Kommentar

Rechtsextremismus in Hessen: Warum Peter Beuths Rücktritt überfällig ist

Jonas Jordan15. Juli 2020
Am Dienstag musste der hessische Landespolizeipräsident als Konsequenz der Rechtsextremismus-Affäre gehen. Doch er ist nur ein Bauernopfer. Wenn Innenminister Peter Beuth (CDU) noch einen Rest Anstand besitzt, sollte er seinen Hut nehmen. Sein Rücktritt ist überfällig.

Peter Beuth sollte endlich als hessischer Innenminister zurücktreten. Dafür gibt es inzwischen unzählige Gründe. Beginnen wir am 21. Februar 2019: An diesem Tag sollte das Rückspiel in der Zwischenrunde der Europa League zwischen Eintracht Frankfurt und Schachtar Donezk im Frankfurter Waldstadion über die Bühne gehen. Die Fans der Eintracht hatten tagelang eine Choreographie vorbereitet. Doch wenige Stunden vor dem Spiel ließ Beuth Fanräume im Stadion durchsuchen, angeblich wegen Hinweisen auf verbotene Pyrotechnik. Als die Fans daraufhin frustriert die Choreo absagten und ein Spruchband entrollten, auf dem sie Beuth kritisierten, ging die Polizei rabiat dagegen vor. Ein Anhänger wurde über eine Bande gestoßen und erlitt einen Lendenwirbelbruch.

Dilettantisch und teilnahmslos im Kampf gegen Rechts

In ganz Deutschland solidarisierten sich anschließend die Fanszenen mit der Eintracht-Kurve. Der verletzte Anhänger erhielt später 7.000 Euro Schmerzensgeld. Auf eine Entschuldigung von Peter Beuth wartet er bis heute. Nun könnte man argumentieren, Beuth sei letztlich eben ein besonders engagierter Law-and-order-Politiker, wie es so viele in den Reihen der hessischen CDU gibt. Hatte er doch schon früher gefordert, Fans für das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion zu inhaftieren. Doch so rücksichtlos der Innenminister gegen hessische Fußballfans vorgeht, so dilettantisch und teilnahmslos zeigt er sich im Kampf gegen Rechts.

Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, das Attentat von Wächtersbach, der rechtsterroristische Anschlag in Hanau – Taten rechter Gewalt binnen weniger Monate in Hessen, bei denen ich mich zum einen frage, wie sie passieren konnten. Denn Stephan E., der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke, war den hessischen Behörden als Neonazi bekannt. Auch der Attentäter von Hanau war bereits vor seiner schrecklichen Gewalttat mit kruden Gedankengängen auffällig geworden. Zum anderen frage ich mich, wann denn die hessische CDU endlich einmal anfangen möchte, eine Strategie im Kampf gegen Rechts zu entwickeln.

Denn das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte die Drohmail-Affäre rund um die hessische Polizei. Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz hatte ebenso wie die Linken-Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag Janine Wissler E-Mails erhalten, in denen sie mit dem Tod bedroht wurde. Diese waren mit der Unterschrift „NSU 2.0" versehen und enthalten private Daten, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Diese Daten wurden mutmaßlich durch ein rechtsextremes Netzwerk innerhalb der hessischen Polizei abgerufen. 

Münch ist Beuths Bauernopfer

Diesmal reagiert Beuth, doch viel zu spät und mit einem Bauernopfer. Hessens Polizeipräsident Udo Münch wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Eine Maßnahme, um von der Unfähigkeit seines Dienstherrn, Innenminister Peter Beuth, abzulenken. Doch wenn dieser noch einen Funken Anstand besitzt, sollte er seinen Hut nehmen.

