Welches ist die vordringlichste Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, die die Zukunft der gesamten Menschheit berührt? Als Physikerin und ehemalige Umweltministerin weiß Angela Merkel mit Gewissheit die richtige Antwort darauf. Es ist dies neben der Sicherung des Friedens der Klimaschutz. Aber lieber lässt die Kanzlerin ihren gutwilligen Umweltminister mit leeren Händen zur Klimaschutzkonferenz in Katar reisen als ihren unwilligen Wirtschaftsminister in die Schranken zu weisen.
Deutschland steht als Pionier einer Energiewende in Europa relativ beispielhaft da und es könnte aus dieser Position heraus die anderen in der EU ebenfalls zu forcierteren Bemühungen im Klimaschutz antreiben. Tut dies die wieder einmal intern uneinige schwarz-gelbe Koalition nicht, dann kann auch die Gemeinschaft als Ganze auf dieser Konferenz nicht die Rolle einer Schrittmacherin spielen, eine Rolle, die sonst niemand zu übernehmen erpicht ist. Der von unbelehrbaren Republikanern in dieser Frage eingeschüchterte US-Präsident Barack Obama zeigt jedenfalls bisher keine Neigung dazu. Und von der Volksrepublik China, der nunmehr größten Emittentin von erderwärmenden Treibhausgasen, ist noch nie eine eigene Initiative in dieser Sache ausgegangen.
Emissionen steigen kaum gebremst weiter
Es gibt also mehr als einen Grund zu befürchten, dass man sich auch auf dieser Klimakonferenz wieder einmal nur im Kreise drehen wird und somit ein weiteres Jahr für den weltumspannenden Klimaschutz verlorengeht, der doch spätestens 2015 vertraglich besiegelt werden sollte. Die Zeit, die Erderwärmung zu bremsen, läuft uns aber derweil davon. Denn geht es mit der anwachsenden Emission von Treibhausgasen so weiter wie in den letzten Jahren, dann steuern wir auf eine um vier Grad Celsius aufgeheizte Welt zu, und das ist eine Welt, die bisher ganz und gar jenseits unserer Erfahrungen und auch Vorstellungen liegt. Wie sie wahrscheinlich aussehen würde, hat das dafür bestens gerüstete Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) jetzt im Auftrag der Weltbank zu ergründen versucht.
Extremsommer werden zum Regelfall
Wer diese Studie liest und an ihrer wissenschaftlichen Seriosität nicht zweifelt, den muss das große Erschrecken ankommen. Extremsommer wie der des Jahres 2010 in Russland, mit denen bisher nur alle paar hundert Jahre zu rechnen war, würden zum Regelfall werden. In dem im Mittel um vier Grad aufgeheizten Klima würden selbst die kühlsten Monate noch wärmer ausfallen als die wärmsten Monate gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Im Juli könnte es am Mittelmeer um neun Grad heißer sein, als es dort heute schon ist. Schon eine allgemeine Temperatursteigerung um nur 1,2 Grad versetzt Berlin klimatisch nach Nordalgerien. Selbst gegen den Meeresspiegelanstieg, der sich auf lange Sicht im Gefolge einer Temperaturerhöhung um nur zwei Grad einstellt, werden die deutschen Nordseeinseln kaum zu halten sein. Dichtbesiedelte, flache Küstenregionen, auch die Menschen im Delta von Nil oder Ganges, müssten sämtlich evakuiert werden, wenn es ihnen nicht gelingt, sich hinter gewaltigen Dämmen zu verschanzen.
Amazonien von Austrocknung bedroht
Auch der natürlichen Umwelt drohen historisch beispiellose Umwälzungen. So könnte selbst der amazonische Regenwald, der größte der Erde, durch eine Folge von Dürrejahren mit weit ausstrahlenden Folgen für das Klima ausdörren und absterben. Eine Erderwärmung um vier Grad ließe das Meerwasser derart rasch versauern, wie es in diesem Tempo noch niemals in der Erdgeschichte zu beobachten war. Schon bei einer Erwärmung um nur 1,4 Grad gegenüber heute würden Kalkschalen bildende Meeresorganismen wie Muscheln oder Korallen ihr Wachstum einstellen, jenseits von 2,4 Grad sich sogar aufzulösen beginnen. Dahin wäre diese ganze wunderbare bunte Unterwasserwelt.
Bezahlte Gegenredner stiften Verwirrung
Diejenigen, die auf den alten, temperaturtreibenden Wegen der Energie-Erzeugung weiterfahren wollen, setzen alles daran, solche erschreckenden Szenarien als Fabeln abzutun. Insbesondere Ölkonzerne füttern mit ihrem vielen Geld sogenannte Klimaskeptiker, die als selbsternannte Experten die gesamte Klimawissenschaft als Hokuspokus hinstellen. In zahlreichen wichtigen US-Medien finden diese bereits breites Gehör und ein leichtgläubiges Publikum. Auch in Deutschland gehen diese bezahlten Missionare wissenschaftlichen Unglaubens umher. Je teurer die Energiewende wird, umso leichter dürften sie auch hier Anhänger für ihren Unsinn finden.
Alle Parteien, allen voran aber diejenigen, die gerade Regierungsverantwortung haben, müssen massiv dagegenhalten, und dafür sind Klimakonferenzen die allerbeste Plattform. Wer dort als Regierung ohne Not eine schlechte Figur macht, weil man nicht einmal intern auf einen Nenner kommt, der wird auch das heimische Publikum schwerlich überzeugen.
Dass Treibhausgase die Atmosphäre aufheizen, ist, wie der Potsdamer Klimatologe Stefan Rahmstorf sagt, „gewöhnliche Physik“. Schon diese können die allermeisten von uns nicht verstehen. Umso weniger sollten wird uns von fachfremden Quertreibern und notorischen Widerspruchsgeistern einreden lassen, dass sie es besser wissen.