Sachsen und Brandenburg

Schwesig: Warum wir mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland brauchen

Manuela Schwesig04. September 2019
Ostdeutsche verdienen weniger als ihre Kollegen im Westen, haben eine geringere Tarifbindung und weniger Urlaubsanspruch. Das muss sich ändern, sagt die kommissarische SPD-Vorsitzende Manuela Schweig und fordert mehr Aufmerksamkeit für die Probleme Ostdeutschlands.

Die Bürgerinnen und Bürger haben sich in Brandenburg und in Sachsen für ihre Ministerpräsidenten entschieden. Davon haben ihre Parteien profitiert. Für die SPD ist es deshalb ein Ergebnis mit gemischten Gefühlen. Ich freue mich sehr, dass es Dietmar Woidke und der Brandenburger SPD gelungen ist, mit einem engagierten Wahlkampf und einem starken Endspurt den ersten Platz zu erreichen. Es lohnt sich, bis zum letzten Tag zu kämpfen.

AfD-Erfolg muss Weckruf sein

Zugleich mussten wir in Sachsen Verluste einstecken. Trotz starker Beliebtheitswerte unseres Spitzenkandidaten Martin Dulig, hat uns die starke Polarisierung zwischen CDU und AfD geschwächt. Unter schwierigen Voraussetzungen haben unserer sächsischen Genossinnen und Genossen dennoch einen symphatischen und engagierten Wahlkampf geführt. Sie haben sich nie aufgeben und Rückgrat gezeigt. Das brauchen wir auch in Zukunft.

Die Ergebnisse der AfD sind für uns alle zutiefst erschreckend. Die AfD ist mittlerweile eine Partei, in der Rechtsextreme den Ton angeben. Sie rufen zum Umsturz auf und machen unsere Demokratie verächtlich. Es muss ein Weckruf für alle sein, dass diese Partei in Sachsen und Brandenburg von rund einem Viertel der Wählerinnen und Wähler unterstützt wird.

Unterschiede bekämpfen

Viele fragen sich nun verwundert, was denn los sei im Osten. Dabei sind viele Probleme in den neuen Bundesländern seit Jahren bekannt und es sind bisher einzig und allein ostdeutsche Politikerinnen und Politiker, die diese benennen – bislang weitestgehend ohne Resonanz im Westen.

Daher brauchen wir bundesweit mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland. Und das nicht nur unmittelbar vor Wahlen oder historischen Jahrestagen, sondern dauerhaft. Denn 30 Jahre nach der Friedrichen Revolution spüren die Menschen hier immer noch eine starke Ungleichbehandlung. So arbeiten die Ostdeutschen in der Regel mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen, verdienen dabei jedoch weniger und haben durch eine geringe Tarifbindung obendrein noch weniger Urlaubsansprüche. Diese Unterscheide können wir heute niemandem mehr vermitteln – egal ob in Gera, Görlitz oder Greifswald.

Insbesondere jene, die nach den Umbrüchen der Wiedervereinigung Arbeit und Perspektive verloren haben, trifft es heute schwer. Zwar haben sie ihr ganzes Leben hart gearbeitet, doch meistens zu brutal niedrigen Löhnen. Die Angst durch Altersarmut ist zwar kein spezifisches Ostproblem, aber nirgendwo sonst drohen so viele Menschen auf einmal im Alter abzurutschen.

Die Grundrente muss kommen

Wir brauchen daher endlich Respekt vor den Lebensleistungen im Osten und konkrete Fortschritte bei der Grundrente. Das ist kein Geschenk für die ostdeutschen Wählerinnen und Wähler, wie es der bayrische Ministerpräsident Markus Söder herablassend formulierte, sondern ein notwendiger Beitrag für den Zusammenhalt in unserem Land.

Deshalb werden wir beim Thema Grundrente besonders eindringlich um eine Lösung mit der Union ringen. Einen Kompromiss werden wir als Sozialdemokratie jedoch erst mittragen, wenn er spürbar die Situation der Menschen verbessert und viele davon profitieren werden.

Wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen, wird die SPD sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen Gestaltungsverantwortung übernehmen. Ich bin mir sicher, dass Dietmar Woidke und Martin Dulig mit ihrer zupackenden Art dabei Vertrauen bestätigen und verlorengegangenes Zutrauen zurückgewinnen werden. Als Bundes-SPD werden und müssen wir die ostdeutsche SPD mit einer Politik für Aufbruch, Anerkennung und Zuversicht unterstützen.

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Kommentare

Von oben herab ?

Was Menschen insbesondere im Osten der Republik, aber nicht nur im Osten brauchen ist nicht allein ein Geldsegen mit Ansage von oben, sondern ernstgemeinte wirksame Beteiligung an einer gemeinsamen Nation ! Das fängt an mit einer gemeinsam erarbeiteten Verfassung über die die deutschen Bürger/innen gemeinschaftlich am Ende des Prozesses abstimmen (einschl. Schutz d.Lebensgrundlagen u. der kom. Generationen) und geht hin bis zu mehr bürokratischen Freiräumen bei der Gestaltung unserer Lebenswelten. Hilfe zur Selbsthilfe durch intelligent organisierte Projektarbeit mit Bürgerbeteiligung von Planung bis Ausführung unter Einbeziehung weiterer Protagonisten wie der regionalen Wirtschaft, Bildungseinrichtungen, Sozialarbeit, Sponsoren etc. ! Das ist Integration einschl. Inclusion !
Und da der Markt es eben (s. auch Wohnen, Pflege, ÖPNV, Digitalisiierung etc. etc.) nicht gerichtet hat, braucht es ein wirksames Konzept für den Erhalt und schnellen Ausbau der öffentl. Daseinsvorsorge. Auch gleiche inbesondere höhere Mindestentlohnung muss jetzt schnell zur Selbstverständlichkeit werden

da hat

die Spitzengenossin wesentliches nicht erkannt, wenn sie meint, hier weiterhin die Ostkarte spielen zu müssen. Die maßgeblichen Probleme stellen sich nicht nur im Osten, sie harren bundesweit einer Lösung.
Solange sie negiert werden, sind Wahlergebnisse, wie wir sie jetzt in Sachsen erzielt haben, gute Ergebnisse. Es geht immer noch schlechter, das muss uns klar sein.

