Kritik an Grenell

Sippel: „Wir müssen endlich erwachsen werden!“

Johanna Schmeller05. Juni 2018
Fordert eine eigenständigere Rolle der Europäischen Union: EU-Parlamentarierin Birgit Sippel
Strafen, die ein Unternehmen nicht aus der Portokasse zahlen kann: EU-Parlamentarierin Birgit Sippel
Mit einer Einladung an den österreichischen Kanzler nach Berlin hat US-Botschafter Richard Grenell eine rote Linie überschritten. Mehr noch: Jetzt ist der Zeitpunkt für Europa, in transnationalen Fragen Eigenständigkeit zu beweisen, sagt SPD-Europapolitikerin Birgit Sippel.

Birgit Sippel, wie stehen Sie zu den jüngsten Äußerungen von Richard Grenell, der nach eigenem Bekunden die konservativen Kräfte stärken und als US-Botschafter in Deutschland den österreichischen Kanzler in Berlin empfangen will?

Birgit Sippel: Ich finde das Verhalten von US-Botschafter Grenell schlicht unerträglich. Es ist nicht die Aufgabe eines Botschafters, parteipolitisch Position zu beziehen.

Er hätte den österreichischen Kanzler nicht in das Land, in dem er als Diplomat tätig ist, einladen dürfen.

Indem er dies tut, stellt er sich auf eine Stufe mit Autokraten wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan – also mit Politikern, die ihre Ideologie exportieren wollen.

Welche Konsequenzen halten Sie für angemessen?

Ich würde begrüßen, wenn nicht nur eine Abmahnung erfolgen würde, sondern wenn ein anderer Botschafter geschickt würde. Unter den derzeitigen Bedingungen ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich. 

Ich glaube allerdings nicht, dass dies passiert. Die Konservativen in Deutschland halten sich in der Debatte um Grenell bemerkenswert zurück, vermutlich in der Hoffnung, dass sie von Erfahrungen der

Trump-Administration in anstehenden Wahlkämpfen profitieren können. Aus meiner Sicht ist dies für die Demokratie in Deutschland mindestens so inakzeptabel wie das Verhalten des US-Botschafters.

Welche Perspektiven sehen Sie für die Zusammenarbeit zwischen EU und USA – derzeit, aber auch längerfristig?

Europa muss sich endlich als globaler Akteur emanzipieren.  Derzeit schwankt die EU zwischen Ablehnung und einer fast schon übertriebenen Zuwendung gegenüber den USA.

Die EU muss eine stärker eigenständige Rolle auf der weltpolitischen Bühne einnehmen. Sie sollte nicht dieselben Fehler machen wie die USA, etwa zu denken, man könne mit militärischen Mitteln eigene Interessen durchsetzen.

Die Friedensmacht Europa muss sich selbstbewusst auf ihre ureigene Rolle als Friedensmacht besinnen und ihre Eigenständigkeit beweisen. Sie muss in erster Linie friedlich und diplomatisch agieren, Krisen frühzeitig begegnen und stets alles tun, sie ohne militärische Drohungen beizulegen – ohne immer eine „Genehmigung“ von den USA einzuholen.

Wir müssen – und das sage nicht nur ich – endlich erwachsen werden. Wir können uns derzeit nicht auf die USA als Partner verlassen können.

Wir müssen jetzt eine neue Rolle finden – und langfristig unsere Eigenständigkeit beibehalten. Dann können wir unsere Erfahrungen, wie in Europa Frieden geschaffen wurde, erfolgreich auch in andere Regionen der Welt exportieren. 

 

Birgit Sippel (SPD) ist Sprecherin der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.

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Kommentare

Der neue US-Botschafter macht

Der neue US-Botschafter macht doch seine Aufgabe hervorrangend. Endlich tritt jemand den transatlantischen Vasallen ordentlich in den Allerwertesten. Wer von den Regierungsverantwortlichen jetzt noch nicht aufwacht und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger eigene Wege einschlägt, der gehört in die Mottnkiste.

wer ist gemeint, wenn

"wir"

etwas sollen/müssen o.a.m.?

Der Außenminister ist doch als erster gefragt, aber der macht Innenpolitik- aus welchen Gründen auch immer. Dort, wo er als Außenpolitiker gefordert ist, lässt er sich nicht blicken.
So wäre es doch- um ein Beispiel zu nehmen- in erster Linie seine Aufgaben, die Probleme mit der Rücknahmebereitschaft einiger Staaten in Bezug auf ausreisepflichtige Staatsangehörige eben im Gespräch mit den dort regierenden zu lösen.

