
Bis vor kurzem wurde die Idee in den Zeitungen noch totgeschrieben. Keine Chance, sagten Beobachter: Ein linkes Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei – nie im Leben würde das klappen. Selbst bei einer rechnerischen Mehrheit im Parlament, die drei Parteien seien einfach unfähig, gemeinsam eine stabile Regierung zu bilden.
Nach Thüringen im Jahr 2014 wird jedoch inzwischen in Berlin gerade ein zweites Mitte-Links-Bündnis ausgehandelt. Rot-Rot-Grün – oder wie Kenner sagen: R2G – ist mittlerweile Realität in Deutschland. Da passt es ins Bild, dass auch im Bundestag das Interesse an einer solchen Regierungskonstellation wächst.
90 Abgeordnete für Rot-Rot-Grün
Am Dienstag treffen sich nun rund 90 Bundestagsabgeordnete von SPD, Linken und Grünen, um über „R2G“ zu sprechen – circa 30 Abgeordnete aus jeder der drei Fraktionen. Organisiert wird die Runde von Axel Schäfer, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag. Unter den SPD-Teilnehmern sind außerdem der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach sowie Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken im Bundestag. Auch die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley hat ihre Teilnahme angekündigt.
Die neue Gesprächsrunde lotet für die Sozialdemokraten eine Machtoption außerhalb der großen Koalition aus. Matthias Miersch erklärt dazu: „Es geht uns darum, den Weg zu einer Mehrheit diesseits der Union ganz konkret zu beschreiben und auf eine breite Basis in allen drei Parteien zu stellen.“
Trennlinien überwinden
Seit längerem gibt es in allen drei Parteien Mitglieder und Funktionäre, die mit einer Dreierkoalition liebäugeln. Der neueste Vorstoß aus der Führungsebene der SPD-Bundestagsfraktion will die Gespräche über ein Mitte-Links-Bündnis nun aus dem „Hinterzimmer herausholen“, wie es bei der Parlamentarischen Linken heißt. „Mit dem rot-rot-grünen Trialog heben wir die bisherigen Aktivitäten auf eine neue Ebene“, erklärt Miersch. „Wir wollen gemeinsam gesellschaftliche und politische Mehrheiten erreichen und Verantwortung übernehmen.“
Allerdings gibt es neben einer ganzen Reihe politischer Übereinstimmungen der drei Parteien auch einige Trennlinien. „R2G hängt zum Schluss am Wählerwillen und an der Außenpolitik“, sagte Karl Lauterbach am Montag gegenüber vorwärts.de. In der Tat dürfte die Außenpolitik bei R2G ein großes Streitthema sein: So lehnt die Linkspartei Auslandseinsätze der Bundeswehr kategorisch ab, während SPD und Grüne diesen offener gegenüberstehen. Umgekehrt wollen viele bei den Linken raus aus der Nato, was wiederum für Sozialdemokraten und Grüne nicht in Frage kommt. Dennoch findet Lauterbach: „Wir sollten keine Koalition außer mit der AfD ausschließen.“
Die AfD macht’s nötig
Für Konservative und Rechte könnte somit bald ein lang gefürchtetes Horror-Szenario wahr werden. Schon immer warnen CDU-Politiker wie der gerade abgewählte Berliner Innensenator Frank Henkel vor Rot-Rot-Grün.
Die Zeiten der klassischen Zweierkoalition, wie sie in Deutschland bislang die Regel waren, könnten allerdings bald vorbei sein: Nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2016 verlor die große Koalition aus SPD und CDU ihre Mehrheit. Dafür zog die rechtspopulistische AfD ins Parlament der Hauptstadt ein und machte damit ein Dreierbündnis nötig. Wie es aussieht, werden die Rechtspopulisten im kommenden Jahr wohl auch den Sprung in den Bundestag schaffen. Nicht auszuschließen, dass die große Koalition dadurch auch im Bund ihre Mehrheit verliert – so könnte die AfD unfreiwillig dafür sorgen, dass SPD, Linke und Grüne sich 2017 gezwungen sehen, dem aktuellen Rechtsruck in Deutschland ein Mitte-Links-Bündnis im Bundestag entgegenzusetzen.
UPDATE: Wie die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtete, schaltet sich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel in die Diskussion über ein mögliches Dreierbündnis aus SPD, Linken und Grünen nach der Bundestagswahl 2017 ein. Gabriel trifft sich am Dienstagabend in kleiner Runde mit Vertretern von Linkspartei und Grünen in Berlin. Aus den Reihen der SPD wird Gabriel dabei von Frank Schwabe und Sönke Rix begleitet.