Zeitenwende

Wie Putins Überfall auf die Ukraine die Weltordnung verändert

Herfried Münkler24. März 2022
Das Ende der Weltordnung wie wir sie kannten: Putins Angriff auf die Ukraine ist eine Zäsur, meint Historiker Herfried Münkler.
Das Ende der Weltordnung wie wir sie kannten: Putins Angriff auf die Ukraine ist eine Zäsur, meint Historiker Herfried Münkler.
Der Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine ist eine Zäsur und ein Augenöffner. Vermutlich wird es Jahrzehnte dauern, bis wir zu einer regelbasierten und auf Werte begründeten Weltordnung zurückkehren können.

Ende Februar 2022 brach binnen weniger Stunden eine politische Vorstellungswelt zusammen, die selbst auf einer in die Geschichte eingeschriebenen Zäsur begründet war: nämlich der, dass nach den physischen Verheerungen und den Opferbergen des Zweiten Weltkriegs, der Krieg als Instrument politischer Willensdurchsetzung ein für alle Mal aus dem Werkzeugkasten der Politik verschwunden sei, dass nunmehr, zumindest in Europa, eine neue Zeit begonnen habe. 

Enttäuschte Erwartungen

Es gibt in der Geschichte viele Zäsuren, also Einschnitte oder Brüche, nach denen vieles anders ist als zuvor, aber wir nennen das keineswegs immer „Zäsur“ oder „Zeitenwende“. In der Regel ist die Verwendung des Zäsurbegriffs mit einer erheblichen Erwartungsenttäuschung verbunden. Zäsur heißt: Es ist etwas eingetreten, was uns überrascht hat, womit wir nicht gerechnet haben und dessen Folgen uns nicht unbedingt erfreuen. 

Wenn wir der Vorstellung anhängen, dass es einen gesellschaftlichen und moralischen Fortschritt gebe, dann bezeichnen wir Enttäuschungen dieser Fortschrittsvorstellung bevorzugt als Zäsuren. Komplementär zum Zäsurbegriff steht die (neuzeitliche) Semantik von Revolution, bei der es sich ja ebenfalls um einen tiefen Einschnitt handelt, der mit dem Revolutionsbegriff aber dahingehend gedeutet wird, dass es zu einer Beschleunigung der im Allgemeinen vorhersehbaren und von einem Teil der Kommentatoren auch erhofften Entwicklung gekommen ist. 

Das kann ein geschichtlicher Sprung sein, dessen Ergebnissen einige misstrauen, weil sie ihn für zu weit halten, etwa wenn sie von ihrer Einstellung her liberalkonservativ sind, den sie womöglich bei nächster Gelegenheit rückgängig zu machen hoffen, wenn sie konservativ-reaktionär sind, bei dem sich aber alle lange mit der Qualifikation als Zäsur zurückhalten, weil damit die Vorstellung verbunden ist, dass das so Bezeichnete irreversibel ist: Man kann es nicht rückgängig machen, sondern allenfalls flicken. Aber auch dann sind die Spuren des Bruchs immer noch zu erkennen.

Wenn alle Modelle zerschlagen werden

Mit Zäsuren verbinden wir des Weiteren die Vorstellung, sie seien überdeterminiert, also nicht die Folge eines kontingenten Geschehens, bei dem alles auch ganz anders hätte kommen können, wenn nur irgendein kleiner Fehler vermieden worden wäre. Wir konstatieren im Zäsurbegriff mehrere Faktoren, die nahelegen, dass es so wie bisher nicht weitergehen wird, und beobachten politische Akteure, die, wenn sie Herr des Geschehens sind und bleiben wollen, eingestehen, dass es so auch nicht weitergehen kann. 

Dieses Eingeständnis der Politiker ist nicht zwingend dafür, dass man von einer Zäsur spricht, aber es verstärkt die Vorstellung, dass es sich tatsächlich um eine Zäsur und nicht etwa um eine zeitweilige Unterbrechung handelt. Das ist, neben der Beschleunigung von geschichtsphilosophisch gefassten Entwicklungen, wie Fortschritt oder Niedergang, eine weitere Alternative zur Qualifizierung als Zäsur: die kurzzeitige Unterbrechung, die den Aufgeregten unter den Zeitgenossen als Zäsur erscheint, aber keine ist, weil alles nach einiger Zeit wieder seinen gewohnten Gang geht. 

