Krisentreffen an Krisentreffen

Nach Rede von Scholz: Wie es nach Putins Kriegserklärung weitergeht

Benedikt Dittrich24. Februar 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz wandte sich am Donnerstag in einer TV-Ansprache an die Bevölkerung.
Bundeskanzler Olaf Scholz wandte sich am Donnerstag in einer TV-Ansprache an die Bevölkerung.
Am Donnerstag überschlagen sich die Nachrichten: Putin erklärt der Ukraine den Krieg, russische Truppen rücken vor, schon in der Nacht schlagen erste Raketen ein. Ein Rückblick – und wie es in den nächsten Tagen auch aus deutscher Sicht weitergeht.

Es ist in Deutschland noch mitten in der Nacht, als der Krieg in Europa beginnt. Gegen drei Uhr überträgt das russische Staatsfernsehen die Erklärung von Wladimir Putin einer „Sondermilitäroperation“ in der Ukraine, parallel setzen sich offenbar schon Truppen in Bewegung, erste Raketen schlagen auf ukrainischem Boden ein.

In der Zeit, als noch der UN-Sicherheitsrat tagt und genau diesen Krieg noch verhindert will, wird das Völkerrecht bereits gebrochen. Kurz nachdem erste Eilmeldungen verschickt sind, meldet sich Bundeskanzler Olaf Scholz. Rückblick auf einen Tag, der eine Zäsur für die Sicherheit, für den Frieden in Europa darstellt.

Scholz verurteilt am Morgen den russischen Angriff

Das erste offizielle Statement, das Olaf Scholz am Donnerstagmorgen gegen 7 Uhr abgibt, kommt schriftlich: „Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts“, beginnt seine erste Nachricht, die auch über Twitter verbreitet wird. Ein Marathon an Treffen, Telefonaten und weiteren Terminen folgt. Politik in der Krise, im Krieg.

In den folgenden Stunden melden sich weitere SPD-Spitzenpolitiker*innen zu Wort, auch von allen anderen demokratischen Parteien wird der Einmarsch, die Invasion Russlands scharf verurteilt, fadenscheinige Argumente Putins als „Lügen“ gebrandmarkt, weitere Sanktionen angekündigt. (Äußerungen und Reaktionen aus der SPD zur russischen Invasion am Donnerstag im Ticker.)

Eine Zeit, in der es schwierig ist, die Übersicht zu behalten: Meldungen aus Osteuropa vermischen sich mit neuen Ankündigungen aus Brüssel und Berlin, Sondersitzungen werden kurzfristig anberaumt, die NATO aktiviert Verteidiungspläne für Osteuropa. Partnerländer im Baltikum, Polen und Tschechien geraten in den Krisenmodus, der so unbedingt mittels Diplomatie verhindert werden sollte. Dazwischen immer wieder neue Meldungen aus den Kriegsregionen. Vieles ist unsicher, nur eines ist sicher: Russland hat die Ukraine massiv angegriffen, Truppen rücken überall im Land vor, es geht Putin um viel mehr als um die Separatistengebiete in der Ostukraine.

Rede am Mittag, TV-Ansprache am Abend

Nach der ersten Äußerung in der Nacht und einem weiteren kurzen Pressestatement zur Mittagszeit tritt der Bundeskanzler dann am frühen Abend erneut vor die Kameras. Eine Ansprache wird aufgezeichnet, die wenig später im Fernsehen ausgestrahlt wird. Derweil äußern sich auch die G7-Staaten gemeinsam und schriftlich: „Wir bekunden unsere unerschütterliche Unterstützung und Solidarität für die Ukraine.“ Die Invasion wird verurteilt – von einem Gremium, dem Russland einige Jahre zuvor selbst noch angehört hatte. Da waren es noch die „G8“.

