Gesetzentwurf

Reform der Erbschaftssteuer: Erfolg der Millionäre

Cansel Kiziltepe09. Juli 2015
Jahr von Jahr wird mehr Besitz in Deutschland vererbt. Eine vernünftige Besteuerung ist dringend notwendig.
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett die Reform der Erbschaftssteuer auf den Weg gebracht. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehende Regelung 2014 gekippt. Die zuständige SPD-Berichterstatterin Cansel Kiziltepe ist sich jedoch sicher: Auch der neue Gesetzentwurf verstößt gegen das Grundgesetz.

Der am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftssteuer ist ein großer Erfolg für Millionäre und Milliardäre. Obwohl das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 gefordert hatte, dass bei großen Unternehmen eine Bedürfnisprüfung zwingend ist, bevor über eine mögliche Befreiung von der Erbschaftssteuer entschieden wird, sieht der Gesetzentwurf auf Druck der Unionsfraktion und der Unternehmer-Lobby stattdessen ein Wahlrecht ab einem Erwerb von 26 Millionen Euro Betriebsvermögen vor.

Ist der Entwurf zur Erbschaftssteuer verfassungskonform?

Entweder müssen im Rahmen der Bedürfnisprüfung bis zu 50 Prozent des mitübertragenen oder bereits vorhandenen Privatvermögens des Erben zur Begleichung der Steuerschuld verwendet werden oder es wird bei Verzicht auf die Offenlegung der Vermögensverhältnisse ein spezieller „Abschmelztarif“ angewendet. Dieser liegt allerdings weit unter dem regulären Steuersatz und ist deshalb für Erben sehr attraktiv. Ich habe große Zweifel, ob der vorgelegt Entwurf verfassungskonform ist.

Nehmen wir an, dass ein entfernter Verwandter ein Unternehmen mit einem Vermögenswert von 50 Millionen Euro erbt. Wegen des Abschmelztarifs sind nicht 100 Prozent des Vermögens steuerbefreit sondern nur noch 84 Prozent. Es werden also nur 16 Prozent des Vermögens, das sind 8 Millionen Euro, mit 23 Prozent besteuert. Dies ergibt eine Steuerlast von 1,84 Millionen Euro, die an die Bundesländer fließen. Dagegen beträgt die maximale Steuer im Rahmen der Bedürfnisprüfung 15 Millionen Euro bei einem Steuersatz von 30 Prozent. Wären dagegen Häuser und Villen im Wert von 50 Millionen Euro an unseren entfernten Verwandten vererbt worden, hätte er, in der Steuerklasse III, hierauf sogar 50 Prozent Steuern zahlen müssen.

Deutliche Verschlechterungen im Vergleich zum ersten Entwurf

Im ersten Entwurf des Bundesfinanzministers aus dem Frühjahr, dem sogenannten Eckwertepapier, war diese „Rosinenpickerei“ nicht vorgesehen. Zudem lag die Schwelle für die Bedürfnisprüfung bereits bei 20 Millionen Euro und nicht wie im jetzt verabschiedeten Entwurf bei 26 Millionen Euro. Auch gab es beim Schwellenwert kein Sonderprivileg für bestimmte Familienunternehmen mit „Ausschüttungsbeschränkungen“. Der Gesetzentwurf legt bei diesen die Schwelle für die Wahl zwischen Bedürfnisprüfung und Abschmelztarif mit 52 Millionen Euro doppelt so hoch fest.

Wir Finanzpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion haben das Eckwertepapier – auch wenn wir einen deutlich niedrigeren Schwellenwert bevorzugen – daher für grundsätzlich geeignet gehalten, die schlimmsten Auswüchse der Steuerbefreiung für das Betriebsvermögen zu bekämpfen: Denn zwischen 2009 und 2013 wurden insgesamt 105 Milliarden Euro Betriebsvermögen steuerfrei durch Erbschaft oder Schenkung übertragen. Den Ländern  entgingen so rund 28 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das steuerliche Gesamtaufkommen betrug im selben Zeitraum 22,1 Milliarden Euro.

Erbschaftssteuer als Instrument gegen die Feudalisierung der Gesellschaft

Das bestehende Recht untermauert schon jetzt die soziale Ungleichheit und wurde zu Recht vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Denn wir wissen aus der Forschung, dass der Anteil des Betriebsvermögens, der steuerfrei übertragen wird, bei den Superreichen besonders groß ist. In einem Minderheitsvotum zum Urteil sprechen drei Verfassungsrichter genau diese Problematik an und berufen sich auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. Sie begreifen die Erbschaftssteuer als  „Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit, die sich in einer freien Ordnung nicht von selbst herstellt“. Die Richter folgern, dass die Erbschaftsteuer ein Instrument sei, um zu verhindern, dass sich „Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft und persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst“.

