Dritter Jahrestag der Krimannexion

Russland und die Krim: von der Euphorie zur Ernüchterung

Dmitri Stratievski27. März 2017
Trotz zahlreicher Schwierigkeiten und Probleme scheint die Mehrheit der Krim-Bewohner russlandtreu. Milliardenunterstützung und die unaufhörliche Propaganda aus Moskau wirken. Wer öffentlich an der Zugehörigkeit der Krim zu Russland zweifelt, dem droht Gefängnis.

Drei Jahre ist es her, dass Russland die ukrainische Krim annektierte. Am 20. März 2014 billigte die russische Staatsduma den „Beitritt der Krim und der Stadt Sewastopol zur  Russischen Föderation“. Am 21. März wurde dieser Beschluss von Wladimir Putin unterzeichnet. Am 28. März verließ der letzte ukrainische Soldat die annektierte Halbinsel. Moskau schaffte Fakten. Wie geht es heute den Menschen auf der Krim? Wie wird diese „Wiedervereinigung“, so im amtlichen Sprachgebrauch Russlands, in der russischen Gesellschaft wahrgenommen?

Krim-Bewohner ohne Illusionen

Auf der Krim sind nur wenige ausländische Journalisten aktiv. Mehrheitlich sind es gebürtige Ukrainer oder Russen, die für die westlichen Medien schreiben. Sie sprechen von der Heterogenität des Alltags. Es gebe reichlich Lebensmittel und Dienstleistungsangebote.

Zugleich fühlen sich viele Krim-Bewohner ernüchtert und machen sich keine Illusionen mehr. Sie berichten auf Facebook von Engpässen für die Arbeitssuchenden und der Beendigung der Geschäftsbeziehungen zwischen Produzenten auf der Krim und ihren nichtrussischen Kunden. Die etablierten Unternehmen aus Russland lassen der Konkurrenz auf der Krim kaum eine Chance.

Viele Probleme im Alltag

Täglich werden die Bewohner der Krim wegen der internationalen Sanktionen mit Unannehmlichkeiten konfrontiert, die vor 2014 nicht denkbar waren: Für ein EU-Visum oder eine neue App auf Smartphone muss man einige Tricks anwenden, denn viele internationale Abwicklungen für die Bürger der Krim sind gesperrt. Die größte russische Privatkundenbank, die Sberbank, ist auf der Halbinsel nicht vertreten, weil eine Repräsentanz dort ihr Filialnetz in der EU in Gefahr bringen könnte. Selbst die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti stellt bitter fest: Allein mit dem innerrussischen Binnentourismus ist die Wirtschaftsmisere auf der Krim nicht zu bewältigen. Die krimtatarischen Organisationen beklagen massive Menschenrechtsverletzungen. Der russische Außenminister Lawrow erwiderte kürzlich, solche Vorwürfe seien ein „Mythos“. Trotz dieser Entwicklung verbindet ein Teil der Krim-Bewohner ihre Ukraine-Nostalgie eher mit dem Land vor 2013 als mit dem heutigen ukrainischen Staat. Eine Mehrheit bleibt anscheinend russlandtreu.  

Zum dritten Jahrestag der Annexion von 2014, vom Staatssender Russia Today neulich die „gegenseitige Rettung der Krim und der russischen Schwarzmeerflotte“ genannt, wurden in Russland großangelegte Feierlichkeiten veranstaltet. Allein in Moskau sollten sie etwa 150.000 Teilnehmer anlocken.

Russen unterstützen Annexion der Krim

Lew Gudkow, Direktor des unabhängigen soziologischen Lewada-Zentrums, meint, die meisten Russen unterstützen immer noch die Einverleibung der Krim durch ihr Land als „Zeichen der Stärke und Wiedergewinn des Großmachtstatus“. Dieses Stärkezeichen wird zunehmend kostspieliger. Die jährliche Direktzuwendung für die Krim aus dem Staatshaushalt beläuft sich auf fünf Mrd. Euro. Für das Programm der wirtschaftlichen Erneuerung der  Krim sind bis 2020 noch 12 Mrd. Euro bereitgestellt.

Die Nachteile durch die Sanktionen und den Wegfall der Steuereinnahmen von den schätzungsweise 2000 deutschen und 1500 US-Firmen, die Russland nach 2014 verlassen haben, lässt sich nur schwer einschätzen. Diese Situation macht der Mehrheit der Bevölkerung jedoch keine Sorgen, denn die Feindbilder des Kreml wirken unaufhörlich weiter.

Das Feindbild Westen wirkt

48 Prozent der vom Lewada-Zentrum im März 2017 befragten Russen (mehrere Antworten möglich) meinen nach wie vor, dass die Ukrainer sich auf dem Maidan „unter dem westlichen Einfluss“ versammelten. Das sind 3 Prozent mehr als im Februar 2014. 30 Prozent vermuten hier „nationalistische Motive“. Von der „Menschenwürde“ und „dem Wunsch, sich gegen die Willkür der Machthabenden zu wehren“ als Beweggründe sind nur 11 Prozent der Befragen überzeugt.

Öffentliche Zweifel an der „Wiedervereinigungsthese“ in Bezug auf die Krim können übrigens in Russland geahndet werden. Der Strafrechtsparagraph 280.1 sieht für die „Appelle zwecks Verletzung der territorialen Integrität Russlands“ einen Freiheitsentzug vor. Solche Handlungen „mithilfe der Massenmedien, einschließlich des Internets“ werden ebenfalls strafrechtlich verfolgt.

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