Bei der TV-Ansprache am Donnerstag selbst wählt Olaf Scholz dann seine Worte sorgsam. „Gerade erleben wir den Beginn eines Krieges, wie wir ihn in Europa seit fast 80 Jahren nicht erlebt haben“, erklärt er, während er direkt in die Kamera blickt, hinter sich neben der deutschen und der europäischen auch die ukrainische Flagge. Es sei ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein düsterer Tag für Europa. „Das ist ein Überfall auf ein unabhängiges, souveränes Land. Er ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.“ Gerade zwei Flugstunden von Berlin entfernt bangten zurzeit Familien in Luftschutzkellern um ihr Leben.

Scholz sagt der Ukraine erneut die Solidarität Deutschlands zu, erteilt Putins Großmacht-Fantasien erneut eine Absage. „Es gibt kein Zurück in die Zeit des Kalten Kriegs“, so Scholz. Putin habe alle Warnungen, alle Bemühungen in den Wind geschlagen. „Er allein, nicht das russische Volk, hat sich für den Krieg entschieden. Er allein trägt dafür die volle Verantwortung.“ Doch man habe sich vorbereitet, so Scholz weiter – in der EU, der Nato, in den G7 und kündigt weitere Sanktionen an. „Sie werden die russische Wirtschaft hart treffen.“ Putin werde nicht gewinnen.

Sondersitzungen von Berlin bis Brüssel

Im Anschluss ist Scholz bereits unterwegs nach Brüssel – am Abend wird hier bei einem Sondergipfel über weitere Sanktionen beraten.Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will ein neues Sanktionspaket vorstellen. Auch auf EU-Ebene ist man sich an diesem Tag einig: Der Bruch des Völkerrechts, die Invasion der Ukraine, muss klar verurteilt und sanktioniert werden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilt die Invasion und warnt den russischen Präsidenten deutlich davor, den Konflikt auch auf Nato-Gebiet auszuweiten. Am Freitag wollen die Nato-Länder zu einem Sondergipfel zusammenkommen.

Weitere Krisentreffen auf nationaler und internationaler Ebene dürften in den nächsten Tagen folgen. Ausschüsse des Bundestags und auch das Sicherheitskabinett tagten bereits am Donnerstag, teils geheim, am Wochenende ist eine Sondersitzung des Bundestags anberaumt. Am Sonntag ab 11 Uhr wird sich das Parlament mit dem Krieg befassen, Scholz eine Regierungserklärung abgeben. „Der 24. Februar 2022 wird als ein schwarzer Tag in die Geschichte Europas und der gesamten zivilisierten Welt eingehen. Dass Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen ihr Land begonnen hat, ist völlig inakzeptabel und auf das schärfste zu verurteilen“, schreibt die Präsidentin des Bundestags, Bärbel Bas, an ihren ukrainischen Amtskollegen Ruslan Oleksiiovych Stefanchuck.

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Kommentare

Leider ein Irrtum

Olaf Scholz sagte: "Gerade erleben wir den Beginn eines Krieges, wie wir ihn in Europa seit fast 80 Jahren nicht erlebt haben“.
War der Kosovokrieg der NATO kein Krieg in Europa ?
Putins "Argumente" für den Einmarsch in die Ukraine sind denen von damals ziemlich ähnlich.
Es leiden die Menschen, egal welcher Nationalität, und nicht die Kriegsherren egal wie die heißen. Darum: Diplomatie, Deeskalation und keine Parteinahme für irgendeine beteiligte imperialistische Macht.

War der Kosovokrieg der NATO kein Krieg in Europa ?

Im "Kosovokrieg der NATO" ist die NATO dem sozialistischen Massenmörder und seinen Vasallen in den Arm gefallen um zu verhindern, dass sich der Massenmord dieser Verbreche-Clique um Milosovic an 8.000 muslimischen Bürgern wiederholt. Für Sie hatte wohl Milosevic den Menschen im Kosovic nur "Friedenstruppen" geschickt, die dann vielen unschuldigen Menschen gleich den "ewigen Frieden" brachten. Für Sie offenbar so in Ordnung und keiner Silbe wert. Die NATO hat in Ihren Augen im Kosovo wohl nur diesen neuen "Friedensprozeß" gestört. Dass Sie unverbrüchlich an der Seite des "Friedensbringers" der Ukraine, Putin, stehen, kann man da gut verstehen.

