Am Ende war es Lars Klingbeil, der das letzte Wort hatte: „Ich bin total stolz, wie dieser Abend gelaufen ist“, bilanzierte der SPD-Generalsekretär nach 150 Minuten vor rund 500 Genossen, die sich in die Congresshalle in Saarbrücken gezwängt hatten. Dabei war das Interesse zum Auftakt der SPD-Tour nicht nur innerhalb der Partei groß: Neben den Parteimitgliedern, die sich für die Veranstaltung angemeldet hatten, waren mehr als 70 Medienvertreter zu Gast in Saarbrücken. „Die Hütte ist voll, der Anblick von hier oben ist großartig“, freute sich der kommissarische Parteivorsitzende Thorsten-Schäfer-Gümbel auf der Bühne, bevor er neben der Gastgeberin Anke Rehlinger, Vorsitzende der Saar-SPD, Platz nahm.
Simone Lange und Alexander Ahrens ziehen zurück
Die Konferenz selbst startete mit einer Überraschung: Das Team aus Simone Lange und Alexander Ahrens gab schon in der Auftaktrede ihren Rückzug bekannt um künftig ein anderes Duo zu unterstützen. Somit reduzierte sich das Bewerberfeld auf sieben Teams und einen Einzelbewerber, die sich zunächst selbst vorstellen durften, im Anschluss dann auf Fragen antworten mussten und auch miteinander streiten konnten. Alles unter der Ägide von Moderator Klaus Tovar, der die Kandidierenden auch immer wieder an die Uhr erinnern musste: Jeder Bewerber bekam gleich viel Redezeit, durfte sich für eine Antwort maximal eine Minute Zeit lassen.
Eine strenges Korsett, an das sich die Bewerber aber insgesamt hielten und das trotzdem thematisch vielfältig blieb. Gestritten wurde über Themen wie die Grundrente, die Digitalisierung, Europa, Sicherheitspolitik, Globalisierung und Finanzpolitik und natürlich über den Zustand der SPD. Dabei setzten die Bewerber schon bei ihrer Vorstellung klare Schwerpunkte. Wer zuerst die Bühne betreten durfte, war im Vorfeld ausgelost worden.
Schwerpunkte zwischen rechts und links, reich und arm, grün und rot
Somit hatten in Saarbrücken Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans den Vortritt. „Lasst uns über Zusammenhalt reden“, appellierte Esken zu Beginn um gleichsam Investitionen in den Kommunen für Bildung, Polizei und Infrastruktur zu fordern. „Ohne Geld ist nichts zu machen“, ergänzte Borjans, auch in Sachen Klima- oder Friedenspolitik – das alles sei letztendlich Verteilungspolitik. Allesamt Themen, die mit dem aktuellen Koalitionspartner außerdem schwer umzusetzen seien, so Walter-Borjans.
Im Anschluss betraten Karl Lauterbach und Nina Scheer die Bühne, die die fehlenden Aufstiegschancen in Deutschland bemängelten. Seitdem er im Bundestag sitze, so Karl Lauterbach, sei der Unterschied zwischen Arm und Reich sogar noch größer geworden. Auch deswegen sollte die große Koalition möglichst schnell beendet werden: „Die Aufstiegschancen sind schlechter geworden.“ Scheer ergänzte den Auftritt um die den Schwerpunkt Klimapolitik: „Wir sind das Original“, wies sie auf die sozialdemokratischen Wurzeln von nachhaltiger, ökologischer Politik.
Sicherheitspolitik und eine Brücke zwischen Ost und West
Karl-Heinz Brunner, der als Einzelbewerber antritt, machte das Thema Sicherheit zum Dreh- und Angelpunkt. Angefangen bei der alltäglichen Sicherheit, für die Polizei und Justiz garantieren müsse, über die internationale Friedenspolitik bis hin zur Absicherung von Renten, Mieten und Gesundheit forderte er, die Ängste und Sorgen der Menschen wieder zu erkennen: „Rente ist keine Sozialleistung“, erklärte er und plädierte gleichzeitig für eine Bürgerversicherung.