Eine Zäsur, so lässt sich diese Suchbewegung präzisieren, ist etwas, das sich in den drei geschichtstheoretischen Modellen – Fortschritt, Niedergang und Kreislauf – nicht fassen lässt. Die Zäsur sprengt nicht nur die Geschichte in zwei Hälften, ein Davor und Danach, sondern zerschlägt auch die Modelle mitsamt den an sie geknüpften Erwartungen, in denen wir uns die Geschichte greifbar zu machen versuchen.

Vom Ersten Weltkrieg zur Friedlichen Revolution

Lassen sich diese allgemeinen Überlegungen zum Gebrauch eines Begriffs historisch konkretisieren, etwa an der Geschichte des 20. Jahrhunderts? Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs war sicherlich eine solche Zäsur, die eine lange Periode des wirtschaftlichen Fortschritts schlagartig beendete, eine Ära, in der zahlreiche Beobachter davon ausgegangen sind, dass es einen Absturz in einen solchen Krieg nicht geben werde, weil es ihn in Anbetracht der verheerenden Folgen nicht mehr geben dürfe. 

Im Vergleich dazu war der Beginn des Zweiten Weltkriegs eher absehbar und zugleich auch nicht in vergleichbarer Weise radikal und abrupt, weil dieser Krieg, jedenfalls in Europa, zunächst aus einer Abfolge von „Feldzügen“ bestand, die räumlich wie zeitlich begrenzt blieben. Das änderte sich erst im Winter 1941/42, aber das war dann eher ein allmählicher Übergang als ein abrupter Bruch. Eher schon war der Zerfall der Anti-Hitler-Koalition am Ende der 1940er Jahre eine Zäsur, zumal ihm die Teilung Europas und der Beginn des Kalten Krieges folgten.

Ist der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenbruch des Ostblocks als Zäsur wahrgenommen worden? Anfänglich vielleicht, aber dann setzte sich schnell die Bezeichnung „Friedliche Revolution“ durch mitsamt der Vorstellung, der 9. November 1989 sei der Endpunkt einer längeren Entwicklung gewesen, die für einige auf der Danziger Leninwerft und für andere mit Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika begonnen hatte. 

Beides lief darauf hinaus, den Zäsurcharakter der Ereignisse zumindest zu relativieren und sie in eine längere Entwicklung einzubetten, also geschichtstheoretisch zu entschärfen: Dem Anschein nach war es eine Zäsur, aber bei genauerer Betrachtung doch eher der Endpunkt einer längeren Entwicklung. Offenbar gibt es ein starkes Bestreben, Zäsuren wegzuerzählen. Sie haben etwas Schockierendes, dessen man sich entledigt, wenn man sie in Kontinuitäts- oder Entwicklungserzählungen einbettet.

Wer Zäsuren übersieht, wird überrascht

Es gibt freilich auch das genau Umgekehrte, bei dem bestimmte Ereignisse erst im Nachhinein als eine umfassende Zäsur begriffen werden, wohingegen man sie zuvor als eher beiläufig oder auch angesichts vorheriger Entwicklungen zwangsläufig angesehen hat – etwa 1917/18 den Zerfall der drei multinationalen, multilingualen und multikonfessionellen Großreiche, von denen die politische Ordnung in Ost- und Südosteuropa sowie im Nahen Osten beherrscht war: dem Reich der russischen Zaren, der Donaumonarchie der Habsburger und dem Osmanenreich. 

Man hatte die Zäsur auch darum nicht wahrgenommen, weil Lenin mit der Sowjetunion einen politischen Raum geschaffen hat, der tendenziell mit den Grenzen des Zarenreichs identisch war, weil sich aus der Konkursmasse des Habsburgerreichs einige Nationalstaaten mitsamt Jugoslawien als „Klein-Habsburg“ herausgebildet hatten und weil man die politische Ordnung des Nahen Ostens zwar für labil, aber politisch unveränderbar hielt. 