Leider ist das ein Strickmuster aktueller Politik,

auch der sozialdemokratischen. Aus Gründen des einheitlichen Narrativs wird eine Geschichte nur noch halb erzählt. Nur darf man sich dann auch nicht wundern, wenn Dinge passieren, die man nicht wollte. Hätte man die Augen nicht vor der anderen Hälfte verschlossen, stünde man jetzt nicht so da wie ein begossener Pudel.

Russland als Regionalmacht zu bezeichnen, dies auch noch allen ernstes selbst zu Glauben und dann Russland zu allem Überfluss auch noch so zu behandeln, kann man getrost als epochalen Fehler der Nachwendezeit bezeichnen.

Der zweite epochale Fehler (leider wieder unserer Seite) war, die Erosion des Völkerrechts voranzutreiben. Sei es durch völkerrechtswidrige Kriege der Nato und der USA. Oder sei es durch die Anerkennung von Oppositionellen als "eigentlich legitime Staatsrepräsentanten", Stichwort Juan Guaido.

Der dritte epochale Fehler liegt bei Europa, sich auf die USA und die Nato in Fragen europäischer Sicherheit zu verlassen.

Das Ergebnis sehen wir jetzt: Die Europäische Friedensordnung ist zerstört und Europa ist handlungsunfähig.

Dafür alleine den Russen die Schuld zuzuschieben ist ebenso geschichtsvergessen wie fadenscheinig.

.... die Erosion des Völkerrechts voranzutreiben (?)

Russland als Regionalmacht zu bezeichnen ist doch die Wahrheit. Nur bei den Atomwaffen und der Gewaltbereitschaft Putins trifft der Begriff Regionalmacht nicht zu. Der Sozialdemokrat Helmut Schmidt hat noch treffender bei Russland von einem "Obervolta mit Atomraketen" gesprochen. Wo - außer bei Atomwaffen und Rüstung - hat Russland unter Putin denn bei Bildung, Forschung, Wirtschaft und Menschenrechten einen Stand, der über den einer drittklassigen Regionalmacht wie Nordkorea nennenswert hinausreicht? "Unsere Seite" soll "die Erosion des Völkerrechts" vorangetrieben haben? Das behaupten doch außer Ihnen nur Putins RT, die SED/DIELINKE und die Putin-Claqueure von "Aufstehen".

Wie es nach Putins Kriegserklärung weitergeht

Über die Peson und die unrühmliche Rolle Putins sind wir uns in diesem Forum sicherlich alle einig.

Möglicherweise hat er Angst, dass die allmähliche Demokratisierung in der Ukraine weiter um sich greift und die Protestbewegungen in Russland auch für sein Regime gefährlich werden könnten? Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Vorgehen seiner Vorgänger 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei.

Vielleicht sollte OlafScholz seinen Vorgänger Gerhard Schröder zu dessen Freund nach Moskau schicken, um diesen zum Einlenken zu bewegen?

Vor allem aber muss weiter davor gewarnt werden, durch Waffenlieferungen o.ä. die Eskalation weiterzubetreiben. Denn die Worte Putins am 24.02., dass eine Situation eintreten könnte, wie sie noch nie da war, ist an Gefährlichkeit kaum zu überbieten.

Als sehr beachtlich und auch zu beherzigen sind die Aussagen des früheren Ministers und Genossen Klaus von Dohnany am 24.02.2022 bei Maischberger, der vor den Folgen eines Atomkriegs gewarnt hatte und deshalb von einem Redakteur der "Welt" mehr oder weniger ausgelacht wurde.

Verweigerung von starken Sanktionen

Ich finde es nicht richtig das Menschenleben mit Wirtschaftsgewinne aufgewogen werden!
Weil unsere Wirtschaft schaden nehmen würde, verweigert „unser“ Bundeskanzler scharfe Sanktionen. Wann sollen die denn eingesetzt werden, wenn Putin Deutschland angreift?
Nach über 50 Jahren Mitgliedschaft und über 30 Jahren Ratsarbeit bin ich nur noch enttäuscht von „meiner“ Partei!

