Rechtspopulismus

So kann die SPD die AfD inhaltlich stellen

Carsten Schneider18. November 2019
AfD-Fraktion im Bundestag: Wenn es uns gelingt, die Fassaden ihrer potemkinschen Dörfer einzureißen und ihre kruden, widersprüchlichen und fehlerhaften Inhalte bloßzustellen, können wir die AfD empfindlich schwächen., meint Carsten Schneider.
AfD-Fraktion im Bundestag: Wenn es uns gelingt, ihre widersprüchlichen und fehlerhaften Inhalte bloßzustellen, können wir die AfD empfindlich schwächen, meint Carsten Schneider.
Das eine sagen, das andere tun. Nach diesem Muster arbeitet die AfD. Die SPD muss die kruden, widersprüchlichen und fehlerhaften Inhalte der Rechtspopulisten aufdecken und sie so schwächen, fordert Carsten Schneider.

Bei der Landtagswahl in Thüringen gingen 23,4 Prozent der Stimmen an die AfD. Einige Sozialwissenschaftler argumentieren, die Rechtspopulisten hätten damit ihr maximales ­Wählerpotenzial ausgeschöpft. Dies sollte uns nicht allzu sehr beruhigen, denn die Scharfmacher von Rechtsaußen sind sich der begrenzten Aussichten einer Ein-Themen-Protestpartei bewusst. Darum hat der AfD-Vorstand ein Papier erarbeitet, mit dem ein strategisch geplanter Imagewandel hin zu einer vermeintlich bürgerlich-konservativen Partei eingeleitet werden soll. Erklärtes Ziel: stärkste politische Kraft bis 2025 zu werden.

Dem unveröffentlichten Papier lässt sich entnehmen, dass die AfD künftig verstärkt auch Wähler aus dem konservativen Bürgertum für sich gewinnen will. Notwendig hierfür seien eine (zumindest öffentlich propagierte) Abgrenzung vom extrem rechten Rand und eine Positionierung in den wichtigen ­Themenfeldern Arbeitsmarkt, Steuern, Familie, Bildung und Rente. Erste Versuche, sich als Anwalt der arbeitenden Bevölkerung zu inszenieren, wurden bereits in den vergangenen Wochen durchexerziert. So behaupteten Vertreter der AfD in der Klimaschutzdebatte, das Klimapaket der Bundesregierung führe zwangsläufig in eine Rezession und zum Verlust von Millionen Arbeitsplätzen.

Die AfD agiert widersprüchlich – das muss die SPD aufdecken

Was folgt für uns Sozialdemokraten daraus? Wir müssen die AfD stärker inhaltlich stellen. Nachdem ich sie in meiner Funktion als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion nunmehr seit zwei Jahre aus nächster Nähe im Bundestag beobachten konnte, weiß ich, wie widersprüchlich die AfD agiert. Sie ist die Partei der programmatischen und politischen Paradoxien: Das eine sagen. Das andere tun.

Sie mimt die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen, lehnt aber die Grundrente ebenso ab wie die Mindestvergütung für Auszubildende, eine Bürgerversicherung, die Mietpreisbremse oder eine Vermögenssteuer. Stattdessen spricht sie sich für eine Stärkung der ­privaten Krankenversicherung aus und will die Abschaffung des Solis auch für die oberen zehn Prozent.

Sie geriert sich als Rechtsstaatspartei, will aber das Bundesverfassungsgericht massiv in seinen Rechten beschränken und votiert für eine Verwirkung des Rechts auf freie Religionsausübung. Und wenn es darum geht, Millionenbeiträge für Wahlkampfhilfen aus zwielichtigen Quellen an den Transparenzpflichten vorbeizuschleusen, ist ihr geltendes Recht herzlich egal – wie man auch in Thüringen wieder sehen konnte.

Schluss mit der Nazi-Keule

Wenn es uns gelingt, die Fassaden ihrer potemkinschen Dörfer einzureißen und ihre kruden, widersprüchlichen und fehlerhaften Inhalte bloßzustellen, können wir die AfD empfindlich schwächen.

Darüber hinaus, und das ist meine feste Überzeugung, müssen wir aufhören, auf die AfD reflexartig mit der Nazi-Keule zu reagieren. Sonst droht der Faschismus-Vorwurf zu einer generischen Floskel zu verkommen. Stattdessen müssen wir deutlich machen, dass das Wertesystem und Menschenbild der AfD nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind – und präziser auf konkrete Grenzüberschreitungen aufmerksam machen. Wo war die große öffentliche Gegenrede zum Buch des thüringischen Landeschefs Björn Höcke, in dem er von „groß angelegten Remigrationsprojekten“ fantasiert?

