Sozialdemokratie

Regionalkonferenz in Saarbrücken: So war der Auftakt der Tour für den SPD-Vorsitz

Benedikt Dittrich04. September 2019
Die erste Regionalkonferenz der SPD in Saarbrücken war vor allem eines: Ein Debatten-Marathon quer durch Themen, Ideen und Positionen der Sozialdemokraten. Die Bewerber für den Parteivorsitz setzten erste Schwerpunkte zwischen Grundrente und großer Koalition, Europa- und Kommunalpolitik.

Am Ende war es Lars Klingbeil, der das letzte Wort hatte: „Ich bin total stolz, wie dieser Abend gelaufen ist“, bilanzierte der SPD-Generalsekretär nach 150 Minuten vor rund 500 Genossen, die sich in die Congresshalle in Saarbrücken gezwängt hatten. Dabei war das Interesse zum Auftakt der SPD-Tour nicht nur innerhalb der Partei groß: Neben den Parteimitgliedern, die sich für die Veranstaltung angemeldet hatten, waren mehr als 70 Medienvertreter zu Gast in Saarbrücken. „Die Hütte ist voll, der Anblick von hier oben ist großartig“, freute sich der kommissarische Parteivorsitzende Thorsten-Schäfer-Gümbel auf der Bühne, bevor er neben der Gastgeberin Anke Rehlinger, Vorsitzende der Saar-SPD, Platz nahm.

Simone Lange und Alexander Ahrens ziehen zurück

Die Konferenz selbst startete mit einer Überraschung: Das Team aus Simone Lange und Alexander Ahrens gab schon in der Auftaktrede ihren Rückzug bekannt um künftig ein anderes Duo zu unterstützen. Somit reduzierte sich das Bewerberfeld auf sieben Teams und einen Einzelbewerber, die sich zunächst selbst vorstellen durften, im Anschluss dann auf Fragen antworten mussten und auch miteinander streiten konnten. Alles unter der Ägide von Moderator Klaus Tovar, der die Kandidierenden auch immer wieder an die Uhr erinnern musste: Jeder Bewerber bekam gleich viel Redezeit, durfte sich für eine Antwort maximal eine Minute Zeit lassen.

Eine strenges Korsett, an das sich die Bewerber aber insgesamt hielten und das trotzdem thematisch vielfältig blieb. Gestritten wurde über Themen wie die Grundrente, die Digitalisierung, Europa, Sicherheitspolitik, Globalisierung und Finanzpolitik und natürlich über den Zustand der SPD. Dabei setzten die Bewerber schon bei ihrer Vorstellung klare Schwerpunkte. Wer zuerst die Bühne betreten durfte, war im Vorfeld ausgelost worden.

Schwerpunkte zwischen rechts und links, reich und arm, grün und rot

Somit hatten in Saarbrücken Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans den Vortritt. „Lasst uns über Zusammenhalt reden“, appellierte Esken zu Beginn um gleichsam Investitionen in den Kommunen für Bildung, Polizei und Infrastruktur zu fordern. „Ohne Geld ist nichts zu machen“, ergänzte Borjans, auch in Sachen Klima- oder Friedenspolitik – das alles sei letztendlich Verteilungspolitik. Allesamt Themen, die mit dem aktuellen Koalitionspartner außerdem schwer umzusetzen seien, so Walter-Borjans.

Im Anschluss betraten  Karl Lauterbach und Nina Scheer die Bühne, die die fehlenden Aufstiegschancen in Deutschland bemängelten. Seitdem er im Bundestag sitze, so Karl Lauterbach, sei der Unterschied zwischen Arm und Reich sogar noch größer geworden. Auch deswegen sollte die große Koalition möglichst schnell beendet werden: „Die Aufstiegschancen sind schlechter geworden.“ Scheer ergänzte den Auftritt um die den Schwerpunkt Klimapolitik: „Wir sind das Original“, wies sie auf die sozialdemokratischen Wurzeln von nachhaltiger, ökologischer Politik.

Sicherheitspolitik und eine Brücke zwischen Ost und West

Karl-Heinz Brunner, der als Einzelbewerber antritt, machte das Thema Sicherheit zum Dreh- und Angelpunkt. Angefangen bei der alltäglichen Sicherheit, für die Polizei und Justiz garantieren müsse, über die internationale Friedenspolitik bis hin zur Absicherung von Renten, Mieten und Gesundheit forderte er, die Ängste und Sorgen der Menschen wieder zu erkennen: „Rente ist keine Sozialleistung“, erklärte er und plädierte gleichzeitig für eine Bürgerversicherung.