Dass macht er nicht- stattdessen lässt er sich im UNO Gebäude ablichten- dann auch noch mit der Hand in der Tasche.

Also: "Wir", dass ist hier die SPD Führung im Außenministerium. Von uns aus betrachtet lautet die Ansage: Dann macht mal!

Wir müssen endlich europäisch werden

Die diplomatischen Handlungswege sind klar:

Von einer Einladung des Richard Grenell zu einem [höflichen] Gespräch, über Einbestellung, Anweisung zur Abberufung des Botschafters, Ausweisung bis hinzu Abbruch diplomatischer Beziehungen sind alle Sanktionen bekannt und möglich.

Aber Grenell ist ein außenpolitisches Spiegelbild eines innenpolitischen Desasters der USA. Die Republikaner(innen) werden von Flügeln wie Neokonserative, Tea-Party-Gänger(innen), bibelzistische Fanatiker(innen) zerrieben. Sie sind ein Schatten ihrer selbst und die Demokraten stecken in einer blutleeren Establishment Policy ohne bürgerrechtliche Basis fest.

Das hält Grenell für normal und er ist dankbar, als rechtskonservativer Exot die Weltbühne weiter beschnuppern zu können. Es ändert bisher alles nichts an der europäischen Verzagtheit, außenpolitisch geschlossen aufzutreten.

Es finge damit an, dass Vertreter(innen) von europäischen Staaten sich nicht in fremden Territorien vom diplomatischen Gesinde einladen lassen und endet beileibe nicht beim schlichten Ignorieren von Grenell. Bei Veranstaltungen reicht auch seine lebensgroße Pappfigur.

Grenell ist tatsächlich eine unwillkommene Abwechslung.

...... Die Israel-Lobby,

...... Die Israel-Lobby, sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern anzutreffen, wäre da auch noch zu nennen als Teil des Deep State.

EU ?

Der Herr Grenell ist doch Botschafter der USA in der BRD und nicht bei der EU ! ? ! Also muss die deutsche Bundesregierung auf diesen Herrn reagieren ! Und wenn dann die deutsche Politik sich nicht traut wird absurderweise auf die EU verwiesen - liebe liebe EU hilf uns gegen diesen Bösen.....
Andererseits: wie lächerlich ist es doch immer auf den bösen unberechenbaren Trump und seine Gesellen hinzuweisen, aber trotzdem die NATO-USA Eskalationspolitik mitzutragen. Skripalaffäre, Fake-Mord......was wird während der Fussballweltmeisterschaft noch inszeniert...???

Ich könnte mir vorstellen,

Ich könnte mir vorstellen, dass Poroschenko in der Ukraine während der Fußball-WM für ein paar Milliönchen die Kalaschnikow schultert und im Donbass Rabatz macht. Was wir derzeit auf der internationalen Bühne sehen, ist schlichtweg der Globalismus in den letzten Atemzügen. In der "neuen Welt" wird die EU oder was davon übrig bleiben mag, keine entscheidende Rolle spielen.China, Russland und die USA werden die Ansagen machen. Das Traurige daran ist, dass Merkel mit der SPD im Schlepptau mit aller Macht an der alten Linie festhält.

Liebe Genoss/inn/en

Liebe Genoss/inn/en
wir dürfen bei der gegenwärtigen Diskussion nicht vergessen, dass es gerade das politische Versagen sowohl der konservativen Kräfte, als auch das Versagen der demokratischen Mitte war, die Trump in Amerika und rechtsextreme bzw. rechtsnationale Kräfte in Europa erst möglich machten. Auch die linke Parteienfamilie hat versagt, weil sie sich seit Jahren mit "innerfamiliären" Grabenkämpfen beschäftigt, statt mit zukunftsweisender Politik als Gegenkraft zu den Parolen der Rechten .
Trump- und Putin-Bashing ,mit dem auch die Groko von ihrem Politikversagen ablenken will, ersetzt kein politisches Handeln, geschweige denn ersetzt es eine intelligente Diplomatie unter Berücksichtigung vielseitiger Interessenlagen !!! Stattdessen bewegt sie sich im Windschatten von Trumps Aufrüstungszielen ! Peinlich und von vorgestern !!!