Der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens zu Beginn der 90er Jahre zeigte dann, dass der Untergang von Großreichen eben doch tiefe Zäsuren waren – die neoosmanische Politik der Türkei unter Recep Tayyip Erdoğan eingeschlossen, die wenigstens ein bisschen von der alten Ausdehnung des Osmanenreiches wieder herstellen wollte, und nicht zuletzt angesichts der umfassend angelegten aggressiven Revisionspolitik Putins. Heißt: Wer Zäsuren in der Vergangenheit übersieht oder falsch einschätzt, der wird durch jüngere Entwicklungen überrascht. Das wäre anders, wenn er die Zäsur erkannt und sie in seinen Erwartungshorizont eingestellt hätte.

Entscheidend ist Vertrauen

Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Überlegungen zum Begriff der Zäsur und einem historischen Beispiel dafür nun der zurzeit bedrängenden Frage zu, ob der Eroberungskrieg Putins gegen die Ukraine tatsächlich eine Zäsur darstellt, bei der sich ein in den drei zurückliegenden Dekaden entstandener Erwartungshorizont schlagartig in Nichts aufgelöst hat, oder ob es sich nur um einen begrenzten Rückschlag handelt, nach dem in nicht allzu weiter zeitlicher Entfernung wieder dort angeknüpft werden kann, wo sich viele vor einigen Wochen noch wähnten. 

Es handelt sich um die Vorstellung oder den Wunsch eines Fortbestehens der regelgeleiteten und wertebasierten Weltordnung, die nach dem Prinzip funktioniert, Konflikte in Kooperation, Gegensätze in konsensfähige Meinungsunterschiede und Nullsummenspiele in Win-Win-Konstellationen zu verwandeln. Eine Weltordnung, in der militärische Macht eine nachgeordnete Rolle spielt und wirtschaftlicher wie kultureller Macht das größte Gewicht im Portfolio der Machtsorten zukommt. Eine Weltordnung, in der alle diese Transformationen letztlich durch ein hohes Maß an wirtschaftlicher Verflechtung garantiert werden, weil in Gestalt dieser Verflechtung die Abhängigkeit des Einen durch die reziproke Abhängigkeit des Anderen neutralisiert wird. 

Diese wechselseitigen Abhängigkeiten sind zugleich Grundlage und Garanten gegenseitigen Vertrauens, von dem angenommen wird, es sorge dafür, dass sich in der auf Regeln und Werte gegründeten Ordnung kein Misstrauen wegen irgendwelcher unliebsamer Entscheidungen ausbreitet. Und dieses Vertrauen sorge des Weiteren dafür, dass auch keine Zweifel an der Wechselseitigkeit der Abhängigkeiten aufkommen. Ein solcher Weltordnungsentwurf ist nämlich auf generalisiertes Vertrauen gegründet.

Putin hat die neue Ordnung zerschlagen

Seit Ende Februar 2022 ist all das dahin. Binnen weniger Stunden brach eine politische Vorstellungswelt zusammen, die selbst auf einer in die Geschichte eingeschriebenen Zäsur begründet war: nämlich der, dass nach den physischen Verheerungen und den Opferbergen des Zweiten Weltkriegs, dem unbeschreiblichen Leid und dem Elend, das der von den Deutschen begonnene Krieg mit sich gebracht hatte, der Krieg als Instrument politischer Willensdurchsetzung ein für alle Mal aus dem Werkzeugkasten der Politik verschwunden sei, dass nunmehr, zumindest in Europa, eine neue Zeit begonnen habe. 

Dieser Vorstellung konnte selbst ein sich über vier Jahrzehnte erstreckender Kalter Krieg nichts anhaben: Man legitimierte die damaligen Rüstungsanstrengungen damit, sie seien eine Sicherung und Vergewisserung gegen die Führbarkeit eines Krieges. Das galt erst recht für die Zeit nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation und dem Fall des Eisernen Vorhangs, als an die Stelle des bündnispolitisch institutionalisierten Misstrauens und eines partiellen, durch ein hohes Rüstungsniveau abgesicherten Vertrauens in die Unwahrscheinlichkeit eines Atomkriegs ein generalisiertes Vertrauen trat. 