Petra Köpping und Boris Pistorius stellten sich als Brückenbauer vor – sowohl zwischen Ost und West, als auch zwischen Kommunen, Bund und Ländern. „Wir möchten, dass es eine gesamtdeutsche Politik gibt“, sagte Köpping, während Pistorius daran erinnerte, dass die sozialdemokratische Kraft vor Ort noch stark ist: „Dort gewinnen wir auch noch Wahlen.“ Außerdem forderte er mehr Geschlossenheit in der Partei, die Menschen hätten „die Schnauze voll davon“, dass sich die SPD nur mit sich selber beschäftige.

Europa und ein starker Sozialstaat

Europa stand bei Christina Kampmann und Michael Roth im Mittelpunkt. „Unsere Antwort auf Trump sind die vereinigten Staaten von Europa, dafür kämpfen wir“, so Roth. Auf Deutschland bezogen forderten die Kandidaten ebenfalls mehr Investitionen, vor allem eine Abkehr von der Politik der schwarzen Null. „Wir brauchen mehr Investitionen in unser Land“, sagte Kampmann. Beide wollen außerdem die Zusammenarbeit in der Partei stärken, gemeinsam zu Ergebnissen und Beschlüssen kommen.

Klara Geywitz, die zusammen mit Olaf Scholz antritt, sorgt sich vor allem um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Aus ihrer Sicht ist es Aufgabe der Sozialdemokraten, Umwelt- und Instriepolitik zusammen zu bringen. „Wer, wenn nicht wir, sollte die neue Arbeitswelt von morgen organisieren?“, fragte sie auch mit Blick auf die Digitalisierung. Ihr Partner Scholz will dabei vor allem den Sozialstaat verteidigen. „Wir müssen darauf bestehen, dass alle gleich viel Wert sind.“ Dafür brauche es einen starken Sozialstaat, aber auch ein starkes Europa und eine starke Sozialdemokratische Partei.

Gegen Nationalisten und Sozialdumping

Gesine Schwan und Ralf Stegner propagierten in ihrer Vorstellung eine kämpferische, linke Programmatik: „Wir müssen immer wieder zeigen, wofür wir stehen“, forderte Stegner, der vor allem den Nationalisten die Stirn bieten will. „Das ist unsere Aufgabe. Wir müssen beim Kampf gegen Rechts in der ersten Reihe stehen.“ Gesine Schwan forderte für ein klares Profil der SPD eine „geistige Erneuerung“, für die sie gemeinsam mit Stegner antreten will: „Wir sind kein Tandem, wir lenken beide vorne und strampeln beide hinten.“

Einen arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt setzten  Hilde Matheis und Dierk Hirschel: Sie forderten einen anderen Kurs vor allem im Bezug auf die Hartz-Reformen. „Wir sind da vom Weg abgewichen“, erklärte Hirschel den „Hartz-4-Armutskeller“. Die SPD solle wieder die Partei der Arbeit werden. „Wir haben 20 Jahre lang Sozialdumping betrieben“, kritisierte Matheis, „Das spüren die Leute und das müssen wir jetzt hinter uns lassen.“

Nächster Halt: Niedersachsen

Der Auftakt in Saarbrücken war für die Kandidaten auch der Start in einen Marathon: In zwei Tagen, am Freitag werden die Bewerber in Hannover zu Gast sein. Nach dem Termin in Niedersachsen steht dann die erste Regionalkonferenz in Ostdeutschland an – und zwar in Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt am Samstag, 7. September. Bis zum 12. Oktober stehen insgesamt 23 Termine an.

Im Anschluss an die Regionalkonferenzen können die SPD-Mitglieder im Oktober darüber abstimmen, wer auf dem Parteitag im Dezember zu Parteivorsitzenden gewählt werden soll.

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Kommentare

Endlich !!!