Wie wichtig eine wirkliche Reform der Erbschaftssteuer wäre, zeigt ein Vergleich: Vom ursprünglich geplanten Schwellenwert in Höhe von 20 Millionen Euro wären im Jahr 2013 nur 28 Personen betroffen gewesen: Das sind 0,3 Prozent der Steuerfälle, in denen Betriebsvermögen steuerfrei oder weitgehend steuerfrei vererbt wurde. Dagegen wären fast 30 Prozent des steuerfreien Übertragungsvolumens bei Erbschaften von der verpflichtenden Bedürfnisprüfung erfasst worden. Es lässt sich schätzen, dass bei Umsetzung der verpflichtenden Bedürfnisprüfung ab 20 Millionen Euro pro Erwerb ein Mehraufkommen von rund einer Milliarde Euro ab dem Jahr 2016 möglich gewesen wäre – Geld, das dem Staat nun vorerst entgeht. Das ist der wahre Grund für den enormen Widerstand der Lobby gegen eine verpflichtende Bedürfnisprüfung. Das Bundesfinanzministerium erwartet dagegen nur ein Steuer-Mehraufkommen von 200 Millionen Euro, aber dies auch erst ab dem Jahr 2020.

Selbst die ausgehöhlte Bedürfnisprüfung kann problemlos umgangen werden

Der jetzt vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf enthält zudem ein weiteres gravierendes Problem. Selbst die ausgehöhlte Bedürfnisprüfung kann problemlos umgangen werden. Hierfür muss nur zuerst das Betriebsvermögen an die noch mittelosen Kinder übertragen werden. Nach der im Gesetzentwurf vorgeschriebenen Frist von zehn Jahren kann dann das übrige Vermögen folgen. Ich habe daher mit Nachdruck nach Veröffentlichung des Eckwertepapiers eine Frist von 30 Jahren gefordert, um eine verfassungsfeste Ausgestaltung des Erbschaftssteuergesetzes sicher zu stellen.

Kurzum: Finanzminister Schäuble war nicht gut beraten, einen in doppelter Hinsicht verfassungsrechtlich angreifbaren Entwurf im Kabinett verabschieden zu lassen. Da die Erbschaftsteuer eine Landessteuer ist, geht der Gesetzentwurf als erstes in den Bundesrat. Ich hoffe, dass die SPD-geführten Länder wahrnehmbar Kritik äußern und ein höheres Aufkommen fordern. Im dann anschließenden Gesetzgebungsverfahren im Bundestag liegt es an der SPD-Fraktion, ob Änderungen zum Besseren vorgenommen werden. Ich werde hierfür alles tun.

Lesen Sie hier, warum die Reform die Erbschaftssteuer aus Sicht des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Carsten Schneider gerechter macht.

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Kommentare

Erbschaftssteuer

Die SPD-Mitglieder in der Regierung, müssen wohl vergessen das Sie noch In der SPD sind! Oder sind Sie schon in der CDU?

Erbschaftssteuer

Vielleicht sind sie noch als U-Boote in der SPD, um Konventsmehrheiten zu sichern? Die satirische Zeitschrift "Der Postillion" hatte vor einigen Monaten schon die Meldung gebracht, Gabriel sei zum Ehrenmitglied der CDU ernannt worden, weil er deren Politik besser vertritt als die CDU selbst.

Erbschaftsteuer

Es wissen doch die meisten Bürger. Seit Kanzler Schröder, ist die SPD in der CDU. SPD ist nur ihr Deckmantel.

Erbschaftssteuerreform blockieren!!

Das BVG verlangt die "Überprivilegierung" von Firmen-Erben abzubauen. CDU/CSU wollen Firmen-Erben weiter verschonen. Wir sollten die jetzt vorgelegte Reformvorlage scheitern lassen, dann wird das BVG die Überprivilegierung komplett aufheben. Nach 2017 könnten wir eine sinnvolle Steuerreform anstoßen und wachende Ungleichheit verhindern.

Erbschaftssteuer"reform"

Es ist ein Sieg der Millionäre. Und unsere Abgeordneten werden ihn auch aus "Koaltionsräson"(zumeist jedenfalls) abnicken.Es gelten ja in der SPD keine Grundsätze mehr, außer dem von Müntefering "Opposition ist Mist".
Dies zu vermeiden wird alles untergeordnet- auch der letzte Rest Sozialdemokratie.Und ohne eine wirkliche Machtoption - und die geht nur mit der Linken, wird es sehr sehr lange nach 2017,bis wir eine gerechtere Steuerpolitik durchsetzen(Wahrscheinlich hat sie aber Zick-Zack Siggi dann aus dem Programm streichen lassen!)