
„Dobrindt will Alkohol-Wegfahrsperren testen“, titelte die „Welt“ vor einem Jahr. Nach dem Willen des Bundesverkehrsministers sollen Menschen, denen der Führerschein wegen zu hohem Alkoholgehalt am Steuer abgenommen wurde, künftig eine elektronische Kontrolle in ihrem Fahrzeug erhalten. Die soll das Fahrzeug nur dann starten lassen, wenn die Promille-Grenze nicht überschritten wird.
Was dabei vergessen wird: Berauschen kann man sich nicht nur am Alkohol, sondern auch an Cannabis. Das ließe sich mithilfe elektronischer Nasen identifizieren. Hier bliebe nur noch zu klären, wie sichergestellt wird, dass tatsächlich die Ausdünstungen des Fahrers und nicht etwa des Beifahrers oder gar die des Hundes auf dem Rücksitz analysiert werden.
Das „autonome Fahren“ braucht viele Daten
Wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens nimmt auch beim Autofahren die Datenflut zu: Pro Tag produziert ein Oberklasse-Fahrzeug 40 Gigabytes Daten – bis 2018 soll es gar ein Terabyte sein, der Inhalt eines handelsüblichen Festplatte.
Das hat seinen Grund: Im Verkehr setzt das „autonome Fahren“ künftig die millimetergenaue Kenntnis der Umgebung voraus. Um die Welt dreidimensional zu „erkennen“ sind Sensoren in Hochgeschwindigkeitskameras, Laserscannern und Bewegungsmeldern notwendig. „Intelligente“ Leitpfosten, iLeitplanken, iAmpeln, iStraßenlaternen, iFahrbahnmarkierungen und iVerkehrszeichen könnten der „autonomen Fahrzeugsteuerung“ die Navigation auf dem „Datenteppich“ zusätzlich erleichtern. 2020 müssen nach Ansicht der Telekom „hunderttausende Terabyte von Daten sicher über das Mobilfunknetz laufen“.
Der gesamte Straßenverkehr wird überwachbar
„Sicher“ bedeutet zunächst, dass die autonomen Fahrzeuge den Unterschied zwischen einem Kind und einer Mülltonne erkennen und noch dazu zwischen Vorder- und Hinterkopf unterscheiden können, um zu erahnen dass dieses Kind im nächsten Augenblick über die Straße rennen könnte. Um dann in jedem Fall zu bremsen – auch wenn alle anderen Sensoren „Vorfahrt“ signalisieren. Schließlich muss die Technik außerdem unterscheiden können, ob da ein Hase über die Straße rennt oder ein Ball darüber rollt.
Sind außerdem elektronische Führerscheine, eFahrzeugpapiere und iNummernschilder vorhanden, kann der Verkehrsminister an seinem Schreibtisch in Berlin nicht nur Alkoholsündern virtuell den Schlüssel aus der Hand nehmen, sondern auch noch den gesamten Straßenverkehr mit Hilfe einer „intelligenten Fahrzeugkontrolle“ überwachen. Und damit nicht genug: „Massen von Daten zu jedem Aspekt des Fahrzeugbetriebs – einschließlich Geschwindigkeit, Ladung, Wetter, Umgebung, Drehzahl, dem eingelegten Gang, Pausen und Tempomat – lassen sich analysieren“, wirbt bereits die Industrie.
Ab 2018 müssen Neuwagen mit dem eCall-System ausgerüstet sein, um bei einem Unfall „automatisch“ den Notarzt zu holen. Und falls dann noch eine alte Gurke unterwegs sein sollte, will der Softwareentwickler SAP mithilfe schlauer Kameras in der Stadt um Hilfe rufen. Die nächste Windung der iFürsorge folgt 2020 – dann kann der Verkehrsminister nach den Plänen der Europäischen Union Fahrzeuge mutmaßlich Schwerkrimineller „aus der Ferne“ anhalten. Da kann man nur hoffen, dass den Behörden diese mächtige Waffe niemals von Unbefugten aus der Hand genommen wird.
Wenn Unbefugte das Lenkrad übernehmen
Und hier kommt die zweite Bedeutung von „sicher“ ins Spiel, die Sicherheit vor elektronischen Manipulationen. Da sieht es leider nicht ganz so gut aus. Fahrende Rechenzentren sind nämlich nach Ansicht von Andry Rakotonirainy, Professor der australischen Queensland University, sicherheitstechnisch auf dem Stand der 1980er Jahre. Das war die Zeit, in der sich die Menschen mit Windows 1.0 herumquälten.
Was passieren kann, wenn Unbefugte die Gewalt über ein Auto erlangen, zeigten amerikanische Wissenschaftler im vergangenen Jahr: In einem Test griffen sie gezielt das Fahrzeug des „Wired“-Autors Andy Greenberg an – sein Auto kam daraufhin im Graben zu stehen.
Anfällig ist auch die Verkehrsinfrastrutkur: Mehrere Wissenschaftler haben unabhängig voneinander gezeigt, dass sie in der Lage sind, Ampelanlagen in US-Großstädten und weltweit zu übernehmen. So ließen sich alle Verkehrssteuerungsanlagen gleichzeitig auf „Grün“ oder auch auf „Rot“ schalten. Ein gezielt verursachtes Verkehrschaos wäre die Folge, und das trotz immer schlauer werdender Autos.
Lesen Sie auch Teil 1 der Serie „Schöne neue Daten-Welt“ zum Thema „Gesundheit“ und Teil 3 zum Thema „Zuhause“.