Das alles hat Putin mit seinem Angriffsbefehl gegen die Ukraine schlagartig zerstört. Das Defilee westlicher Politiker vor dem Mann im Kreml in den Wochen davor war der fast schon verzweifelt zu nennende Versuch, Putin doch noch von diesem Akt der Zerstörung abzuhalten. Er war vergeblich. Umso entschiedener und entschlossener ist die Reaktion des Westens ausgefallen, durch die dann der russische Angriff auf die Ukraine definitiv zu einer Zäsur wurde, weil er nicht mehr als eine letzten Endes doch verkraftbare Verletzung der Regeln und Werte behandelt wurde, über die man mit Stirnrunzeln noch einmal hinwegsehen wollte und hinwegsehen konnte.

Wie konnte man Putin jemals trauen?

Nach der Zäsur, dem Eingeständnis, dass es so nicht weitergehen könne und man selbst auch so nicht weitermachen wolle, stellt sich im Rückblick so manches anders da: Vieles am Handeln anderer erscheint mit einem Mal klarer und eindeutiger, als man es zuvor gesehen hatte, und auch das eigene politische Agieren und Reagieren betrachtet man kritischer, als man es zuvor getan hat. 

Man erkennt nun eine Kontinuität im militärischen Auftreten Putins vom Georgienkrieg im Jahre 2008 (man könnte auch beim zweiten Tschetschenienkrieg beginnen) über die 2014 erfolgte Annexion der Krim und die Installierung der Separatistengebiete von Donezk und Luhansk als schwärende Wunden im Osten der Ukraine, die anschließende russische Militärintervention in den syrischen Bürgerkrieg sowie die Entsendung der Söldnertruppe Wagner in die Kriege Nordafrikas bis schließlich hin zum Großangriff auf die Ukraine. Und man fragt sich mit einem Mal, wie man diesem Mann jemals hat trauen können. 

Auch das gehört zu Zäsuren: dass sie mit einer grundlegenden Revision der zuvor vorherrschenden Grundeinstellung verbunden sind. Die Auflösung des vormals bestimmenden Erwartungshorizonts hat zur Folge, dass auch, um das Begriffspaar Reinhart Kosellecks aufzugreifen, der Erfahrungsraum, auf dem dieser Erwartungshorizont begründet war, in ganz anderem Licht erscheint. Dadurch wird die Zäsur zu einem wirklich tiefen Einschnitt, und darin unterscheidet sie sich von einem Rückschlag, der sich nach einiger Zeit wieder wettmachen lässt. 

Seit Putins Angriffsbefehl und der Reaktion des Westens ist nichts mehr so, wie es war und wie wir es gesehen haben, und es wird vermutlich Jahrzehnte dauern, bis das Projekt einer regelbasierten und auf Werte begründeten Weltordnung wieder eine Chance auf politische Realisierung hat. Bis dahin wird Regelbindung und Werteorientierung ein Kennzeichen der räumlich begrenzten Ordnung Europas – und vielleicht noch einiger anderer Räume – sein.

Der Text erschien zuerst in der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte.

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Kommentare

Herfried Münkler frisiert hier Geschichte

Inzwischen räumt sogar der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kleinlaut ein, dass die Anerkennung des Kosovo und der darauf folgende Nato-Krieg gegen Serbien 1999 unter Beteiligung Deutschlands dieselbe Qualität der Rechtsverletzung hat, wie der aktuelle völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine.

Ist etwa der Angriff der Koalition der Willigen auf den Irak (basierend auf einer inzwischen hinlänglich dokumentierten Lüge) ohne jede völkerrechtliche Grundlage kein "Krieg als Instrument politischer Willensdurchsetzung"?

Und um den Historiker an die historische Korrektheit zu erinnern: Den Krieg in Georgien hat das Georgische Militär begonnen und nicht Russland. Womit ich nicht sagen will, dass Russland an dem Konflikt schuldlos war. Aber den Krieg zur Durchsetzung seiner Interessen hat eben Georgien ausgelöst. Und auch hier hatte der Westen seine Finger mit im schmutzigen Spiel.

Von daher kann man nur behaupten, dass der Krieg als politisches Mittel jetzt nach dem russischen Angriff wieder da ist, wenn man mit zweierlei Maßstäben misst.