Wenn wir es schaffen, die politischen Paradoxien der AfD aufzuzeigen und ihnen unsere eigenen Konzepte für eine freie, solidarische und gerechte Gesellschaft entgegenzusetzen, heißt die stärkste politische Kraft im Jahr 2025 mit Sicherheit nicht AfD.

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Kommentare

Sie sind auf

dem richtigen Weg. Zuletzt hatte Karl Lauterbach eindrucksvoll bewiesen, dass die Nazikeule hier nicht weiterhilft, er selbst auch mit erheblichen Defiziten in Sachen Antisemitismus aufwartet, um es mal seicht zu formulieren. Hier noch mal sein Zitat:"Brandner wurde abgewählt mit allen Stimmen gegen die AfD. Die Demokratie hat sich gewehrt. Den Rechtsausschuss kann kein Fremdenfeind und Judenhasser leiten. Auch Fremde und Juden haben die gleichen Rechte wie wir und müssen vom Ausschussvorsitzenden würdevoll behandelt werden.“

mit erheblichen Defiziten in Sachen Antisemitismus?

Karl Lauterbach mit "mit erheblichen Defiziten in Sachen Antisemitismus?" Ich kenne ihn nicht persönlich, aber "Defizite(n) in Sachen Antisemitismus" wäre das Letzte, das ich ihm unterstellen würde. Die von Ihnen wiedergegebene Äußerung ist dafür absolut kein Beweis.

exakt das ist ja

das Problem. Jedwede Äußerungen aus der AfD lösen automatisch Entrüstung aus. Äußert sich ein Nicht AfDler - wie Lautenbach im Zitat oben- auf identische Art und Weise, ist nichts gewesen.
Der Artikel macht in verständlicher Art und Weise deutlich, dass man dem Problem AfD so nicht Herr wird.

Was in Deutschland die AfD

Was in Deutschland die AfD ist, ist in den USA Trump. Wütendes Anrennen dagegen hilft aber nicht weiter. Denn das kann zum "Fluch der guten Tat" werden: https://www.ipg-journal.de/regionen/nordamerika/artikel/detail/der-fluch...

Ein wirklich guter Beitrag.

Ein wirklich guter Beitrag. Weiter so!

Die Bürger wählen doch die

Die Bürger wählen doch die Partei, die ihrer Meinung nach für sie die größten Überlebenschancen bietet. Da die Alt-Parteien mit ihrer neoliberalen Politik explizit in den letzten Jahrzehnten so ziemlich am Bürger vorbei regiert haben, kann sich jetzt die AfD breitmachen.
Gegen die weitere Ausbreitung der AfD hilft bestimmt nicht die Nazkeule, die jedem Bürger übergebraten wird, der die Regierungspolitik in Frage stellt.
Eine Politik im Sinne der Bürger und keine Umverteilung mehr von unten nach oben kann da weiterhelfen.

SPD braucht klare Sprache - keine Anbiederung an Verirrte !

Dass es weder der CDU/CSU noch unserer SPD immer noch nicht gelungen ist, das spalterische AFD-Programm, dass vor allem den, mangels Chancengerechtigkeit, bisher schon privilegierten Bevölkerungskreisen in die Hände spielen soll, öffenlichkeitswirksam zu entlarven, sieht Carsten Schneider völlig zurecht als extremes Manko der (ihrem vorzeitigen Ende zulaufenden) aktuellen Regierungskoalition !
Wo ich allerdings nicht mit ihm gehen kann, ist der fast schon alberne Dauerspruch mit der angeblich zu unrecht geschwungenen Nazikeule.
Wer auch nur ein bisschen Kontakt zu den Menschen insbes. in Thüringen hat, der- oder diejenige kann ein Lied davon singen wie ein verdammt hoher Anteil von Bürger/inne/n AFD-Repräsentanten hoch leben lassen, die, völlig eindeutig erkennbar, eine völkische, fremdenfeindliche oft auch rassistische u. antisemitische Sprache sprechen. Wer glaubt die verlorene Wähler/innen dadurch wiedergewinnen zu können, indem man deren rassistische, fremdenfeidliche und/oder antisemitische Ausseungen und nationalsoziaistische Sympathiebekundungen unkommentiert lässt, hat wahrscheinlich selbst nicht genug aus der Geschichte gelernt.