... die Invasion Russlands scharf verurteilt

Wir sollten nicht Putin mit Russland verwechseln. Die Ukraine wird nicht von Russland vergewaltigt sondern von Putin. Putin ist spätestens jetzt für Jedermann als im kommunistischen KGB sozialisierter skrupelloser Berufsverbrecher und Mörder erkennbar. Er ist für mich nicht Russland, Russland sind für mich u. a. die vielen mutigen Menschen, die trotz Verbots auf die Straßen gegangen sind und protestiert haben und dafür schwere Strafen und Repressionen des Putinregimes zu erwarten haben. Auch wenn die Hoffnung nur klein ist, so hoffe ich, dass sich im von mir geschätzten Russland großartige und mutige Menschen in großer Zahl finden um dieses faszinierende Land von diesem schrecklichen Tyrannen und Alptraum zu befreien.

Wie es nach Putins Kriegserklärung weitergeht

Wir (, der Westen, die Nato, die EU, die BRD) stehen vor dem Scherbenhaufen unserer Außenpolitik: Wir konnten den Frieden in Europa nicht sichern. Der Präsident der Russischen Föderation hat seine Soldaten die Ukraine überfallen lassen. Ich verlange mit unserem Bundespräsidenten: „Stoppen Sie den Wahnsinn dieses Krieges, jetzt!!“ und füge hinzu, ich würde den russischen Präsidenten und seine Marionetten in der Regierung dahin schicken, wo der Pfeffer wächst - wenn ich könnte.

Warum hat Putin den Überfall auf die Ukraine befohlen? „Warum Putin“ ist unseren Wortgewaltigen in Presse und Politik sofort klar: krank, „unkontrolliert im Kreml wütend“. Falls Putin wirklich sowas wie ein Tollwütiger ist, für den ihn unsere Strategen halten, dann Gnade uns Gott, denn er wäre ein Tollwütiger mit einer atomaren Weltmacht im Gepäck. (Siehe den erschütterten Habeck gestern bei Lanz.)
„Warum die Ukraine“ ist eine Folge der „Östlichen Partnerschaft“ und ihrer Ablehnung durch die Russische Föderation. Die ÖP ist die Fortsetzung der mit dem Zusammenbruch der UDSSR/Warschauer-Paktes möglich gewordenen Nato - und EU-Osterweiterung und der „Europäischen Nachbarschaftspolitik“.

Wie es nach Putins Kriegserklärung weitergeht_2

„Die Vision der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist ein Ring aus Ländern, die die grundlegenden Werte und Ziele der EU teilen und in eine zunehmend engere Beziehung eingebunden werden, die über die Zusammenarbeit hinaus ein erhebliches Maß an wirtschaftlicher und politischer Integration beinhaltet.“ (Strategiepapier SEK(2004)). (Ich lass den „Ring“ mal unkommentiert.) Die Östliche Partnerschaft bot den „sechs post-sowjetischen Staaten Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und Ukraine“ (- über deren geographische Lage sage ich mal nichts -) eine EU-Beitrittsperspektive. 2008 wollten die USA die Ukraine in die Nato aufnehmen – Deutschland und Frankreich lehnten das ab. Die Ukraine aber bestand auf Einhaltung der Zusagen. Nato und EU lassen die Ukraine jetzt im Stich – und was sagt nun (z. B. Arm in Arm mit dem christlichen Röttgen) unser wortgewaltiger „Osteuropa ist nicht der Vorhof von Putin“- „SPD-Außenexperte Roth“ (Vorwärts)?

Wie es nach Putins Kriegserklärung weitergeht_3

Ist es unfair von mir, von unseren Strategen zu erwarten, so eine Reaktion Putins mitzubedenken?!

Und was verabreden unsere Politiker derzeit? Originalton unserer Außenministerin gerade auf dem Weg zum Außenministertreffen in Brüssel? Die russische Regierung habe „keinen menschlichen Rahmen“ mehr, darum Sanktionen: „Das wird Russland ruinieren.“

Mein Gott!!