Sie haben recht, es wird

wenn nicht jetzt schon, so doch eines Tages die Frage zu beantworten sein, wie das alles hat kommen können und an welcher Stelle des Prozessen nicht die gebotene Richtung eingeschlagen worden war.
Das rechtfertigt natürlich gar nichts, erklärt nur einiges- und es ist so, das Russland über Jahrzehnte hinweg mit Nadelstichen und auch mit Nagelstichen immer weiter zurückgedrängt wurde, so dass Putin jetzt quasi reagiert wie ein in die Enge getriebenes Lebewesen- Flucht nach vorne. Schade um die vielen Chancen, die vorhanden waren und nutzlos vertan wurden

„... frisiert Geschichte“

Ich denke, es geht Münkler um etwas anderes, als Sie vermuten: Der Putin-Krieg hat im Westen, in den Demokratien, in der BRD den Glauben an eine „regelgeleitete und wertebasierte Weltordnung“, die es aufzubauen gelte, zerstört – „die Welt“ wollte eine solche, von den USA angeführte Wertordnung ohnehin nicht.

Dass andere Kriege, die Sie aufgezählt haben, vom Völkerrecht abgedeckt waren, lese ich in seinem Text nicht.

„... frisiert Geschichte“

Ich denke, es geht Münkler um etwas anderes, als Sie vermuten: Der Putin-Krieg hat im Westen, in den Demokratien, in der BRD den Glauben an eine „regelgeleitete und wertebasierte Weltordnung“, die es aufzubauen gelte, zerstört – „die Welt“ wollte eine solche, von den USA angeführte Wertordnung ohnehin nicht.

Dass andere Kriege, die Sie aufgezählt haben, vom Völkerrecht abgedeckt waren, lese ich in seinem Text nicht.

Der Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine ist eine Zäsur

Ich verstehe nicht, warum die Redaktion solche offensichtlich von Putin-Trollen oder mindestens von Putin-Claqueuren geschriebene absonderliche Kommentare und Sichtweisen auf den Seiten des Vorwärts zulässt. Für diese Art geistiger Notdurft gibt es doch genug passende Seiten im Internet.

Herr Frey !!!

Würde ich solche ehrabschneidenden und beleidigenden Kommentare schreiben wie Sie, dann wäre die Neti schon längst eingeschritten. Ich finde es trotzdem richtig, daß ihr Kommentar hier steht, denn für unsere demokratische Kultur ist es wichtig, daß kontroverse Meinungen diskutiert werden könne; aber bitte in einem menschlicheren Tonfall.

Marketing und Heuchelei

Ich verweise sowohl den einseitig orientierten Autor als auch den argumentlosen Kommentator auf das Buch "Wozu noch tapfer sein" aus dem Jahr 1996.ISBN 3-930039-64-8
Trotz der nachvollziehbar NATOfreundlichen Gesinnung des Autors wird bereits damals die generelle Sicherheitspolitik samt Osterweiterung kritisiert und klar belegt, das man von damals GUS/Russland substanzielle Zugeständnisse forderte, selbst aber nur jederzeit relativierbare leere Versprechen geben wollte. Auch wird klar belegt, das es im Interesse Europas ist, eine Sicherheitspolitik mit Russland zu realisieren, man aber stattdessen den Interessen der NATO folgt und sich auf (militärische) Konfrontation statt internationale Diplomatie und Zusammenarbeit festgelegt hat. Die hier im Text behauptete "regelbasierte Ordnung" hat es schon damals nicht gegeben (ausser man bezeichnet Faustrecht und Doppelmoral als Regel) und sie ist bis heute - belegt durch fortwährende (Völker)Rechtsbrüche von "Wertepartnern" und ihnen genehmen Diktatoren - eine Fiktion.
Bücher haben den Vorteil, das sie nicht wie WikiBlödia zeitnah manipuliert werden können, sobald man sie erworben hat....

Wer personalisiert, disqualifiziert sich selbst.

Einen Vortrag eines Wissenschaftler kann man so nicht einleiten:

"Der Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine ist eine Zäsur und ein Augenöffner."

Tut man es doch, disqualifiziert man sich als Wissenschaftler und entwertet damit die eigenen Ausführungen.

„... disqualifiziert sich selbst“

Ich bin nicht ganz sicher, wem das „man“ gilt; sollte es Herfried Münkler sein, liegen Sie falsch!

