Jon McGregor: Als Letztes die Hunde

Radikal bis zum Schluss

Gero Fischer17. Januar 2012

Mit seinem Roman „Als Letztes die Hunde“ liefert Jon McGregor einen tiefen Einblick in ein fremdes Milieu. Er beschreibt darin den Alltag von Drogensüchtigen, die in einer Parallelgesellschaft auf ihren körperlichen Verfall zusteuern.

Der Tod Roberts ist der Anfang vom Ende. Mit Apfelwein hat sich der Alkoholiker in den Tod getrunken. Für seine Freunde ist das doppelt tragisch. Denn Robert war nicht nur ihr Freund, sondern hat in seinem Haus auch einem großen Kreis von Leuten stets eine Bleibe geboten. Einer von ihnen ist der heroinsüchtige Danny, der den toten Robert in seiner Wohnung entdeckt und sich danach auf die Suche nach den anderen macht. Fortan begleitet ihn der Roman auf dieser Suche. In Rückblicken erzählt er dabei die Geschichten von Danny und seinen Freunden. Nach und nach erschließen sich die individuellen Hintergründe. 

Radikal in Thema und Sprache 

„Als Letztes die Hunde“ ist ein radikaler Roman über die Sucht: Heroin, Alkohol, andere Drogen. Fast wie in einem Episodenfilm begleitet der Leser die Figuren. Sie sprechen und denken im Slang, der Autor reiht im Stile des Bewusstseinsstroms ihre Gedanken ohne Punkt und Komma aneinander. Dabei wechseln die Erzählperspektiven zwischen den Freunden oder aber McGregor bedient sich gleich einer Art Chor, einem vielstimmigen „Wir“. Gefühle, Zustände und Leiden der Suchtkranken kommen auf diese Weise ungeschönt zum Ausdruck.   McGregor zeichnet die Sucht als Fulltime-Job. mit dem Aufstehen beginnt die tägliche Herausforderung, irgendwie genug Geld für die Tagesdosis zusammenzukriegen. McGregors Süchtige leben in einer Parallelgesellschaft. Man kennt sich in der Szene und trifft sich immer wieder an den gleichen Orten. Einer dieser Orte ist bzw. war das Haus von Robert, der den Heroinabhängigen im Tausch gegen Essen und Alkohol ein Dach über dem Kopf bietet. Mit der Außenwelt kommen die Süchtigen nur bei der Geldbeschaffung in Kontakt. Wer aus dieser Welt ausbrechen will, wie die junge Laura, muss letztlich auch daran scheitern, dass die sozialen Kontakte nach draußen fehlen.    

Menschlicher Verfall 

Die Drogensucht beschreibt McGregor als eine Geschichte des seelischen wie körperlichen Verfalls. Am deutlichsten wird dies bei Robert selbst. Nachdem seine Frau mit seiner Tochter vor ihm flüchtet, kapituliert zuerst die Psyche, er gibt sich ganz dem Alkohol hin. Es folgt mit der Zeit der körperliche Verfall, angefangen bei Äußerlichkeiten wie ausfallenden Zähnen und Fettleibigkeit. Bis zum Schluss die Organe aufgeben. Sinnbildlich verkommt parallel dazu auch Roberts Haus: das einst fast spießige Familienheim ist am Ende eine abrissreife Bruchbude.   „Als Letztes die Hunde“ ist eine ungeschönte Milieubeschreibung und bringt dem Leser die Welt der Süchtigen ein Stück näher. Eine direkte Sprache und filmartige Collagen sorgen für ein enormes Tempo. Der Roman ist radikal, sowohl in der Handlung wie auch in seiner Sprache. Die Einblicke in die Köpfe der Süchtigen sind erschütternd, abstoßend, dabei zugleich fesselnd und faszinierend.  

Jon McGregor: Als Letztes die Hunde. Roman. Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger. Berlin Verlag, Berlin 2011, 270 Seiten, 22 Euro.