Zukunftsszenario 2050

Genossinnen und Genossen,
Karl Lauterbach hat als Einziger bei der ersten Regionalkonferenz auf die zukünftigen Arbeitsmarkt- und Sozialeffekte der KI als eine der beiden zentralen sozialen Herausforderungen der Zukunft hingewiesen.

Die zweite zentrale Herausforderung, auf die er aus berechtigten Vorsichtsgründen nicht eingegangen ist, liegt in den klimabedingten Arbeitsmarkt- und Sozialeffekten. Diese werden massiv und im Moment noch für die Meisten Menschen unvorstellbar sein.

Diese beiden Effekte, in ihrem verheerenden Verbund und global gesehen, erfordern ein neues Grundsatzprogramm der SPD bzw. der europäischen Linken und der europäischen Grünen.

Da ist es mit diesen fragmentarisierten rosa-rot Eye-Catcher-Programm-Pünktchen bei Weitem nicht getan - ganz im Gegenteil.

Die Menschen brauchen Aufklärung über das, was sie erwartet und ein darauf bezogenes einsichtiges Grundsatzprogramm, das Ihnen Halt und Hoffnung für die Zukunft bietet - keine völlig zusammenhanglosen - und teilweise sogar leider rosa-rot verlogenen - Einzelmaßnähmchen.

Wir müssen darüber aufklären, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss, darauf kann allerdings dann jeder auch stolz sein.

Wo bleibt die wahre Zukunftserzählung ?

Momentan ist die Groko auf dem Kurs: "Wascht die Bürger aber macht sie nicht nass" ! Übersetzt heißt das: Bloß nicht dem/der Wähler/in eine Abkehr vom Massen- und Wegwerfkonsum zumuten, Dabei könnte gerade das Alternativmodell zum rastlosen Beschleunigungswahn die Zukunftserzählung sein, auf die wir im Grunde alle warten. Nur das kaum einer/eine den Mut aufbringt diese Ansage zu machen, aus Angst vor der Rache der Wähler denen die Spielzeuge eingezigen werden. Da wird dann in Daniel-Düsentrieb-Manier von großartigen Erfindungen geredet,M die uns vor unserer eigenen Selbstzerstörung retten werden, weil sie gerade noch rechtzeitig erfunden werden und gleichzeitig trotz digitaler Automatisierung wieder soviel Arbeitszeit erfordern werden, dass wir alle weiterhin mindestens 8 Stunden am Tag malochen werden. Natürlich alles diesmal global gerecht und klimaneutral aber ohne Konsumverzicht ! Klingt wie ein schlechter Witz ist aber Groko-Realität. Dabei gibt es wirklich intelligente Gegenmodelle mit weniger an Arbeitszeit, Langlebige reparaturfreundliche Produkte die zudem weniger Platz verschwenden, weil sie dank Sharing nicht in jedem Haushalt 99 % ihrer Lebenszeit sinnlos herumliegen !

Der Wecker ruft schon lange

Wie andere Kommentatoren auch sehe ich es ebenfalls so das die angesagten Probleme keine rein Ostdeutschen sind - obwohl ja durch den Kniefall vor der Arbeitgeber- und Kapitalseite direkt nach der Wiedervereinigung, die gezielt niedrigere Löhne als Lockmittel realisieren wollte damit sich "Industrie" dort "ansiedelt" wo erfolgreiche VEB "treuhänderisch" vernichtet und verramscht wurden ein gewisser Vorpsrung nach unten besteht.
Beispiele seien Carl Zeiss, Leuna, VEM Elektromotorenwerke.
Fehlgeleitete Subventionen (z.B: Infineon) kamen hinzu.

Ich finde es sehr schädlich wenn ausgerechnet Parteien die selber "die Demokratie verächtlich machen" nun mit dem Finger auf die AfD zeigen.

Wo war die Demokratie denn beim Euro, beim "Rundfunkstaatsvertrag", beim Bschaffen des Widerspruchsrechts, bei TTIP und vergleichbaren Entmachtungen der Politik.

Nun schlägt der Wähler halt mit der Waffe AfD zurück.

Es ist höchste Zeit, sich endlich um die Bürger statt um die Pfründen zu kümmern bevor der nicht gehörte Schuß nach hinten losgeht.

Ost - West

Das ist kein Ost - West Problem ! Die Glaubwürdigkeut der SPD ist Republikweit dahin - wenn man es nicht schafft sozialdemokratische Politik zu machen ist das auch kein Wunder. Es gibt genügend andere Parteien, die die Interessen der Konzerne vertreten, dazu braucht es keine SPD. Es kann aber auch nicht darum gehen die "Grünen" zu immitieren, das haben die Kippingers probiert und wurden auch abgewatscht. Und die scheinen ja genauso lernfähig wie die SPD Oberen. Sicherheit muss her ! Sicherheit von Arbeitplatz, Wohnung, Bildung, Frieden ...... . Und die militärischen Abenteuer im Kielwasser der USA sind gefälligst zu unterlassen.