Zäsur und Augenöffner_1

„Historische Einschnitte, Brüche, Sprunge“ sind, so (indirekt) Herfried Münkler, Zäsuren, wenn „wir“ sie so einschätzen. Was sehr beliebig, willkürlich anmutet, wird durch das Versprechen der Historiker auf Objektivität, durch Einhalten wissenschaftlicher Methodik und dem klärenden wissenschaftlichen Diskurs zur herrschenden Meinung. Darum lassen sich historische Ereignisse als Zäsuren klassifizieren und z. B. von Revolutionen unterscheiden. Münkler arbeitet sehr umfänglich solche Erkennungsmerkmale heraus, ehe er den Putin-Krieg als Zäsur bestimmen kann.

Im „Februar brach binnen weniger Stunden (die) politische Vorstellungswelt zusammen, (dass) ... Krieg als Instrument politischer Willensdurchsetzung ein für alle Mal aus dem Werkzeugkasten der Politik verschwunden sei - zumindest in Europa“. (Bei Münkler durchaus auch komplexer beschrieben.) Es folgten die bekannten „Reaktionen des Westens, durch die dann der russische Angriff auf die Ukraine definitiv zu einer Zäsur wurde“.

Verbunden mit einer solchen Zäsur ist für Münkler die Notwendigkeit, „das eigene politische Agieren und Reagieren kritischer zu betrachte, als man es zuvor getan hat“.

Zäsur und Augenöffner_2

Dabei fällt ihm „eine Kontinuität im militärischen Auftreten Putins (auf) vom Georgienkrieg im Jahre 2008 ... bis schließlich hin zum Großangriff auf die Ukraine“, die aber von der Politik nicht gesehen wurde. (Das spricht gegen die Einstufung als Zäsur.) Damit kritisiert er die reaktive deutsche Politik der letzten 20 Jahre gegenüber der Russischen Föderation, während er die agierende nicht einmal erwähnt. Das kann weder Zufall noch Versehen sein: Münkler scheut sich einfach, die Geopolitik der Bundesrepublik gegenüber der Russischen Föderation zu behandeln. Die Nato-/EU-Osterweiterung, die Östliche Partnerschaft ein „Heranrücken der westlichen Bündnisse immer näher an Russland heran“ (Blätter für ..., 3`22) als Erklärungsmöglichkeit für eine „umfassend angelegte aggressive Revisionspolitik Putins“ auch nur zu erwägen, wird bei uns gar nicht mehr zugelassen, sondern als historisch, intellektuell und moralisch „dem Putin-Narrativ aufgesessen“ diskreditiert.

Zäsur und Augenöffner_3

Münkler erkennt eine „umfassend angelegte aggressive Revisionspolitik Putins“, die er leider nur für seine Zäsur-Begriffsklärung verwendet, nicht aber für die Antwort auf die Frage, ob Putin die Nato angreifen, die Amerikaner aus Europa vertreiben und ein von Russland beherrschtes Europa anstrebt, wie der Wortgewaltige Röttgen kürzlich im Fernsehen behauptete - und das ist (fast) schon herrschende Meinung. Bundeskanzler Scholz hat gestern bei Frau Will Ähnliches angedeutet, somit jedwede Aufrüstung gerechtfertigt. Und Bundespräsident Steinmeier schwört die Bevölkerung schon mal auf „härtere Zeiten- und zwar für längere Dauer“ ein (WAZ): Zeitenwende eben. Münkler beschreibt das so: „Das Projekt einer regelbasierten und auf Werte begründeten Weltordnung (ist) seit Putins Angriffsbefehl und der Reaktion des Westens ... vermutlich (für) Jahrzehnte“ abgemeldet. Ich denke, er bedauert das (aus beiden Gründen), hat aber die Hoffnung, dass „Regelbindung und Werteorientierung ein Kennzeichen der räumlich begrenzten Ordnung Europas – und vielleicht noch einiger anderer Räume – sein“ könnte.

Es gibt keine Alternative – das aber will niemand hören.

Warteschlange

Ich komme mit der Warteschlange-Handhabung nicht mit: Wo ist mein "Zäsur und Augenöffner_2" geblieben, wo meine beiden "Antworten" von gestern?

carpe diem

, dann stellen sich solche Fragen nicht