Die Grundsätze und Ziele sind hoch gesteckt: höhere Flexibilität bei der Anpassung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen an die jeweiligen Problemsituationen, größere Individualität bei Beratung
und Arbeitsmarktförderung, höhere Qualität bei den Arbeitsmarktdienstleistungen, mehr Klarheit und Transparenz über die verfügbaren Maßnahmen und Instrumente.
Die Anzahl der inzwischen selbst für Fachleute schwer durchschaubaren Vielfalt der arbeitsmarktpolitischen Instrumente soll um ein Viertel verringert werden. Dabei ist trefflich zu streiten,
ob nicht auch die verbliebenen 30 Maßnahmenkategorien die Arbeitsagenturen und Job Center einerseits und Arbeitnehmer, Arbeitslose sowie Arbeitgeber andererseits immer noch überfordern.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen folgt Kürzungsdiktat
Entscheidend ist allerdings, ob und inwieweit diese hehren Ziele des Gesetzentwurfs überhaupt erfüllt werden können. Als ein "Generalvorbehalt" ist geltend zu machen: Dieses Gesetz wird zu
massiven Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik missbraucht.
Dies ist unmittelbare Auswirkung der unabsehbaren Belastungen der Bundeshaushalte infolge der finanziellen Rettungsschirme für die Banken und die überschuldeten Euroländer.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat sich bereitwillig dem Kürzungsdiktat von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gefügt. Von Beginn des Gesetzes 2012 bis 2015 summieren sich die
Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik auf über 20 Mrd. Euro.
Der Gesetzentwurf wird somit zum "Bumerang" vor allem für Arbeitslose und Arbeitnehmer. Sie müssen für die Übermacht der Finanzbranche, die gravierenden Defizite in der Politik der
Bundesrepublik, der Euroländer und der Europäischen Kommission in der Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie die ungerechte Verteilung der finanziellen Lasten bezahlen. Für die Bekämpfung der
Langzeitarbeitslosigkeit wird in den nächsten Jahren nur noch etwa die Hälfte der Mittel zur Verfügung stehen.
20 Milliarden Euro weniger
Die Behauptungen aus den Reihen der Regierungskoalition, dass Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden können, werden auch durch ständiges Wiederholen nicht
richtiger. Zwar ist es im Zuge der besseren Konjunktur der letzten Jahre gelungen, auch die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern, wenn auch weit unterdurchschnittlich. Allerdings liegt die
Bundesrepublik bei der Langzeitarbeitslosigkeit im EU Vergleich nach wie vor an oberer Stelle.
Bei behinderten Menschen ist die Arbeitslosigkeit trotz verbesserter Konjunktur und Beschäftigung nicht zurückgegangen; bei Schwerbehinderten ist sie sogar weiter angestiegen. Zudem wird es
immer schwieriger, schwer vermittelbare Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Darüber hinaus weisen viele konjunkturelle Frühindikatoren darauf hin, dass die Konjunktur im Zuge
der eskalierenden Finanzkrisen schwächer wird. Die Bundesagentur hat bereits deutlich gemacht, dass sie infolge der erheblichen Kürzungsvorgaben keine finanziellen Reserven hat. Sie kann daher
auch nicht- wie bei dem vorherigen Wirtschafts- und Beschäftigungseinbruch - mit der Arbeitsmarktpolitik die Arbeitslosigkeit in Grenzen halten.
Spielräume mit "Haken und Ösen"
Die in dem Gesetz vorgegebenen größeren Entscheidungsspielräume für die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen und Job Centern werden sich daher immer als "Danaergeschenk" erweisen: Der in der
Vergangenheit stark in Anspruch genommene "Gründungsausschuss" für Arbeitslose wird von Pflicht- in Ermessensleistungen umgewandelt. Verbunden ist dies mit hohen Ausgabenkürzungen. Von den
Mitarbeitern wird erwartet, dass sie als Experten für Unternehmensgründungen über die Gewährung der Zuschüsse entscheiden, wobei ihnen gleichzeitig die finanziellen Daumenschrauben angezogen
werden.
Besonders gravierend sind die Einschränkungen bei der öffentlich geförderten Beschäftigung für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose. Zwar sind die vorgesehenen Einschränkungen bei den
Ein Euro Jobs richtig. Wie selbst der Bundesrechnungshof in mehreren Gutachten nachgewiesen hat, dienen sie vor allem der Senkung der Personalkosten für Kommunen und andere Träger, die Ein Euro
Jobber beschäftigte
n.
Eingliederung in existenzsichernde Beschäftigung ersatzlos gestrichen
Für die betroffenen Arbeitslosen sind sie zwar häufig der "letzte Rettungsanker" für eine kleine Aufbesserung ihrer kargen Hartz IV Leistungen. Jedoch führen sie nur in wenigen Fällen aus
der Hartz IV Falle. Nicht zu rechtfertigen ist jedoch, dass etwa die Hälfte dieser Ein Euro Jobs ersatzlos wegfallen wird. Die betroffenen arbeitslosen Menschen bleiben mithin ohne Alternative.
Dringend erforderlich wäre deshalb die Stärkung der bislang vorhandenen Instrumente zur Eingliederung in existenzsichernde Beschäftigung mit Tariflöhnen und ausreichender sozialer Sicherung
gewesen. Genau diese Maßnahmen werden jedoch ersatzlos gestrichen.
Der "unselige" Geist dieser Arbeitsmarktreformen lässt sich besonders plastisch am Beispiel der "Bürgerarbeit" als Pilotprojekt aus dem Bundesarbeitsministerium zeigen. Diese öffentlich
geförderte Beschäftigung mit einer Monatspauschale von 900 Euro brutto für 30 Stunden in der Woche ist zu Recht auf den Widerstand der Gewerkschaft Verdi gestoßen, die ihre Tariflöhne als
Lohnuntergrenze durchsetzen will. Daraufhin wurden Leiharbeitsverhältnisse auch im Rahmen dieses Pilotprojektes für die Bügerarbeit zugelassen.
Bundesrat muss am 14. Oktober die Reißleine ziehen
Bekanntlich ist der Skandal immer noch nicht beseitigt, dass für Leiharbeiter kein existenzsichernder Mindestlohn gilt und somit Hungerlöhne gezahlt werden können. Seither ist das Projekt
der Bürgerarbeit von den Trägern mit neuem Leben erfüllt worden- natürlich auf dem Rücken der betroffenen Arbeitslosen sowie der Steuerzahler, die für die Aufstockung der niedrigen Löhne über
Hartz IV bezahlen müssen.
Schon diese Beispiele zeigen: Dieses Gesetz wird seinem Titel und seinen Grundsätzen sowie Zielen keinesfalls gerecht. Die Änderungsanträge von SPD, Grünen und Linken wurden im Vorfeld von
schwarz-gelb "niedergestimmt". Es bleibt nur zu hoffen, dass der Bundesrat bei seiner Entscheidung am 14. Oktober die Reißleine zieht.