Unsere SPD ist gut beraten sich die basisnahe Findung ihrer zukünftigen Vorsitzenden und noch wichtiger, die Findung ihrer zukünftigen politischen Schwerpunkte einschließlich der Antwort auf die Frage des Groko-Ausstieges nicht von einer überwiegend wirtschaftsnahen, weil konzernwerbungfinanzierten Presse zerreden zu lassen. Da ist oft von Casting-Show die Rede und dann wieder dass der Findungs-Prozess mit angeblich zu vielen regionalen Veranstaltungen zu langwierig sei !
Ja was passt nun ? Und was soll schlecht daran sein, wenn doch von derselben Presse oft genug die fehlende Basis- und Bürgernähe der etablierten Parteien angemahnt wird. Nach Ende der Findungs-Tour wird sich erweisen welchem Team die notwendige Glaubwürdigleit beim Thema Erneuerung und Richtungswechsel zugetraut wird ! Sicher wäre es gut gewesen noch mehr kritische Fragen der Basis zuzulassen,aber dennoch ist diese basisnahe Veranstaltungsreihe (endlich !!!) geeignet polit. Inhalte innerparteilich kontrovers anzusprechen und abzufragen statt die inhatliche Defizite weiterhin unter den Teppich zu kehren. Die Auswüchse von Globalisierung und neoliberalen schrankenlosen Wirtschaften wurden zu lange totgeschwiegen

Betriebsblindheit

Meiner dieser berufspolitischen Kandidat-innen hat sich mit den Strukturfragen unserer SPD auseinandergesetzt. Weder in den Parlamenten noch in der Spd-Hierarchie gibt es noch "Normalverdiener".
Der Durchschnittsverdienst der Bevölkerung liegt bei 2500 Euro brutto median.
Und die unerlässliche enge Verbindung der einfachen Mitgliedschaft wurde von den Blockwarten arrogant auf ein Minimum reduziert.
Derzeit ist die SPD ein Herrschaftsinstrument des Kapitals und kein Teil der Lösung der drängenden Probleme.
Ich habe auch für den PV kandidiert, um die Strukturprobleme ins Bewusstsein zu rücken. Bin aber nur Schichtarbeiter und kein bevorzugter Berufspolitiker.

Schichtarbeiter

Mit Deiner PV Analyse hast Du vollkommen Recht. Die arbeitenden Menschen sind vollkommen unterrepräsentiert und die gefühlte Entfernung der Berufspolitiker zur Bevölkerung scheint unendlich.

17 auf einen Streich

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Richtig tiefgründig

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Unglaublich

Ralf Stegner: „Die meisten Menschen haben kein Problem, dass ihre Gemeinde islamisiert wird“.
Woher will er das wissen? Ich behaupte das Gegenteil, denn ich kenne keine Deutschen, die Wert auf Islamisierung legen! Auch eine "fahrlässige" Islamisierung ist nicht hinzunehmen - wozu und weshalb auch?
Solche Volksvertreter brauchen wir jedenfalls absolut nicht!

Bitte genau hinsehen

Gehen Sie nicht Leuten auf den Leim, die das Zitat bewusst falsch weitertransportieren. Hier können Sie nachlesen, was er gesagt und vor allem gemeint hat. Ralf Stegner hat das selbst inzwischen auch auf Twitter klargestellt:

https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/stegner-deutschland-islamisieren/

Angstmache contra realer Problemstau ?!

Aus Erfurt kann ich berichten dass nicht eine angebliche Islamisierung das Problem ist, sondern die Scheindebatten und Angstmache der AFD und ihrer Anhänger, selbst vor unbestritten weltoffenen islamischen Reformbewegungen wie der Ahmadia (ahmadia.de), die gerade, ob des dort hohen Bildungsniveaus, eine große Chance ist, dass die junge, noch suchende dem Islam zugewandte Generation nicht den radikalen, auch selbstzerstörerischen, islamistischen Extremen in die Hände fällt ! Das eigentliche Problem in Erfurt ist außer der in großen Teilen rechtsradikalen, spalterischen AFD, die aus finanziellen Gründen immer mehr handlungsunfähige Kommune, die Probleme hat die öffentliche Daseinsvorsorge zu erhalten und auszuweiten. Momentan kann das überfällige Radwegekonzept nicht umgesetzt werden weil Mittel durch eine, nur in Teilen nachhaltig konzipierte, Bundesgartenschau gebunden sind und generell die Unterschiede bei der Finanzkraft von Kommunen ganz nach den "Gesetzmäßigkeiten" des Neoliberalismus immer größer werden und zum Ausverkauf der öffentl. Daseinsvorsorge führen !!!

Gott bzw Allah sei Dank,

das Kleingedruckte hat uns noch mal gerettet.

Unglücklich formuliert, aber anders gemeint- ich dachte schon, Ralph wäre zum Islam konvertiert und würde die Partei jetzt zu diesem Zweck umorganisieren wollen.

dann können wir ja aus anderen gründen davon absehen, ihn zum Vorsitzenden zu wählen.