diesem schwierigen Winter den Mut nicht verliert.“ Diese Solidarität zeige Putin, dass sich Europa und der Westen nicht spalten ließen. „Und sie hilft den Menschen in der Ukraine, an eine bessere Zukunft zu glauben.“

Deutschland unterstützt die Ukraine also nicht nur militärisch – worauf sich die aktuelle Berichterstattung oft konzentriert – sondern auch massiv humanitär und zivil, was in vielen Medien untergeht. Konkret fließen aus der Bundesrepublik unter anderem für folgende Projekte Mittel in die Ukraine: für die soziale Absicherung der Bevölkerung werden 250 Millionen Euro aufgewendet, für winterfeste Unterkünfte 34,7 Millionen und für Bildung und Gesundheit 63 Millionen. Darüber hinaus werden kleine und mittlere ukrainische Unternehmen mit 33,3 Millionen Euro unterstützt, die deutsch-ukrainischen Kommunalpartnerschaften und die Zivilgesellschaft mit 25 Millionen.

„Das Ausmaß der Zerstörung ist gigantisch“

Auf dem 5. Deutsch-Ukrainischen Business Forum am Montag in Berlin betont Schulze, Deutschland arbeite „sehr sehr eng mit der Ukraine zusammen“. Das Grundmuster der deutschen Hilfe für die Ukraine sei dabei, „die Ukraine entscheidet, wie es laufen soll, wir helfen und unterstützen“. Man wolle „partnerschaftlich auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten. Das Ziel sei, die Hilfe sowohl schnell zu leisten als auch nachhaltig zu gestalten. Es sei sicher ein „Balanceakt“ zwischen Geschwindigkeit und Qualität der Hilfe. Aber das gehe zusammen, zeigt sich Schulze zuversichtlich. Der Wiederaufbau der Ukraine „fängt jetzt schon an“, trotz der aktuellen Kriegssituation. Zugleich lässt sie keinen Zweifel, wieviel Arbeit dabei zu tun sei. Denn „das Ausmaß der Zerstörung ist gigantisch“, so die Ministerin.

Yulia Svyrydenko, die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine und Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, schildert auf dem Business Forum in Berlin die dramatischen Folgen der russischen Angriffe für die Wirtschaft ihres Landes mit ein paar konkreten Zahlen. Ende des Jahres würden 30 Prozent Arbeitslosigkeit und 30 Prozent Inflation erwartet, die Wirtschaft sei in diesem Jahr um 30 Prozent abgestürzt.

Kiew arbeitet für EU-Mitgliedschaft

Dennoch werde die ukrainische Regierung ihre Politik der Reformen und der Privatisierungen fortsetzen. Nicht zuletzt auch, um gleichberechtigtes Mitglied der EU werden zu können. Das Ziel bleibe, die Rolle des Staates in der Wirtschaft zu verringern. Die Ministerin weist daraufhin, dass aktuell 800 Unternehmen zur Privatisierung vorgesehen seien. „Russland will die Ukraine vernichten“, so Ministerin Svyrydenko, das gelte gleichermaßen auch für die ukrainische Wirtschaft. Deshalb sei die Rettung der Wirtschaft genauso wichtig wie militärische Erfolge ihres Landes an der Front.

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Kommentare

DIE Ukraine

Klar muss den Menschen, die durch diesen unseeligen krieg in Not geraten sind geholfen werden, aber DIE Ukraine unterstützen ? Von der Freiheit und Demokratie, die dort verteidigt werden, weiß ich nur soviel: Männer dürfen nicht ausreisen und die Parteienpluralität ist abgeshafft. Leider ist die Informationslage nicht sehr gut, denn wo kann ich mich noch informieren ohne daß da Interessenslagen durchscheinen.
Zur Zeit hält ja die Zerstörung dank Waffenlieferungen an und der Wiederaufbau steht noch nicht an. Dafür sollen aber meine Steuergelder verwendet werden, nicht die Profite der Rüstungskonzerne. Nicht nur mein Vertrauen in diese Regierung, die sich auch noch hinter einem sogenannten Staatswohl verschanzt, sinkt, aber wie soll ich denn die Menschen überzeugen, daß sie nicht die afd wählen ?

Armin Christ hat recht. Zudem ist zu fragen,

warum nicht klar gesagt wird, dass die Ukraine schon lange vor dem Krieg der korrupteste Staat auf dem europäischen Kontinent war. Dorthin massive Mittel zu lenken, bedeutet ihre Zweckentfremdung billigend in Kauf zu nehmen.

Zudem ist mir diese Opferperspektive für die Ukraine zu einfach. Russland ist einmarschiert, die Ukraine hat zuvor systematisch und unter systematischer Missachtung der von Deutschland mühsam verhandelten Minsk-Verträge massiv eskaliert. Hinter den Ausführungen unserer Entwicklungsministerin stecken folglich geostrategische Erwägungen, die nicht erklärt, sondern im Windschatten durchgedrückt werden.

Mich würde zudem eine ehrliche Bestandsaufnahme interessieren, was wir machen wollen, falls von der Ukraine nur noch ein Rumpf-Staat ohne Zugang zum schwarzen Meer übrigbleiben sollte. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Russland jemals die vier annektierten Regionen und die Krim wieder räumen wird. Militärisch ist weder Plan noch Macht in Sicht, die sie dazu zwingen können. Politisch regiert die Ignoranz vor diesen absehbaren Umständen.

Was soll also dieses Kulissenspiel eigentlich bringen? Wo ist die realistische Strategie?

Sieht das nicht doch ein wenig hoffnungsvoller aus?

"Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Russland jemals die vier annektierten Regionen und die Krim wieder räumen wird. Militärisch ist weder Plan noch Macht in Sicht, die sie dazu zwingen können. " Ich sehe derzeit schon die Moeglichkeit, dass RUS weite Teile der "besetzten" Gebiete verliert. Vielleicht werden die so deutlich verlieren, dass man sie an den Kosten beteiligen kann - Stichwort Reparationen - Bitte jetzt nicht vor den Atomdrohungen einknicken, machen die nicht, denn dann sind sie selbst mit dran und ihr Nachwuchs. Vorerst kommen wir aus der Gewaltphase dieses Krieges wahrscheinlich nicht raus. Ignorant finde ich die russische Seite, die eigentlich wissen sollte, dass man einen Krieg besser nicht beginnt, aber die befinden sich noch mental im fruehen 20. Jahrhundert. UKR leistet Notwehr - bombardieren die etwa Moskau oder Pertersburg? Das zu betrachten wie ein Boxkampf "Klitschko vs. Putin" (waere besser das wuerde so ausgetragen, denke ich ja auch), also "neutral" zwischen 2 Parteien mit gleichberechtigten Interessen ist fuer mich so, wie weiland Chamberlain es mit Hitler versuchte - ging doch schief, oder nicht? Mit Gangstern verhandelt man nicht ernsthaft.