Petra Köpping und Boris Pistorius stellten sich als Brückenbauer vor – sowohl zwischen Ost und West, als auch zwischen Kommunen, Bund und Ländern. „Wir möchten, dass es eine gesamtdeutsche Politik gibt“, sagte Köpping, während Pistorius daran erinnerte, dass die sozialdemokratische Kraft vor Ort noch stark ist: „Dort gewinnen wir auch noch Wahlen.“ Außerdem forderte er mehr Geschlossenheit in der Partei, die Menschen hätten „die Schnauze voll davon“, dass sich die SPD nur mit sich selber beschäftige.
Europa und ein starker Sozialstaat
Europa stand bei Christina Kampmann und Michael Roth im Mittelpunkt. „Unsere Antwort auf Trump sind die vereinigten Staaten von Europa, dafür kämpfen wir“, so Roth. Auf Deutschland bezogen forderten die Kandidaten ebenfalls mehr Investitionen, vor allem eine Abkehr von der Politik der schwarzen Null. „Wir brauchen mehr Investitionen in unser Land“, sagte Kampmann. Beide wollen außerdem die Zusammenarbeit in der Partei stärken, gemeinsam zu Ergebnissen und Beschlüssen kommen.
Klara Geywitz, die zusammen mit Olaf Scholz antritt, sorgt sich vor allem um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Aus ihrer Sicht ist es Aufgabe der Sozialdemokraten, Umwelt- und Instriepolitik zusammen zu bringen. „Wer, wenn nicht wir, sollte die neue Arbeitswelt von morgen organisieren?“, fragte sie auch mit Blick auf die Digitalisierung. Ihr Partner Scholz will dabei vor allem den Sozialstaat verteidigen. „Wir müssen darauf bestehen, dass alle gleich viel Wert sind.“ Dafür brauche es einen starken Sozialstaat, aber auch ein starkes Europa und eine starke Sozialdemokratische Partei.
Gegen Nationalisten und Sozialdumping
Gesine Schwan und Ralf Stegner propagierten in ihrer Vorstellung eine kämpferische, linke Programmatik: „Wir müssen immer wieder zeigen, wofür wir stehen“, forderte Stegner, der vor allem den Nationalisten die Stirn bieten will. „Das ist unsere Aufgabe. Wir müssen beim Kampf gegen Rechts in der ersten Reihe stehen.“ Gesine Schwan forderte für ein klares Profil der SPD eine „geistige Erneuerung“, für die sie gemeinsam mit Stegner antreten will: „Wir sind kein Tandem, wir lenken beide vorne und strampeln beide hinten.“
Einen arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt setzten Hilde Matheis und Dierk Hirschel: Sie forderten einen anderen Kurs vor allem im Bezug auf die Hartz-Reformen. „Wir sind da vom Weg abgewichen“, erklärte Hirschel den „Hartz-4-Armutskeller“. Die SPD solle wieder die Partei der Arbeit werden. „Wir haben 20 Jahre lang Sozialdumping betrieben“, kritisierte Matheis, „Das spüren die Leute und das müssen wir jetzt hinter uns lassen.“
Nächster Halt: Niedersachsen
Der Auftakt in Saarbrücken war für die Kandidaten auch der Start in einen Marathon: In zwei Tagen, am Freitag werden die Bewerber in Hannover zu Gast sein. Nach dem Termin in Niedersachsen steht dann die erste Regionalkonferenz in Ostdeutschland an – und zwar in Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt am Samstag, 7. September. Bis zum 12. Oktober stehen insgesamt 23 Termine an.
Im Anschluss an die Regionalkonferenzen können die SPD-Mitglieder im Oktober darüber abstimmen, wer auf dem Parteitag im Dezember zu Parteivorsitzenden gewählt werden soll.