
Als am Dienstagabend sich die beiden Duos wieder gegenüberstehen, ist der Kompromiss zur Grundrente in der großen Koalition gerade zwei Tage alt. Deswegen drehte sich an diesem Abend im Willy-Brandt-Haus auch viel um genau diesen Kompromiss. Anhand dieser Debatte wurden die Differenzen zwischen Klara Geywitz und Olaf Scholz auf der einen Seite und Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans deutlich.
Als Moderatorin war Nana Brink vom Deutschlandfunk in der SPD-Zentrale zu Gast. Eine Rolle die sie schon nach wenigen Minuten dazu nutzte, um nachzufragen, zu bohren. Schließlich ginge es bei der Veranstaltung am Dienstagabend darum, trotz der vielen Gemeinsamkeiten der vier Sozialdemokraten auch die Unterschiede zwischen den Teams zu zeigen. Denn in zwei Wochen sollen die Genossen sich für eines der Teams entscheiden.
Die Unterschiede der verbliebenen zwei Duos zeigten sich besonders in der Bewertung der Regierungsbilanz. Während sich beide Teams darin einig waren, dass die Grundrente zu Recht als Meilenstein gelte, entwickelte sich im Anschluss eine lebhafte Diskussion. "Diese Grundrente hätte es ohne die SPD nicht gegeben", stellte Klara Geywitz beispielsweise den Erfolg der Verhandlung nach vorne, während Saskia Esken kritisch einhakte: "Die Grundrente repariert doch im Grunde nur die Fehler, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben entstehen lassen." Ergänzt wurde die Erklärung von Eskens Partner Norbert Walter-Borjans, der darauf hinwies, dass ja die Grundrente nur nötig sei, weil viele Jobs, beispielsweise in der Pflege, einfach zu schlecht bezahlt seien.
"Wir sollten unsere Erfolge nicht kleinreden", fiel daraufhin Olaf Scholz den beiden Konkurrenten um den SPD-Vorsitz ins Wort. Kleine Löhne seien ein Problem, stimmte er dem Rheinländer zu, trotzdem solle die SPD doch stolz sein auf das, was man erreicht habe: "Freuen ist auch in Ordnung."
Debatte über Erwartungen und Ergebnisse
Als großen Erfolg wollte Esken solche Verhandlungsergebnise aber trotzdem nicht stehen lassen: "Man erwartet eigentlich mehr von uns", sagte sie auch mit Blick auf das Gesetz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Paketboten. "Das sind alles Reperaturmaßnahmen, die eigentlich für selbstverständlich genommen werden." Man müsse auch sagen dürfen: "Wir wollten eigentlich mehr", ergänzte Nowabo mit Blick auf den Kompromiss.
Es sei aber klar, meinte Klara Geywitz daraufhin, dass in einer Koalition nicht das Grundsatzprogramm der SPD durchgesetzt werden könne. Stattdessen warb sie für einen realistischen Blick auf die Regierungskoalition: "In einer Zeit, in der wir bei Umfragen mieseste Werte haben, haben wir es geschafft unserem Koalitionspartner etwas abzuverhandeln, was deutlich über den vereinbarten Koalitionsvertrag hinausgeht." Das müsse man als riesigen Verhandlungserfolg anerkennen.
Konsens bei höheren Löhnen und Weiterbildung
Beim Thema Zukunft der Arbeit warb Olaf Scholz für eine Mitbestimmungen in Unternehmen, Stärkung der Gewerkschaften und den verhandelten Tarifverträgen. "Diese Dinge müssen wir für die Zukunft funktionsfähig machen." Es müsse für alle Berufe Tarifverträge geben, auf die man sich verlassen könne. Als Beispiel nannte er die jüngsten Verhandlungen im Pflegebereich. "Es darf nicht so sein, dass die Digitalisierung und alle anderen Veränderungen das Arbeitsrecht außer Kraft setzen." Ein Punkt, an dem es keinen Widerspruch von Nowabo/Esken gab, im Gegenteil. "Von selbst passiert in diesem globalen Wettbewerb nichts", betonte Nowabo, "wenn wir nicht Regeln schaffen."
Wo die Teams ebenfalls nah beieinander waren, war in dem Zusammenhang das Recht auf Qualifizierung und Weiterbildung und die Reduzierung von befristeten Arbeitsverträgen. "Die sachgrundlosen Befristungen gehören der Vergangenheit an", pochte Geywitz auf eine Absicherung der Arbeitskräfte. "Die Menschen brauchen wieder Sicherheit, damit sie ihr Leben planen können."
Das ergänzte Nowabo um ein Beispiel aus seiner eigenen Familie und schilderte die Lebenssituation einer seiner Töchter: Abgeschlossenes Studium, 60-Stunden-Woche, lebt in Berlin, über ein Drittel ihres Gehalts würde für die Miete draufgehen und die Arbeitsverträge seien von jahr zu Jahr befristet. "Das ist keine Perspektive, um eine Planung für die nächsten zehn Jahre zu machen." Um das zu verändern, müsse man wieder die Gewerkschaften stärken,. "Das erwarten die Menschen von der Sozialdemokratie."
Mit dem Recht auf Weiterbildung brachte Olaf Scholz eine weitere Regel für den Arbeitsmarkt ins Spiel. "Es sollte einen Rechtsanspruch dafür geben, dass man auch später im Leben noch einen Beruf lernen kann, der den gleichen Respekt bringt wie der vorherige." Ein Recht auf Weiterbildung und Qualifizierung im gleichen Beruf gehöre ebenso dazu. Dieses Recht ergänzte Saskia Esken um eine Idee einer digitalen Bildungsplattform. "Es geht um kleine, modulare Einheiten", skizzierte Esken die Idee von flexiblen Weiterbildungsmöglichkeiten, "am liebsten kostenfrei." Dafür müsse den Arbeitnehmern aber auch die Zeit im Brerufsleben eingeräumt werden.
Lohnsteigerungen jenseits von höherem Mindestlohn
Olaf Scholz warnte bei dem Bildungs-Fokus aber vor einem möglichen Nebeneffekt: "Dabei kann der Eindruck entstehen, dass bestimmte Arbeiten nicht mit dem richtigen Wert betrachtet werden." Deswegen bräuchte es, unabhängig von Weiterbildungsmöglichkeiten, auch für den Arbeiter im Lager ordentliche Löhne - aus Sicht von Tandempartnerin Geywitz sei dafür eine deutliche Lohnsteigerung nötig, auch über einen Mindestlohn von 12 Euro hinaus.
Dass die Digitalisierung aber nicht allein negativ zu sehen ist und auch viele andere Entwicklungen den Arbeitsmarkt verändern, merkte widerrum Esken an: "In der Pflege kann sie die Arbeit erleichtern, beispielsweise in der Dokumentation." Darüber lasse sich Zeit einsparen, die dem Personal mehr Zeit für die eigentliche Pflege gebe.
Bezogen auf die befristeten Arbeitsverträge ergänzte sie außerdem ihre Konkurrentin Klara Geywitz: Bei vielen Projektverträgen sei auch der Staat der handelnde Akteur. "Da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen."
Im weiteren Verlauf der Diskussion kamen die Duos auch noch auf das Thema Klimaschutz. Dabei ging es nicht weniger kontrovers zu.