Täte er das, wäre es ein wichtiges, aber auch überraschendes Signal. Denn Beuths bisherige Art, Skandale auszusitzen und sich zugleich im Kampf gegen Rechts untätig zu zeigen, hat System innerhalb der hessischen CDU. Ein gewisser Volker Bouffier war von 1999 bis 2010 Beuths Amtsvorvorgänger. Bouffier versucht sich inzwischen als weiser Landesvater zu gerieren. Doch wer ihn Anfang des Jahrtausends als hessischen Innenminister erlebt hat, kann ihm das nicht abnehmen. Ins Amt kam er nach dem erfolgreichen ausländerfeindlichen Wahlkampf seines Duz- und Parteifreundes Roland Koch. In Bouffiers Amtszeit als Innenminister fiel das Erstarken rechter Netzwerke in Nord- und Mittelhessen ebenso wie der Mord des NSU-Terror-Trios an Halit Yozgat in Kassel. Bouffier behinderte dessen Aufklärung, indem er die Vernehmung eines anwesenden V-Mannes verhinderte.

Man könnte die Brücke noch weiter schlagen hin zu den antisemitischen Äußerungen des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der inzwischen in der AfD gelandet ist, zu den rechtskonservativen Reden Alfred Dreggers oder hin zu Alexander Gauland als Chef der hessischen Staatskanzlei. Doch das würde zu weit führen. Fürs Erste würde es reichen, wenn Peter Beuth als hessischer Innenminister zurückträte. Allein mir fehlt der Glaube.

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Kommentare

Bauernopfer

Ein Rücktritt von Herrn Beuth würde nichts bringen, sein Amtsvorgänger ist zur Zeit MP in Hessen, die hessischen nSU Akten sind für 120 Jahre weggesperrt und als i-Tüpfelchen gibt es immer noch den Herrn Temme. Das BKA ermittelt wer die Vorgänge bei der (hessischen) POlizei an die Presse durchgestochen hat (!!!!). Für mich stellt sich auch immer die Frage, wieso aus allen Parteien die Innenminister/senatoren sich immer als rechte "Schießhunde" aufbauen. (eine Ausnahme war da Gerhard Baum, FDP). Das Problem ist aber nicht nur bei der hessischen Polizei zu suchen, sondern generell in den "Sicherheitsbehörden" - allen voran dem "Verfassungsschutz", und ganz nebenbei gibt es solche Strukturen auch bei der Justiz.. Das sind Probleme. die sich aus der Geschichte ergeben: von Wilhelms Obrigkeitsstaat, zu Noskes SiPo, zur Gestapo, zur "Partisanenbekämpfung", zur BRD. Ok die Leute sind nicht mehr die gleichen, aber der Geist des Obrigkeitsstaates ist vielfach noch erhalten. Da sind Reformen dringend geboten.

Verantwortung wird von oben nach unten abgeschoben !

Was die Mängel u nd Schwächen im Polizeiapparat anbelangt so wird vielerorts gerne gemauert und die Verantwortung für das Desaster sehr gerne auf die Ebenen weiter unten abgeschoben !
Immerhin scheinen die Computer der hessischen Polizei "internetfähig" zu sein (das ist nicht in allen Landespolizeien so), wenn auch dummerweise diese ausgerechnet von Leuten mitgenutzt werden können, die der Demokratie maximal am feindlichsten gesonnen sind. Wenn solche und ähnliche Vorgänge dann untersucht werden sollen, spricht die Führung bis in die "hohe Politik" gerne von Einzelfällen nach dem Motto "bei uns doch nicht" ! Wie auch immer. Auch diese dort sich häufende rechte Gesinnung könnte zu tun haben mit einem absurden Sparkurs (von Ausstattung über Personal bis politischer u. gesellsch. Bildung) vor Coronazeit, der sich eben zumindest stellenweise bis in unsere demokratie- schützenden Bereiche, nämlich der Polizei und Bundeswehr gezogen hat. Genau die Folgen dieser absurden Sparpolitik gilt es doch auch einmal zu untersuchen !!! Rücktritte dort wo nötig, ja gerne ! Aber damit allein ist es nicht getan !!!