
Die Ostermarschierer kämpfen seit 1958 für eine Welt ohne Atomwaffen. Die Schüler wehren sich gegen die Zerstörung der Welt durch Klimagifte. Doch während sich heute nur noch wenige Menschen für die Aktionen der Kriegsgegner interessieren, sieht es beim Aufstand der Kinder anders aus.
Das mag am schlechten Gewissen der Dieselfahrer und Glyphosat-Streuer liegen, vor allem aber wohl daran, dass die jungen Leute eine Form des Protests gefunden haben, die kaum Jemanden kalt lässt. Dass sie nicht brav am Wochenende, sondern während der Unterrichtszeit demonstrieren und damit Nachteile in Kauf nehmen, bringt ihnen weltweit Aufmerksamkeit. Keine Spitzenwerbeagentur hätte das besser machen können!
Ostermärsche für den Frieden
Diesen Zulauf haben die Ostermarschierer nicht mehr. Das war in den frühen Jahren ihrer Proteste noch anders. Damals, in den späten 50er Jahren, war die Angst vor einem Atomkrieg noch sehr konkret. Zwei feindliche Blöcke standen sich gegenüber und viele Deutsche fürchteten, ihr Land könne nach einer Stationierung von Atomwaffen zum Schlachtfeld eines Krieges zwischen Ost und West werden. Es waren vor allem Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Kommunisten, linke Wissenschaftler und Kirchenleute, die sich Jahr für Jahr um Ostern herum auf den Weg machten. Sie standen nochunter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und wollten eine Zukunft mit taktischen Atomwaffen verhindern. Vergeblich, denn Bundeskanzler Konrad Adenauer setzte die Stationierung durch.
Ihre große Zeit hatten die Ostermarschierer noch einmal von 1979 bis 1983, in der Zeit der Friedensbewegung, als die Deutschen hofften, die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen verhindern zu können. Bis heute lautet die Selbstverpflichtung der Atomwaffengegner: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin deshalb entschlossen, keine Art von Krieg, weder direkt noch indirekt zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Damals brachten die Ostermarschierer 300.000 und mehr Menschen auf die Beine, heute sind es eher kleine Gruppen, die immer noch unverdrossen losziehen, um für eine friedliche Welt zu werben.
Schuleschwänzen für das Klima
Heute sind die akuten Ängste andere und damit auch die Formen des Protests. Es sind vor allem Kinder und Jugendliche, die sich hinter der Schwedin Greta Thunberg versammeln und mit ihrer Aktionen für Diskussionen an jedem deutschen Stammtisch, in den Parlamenten und sogar bei den Kirchen sorgen. Die Reaktionen auf das freitägliche „Schuleschwänzen“ zeigen, wie sehr das Land sich verändert hat. Wer sich gegen die Schüler und ihre Streiks für eine radikal andere Klimapolitik stellt, wie etwa der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, kann mit Hohn und Spott einer Mehrheit rechnen. Er hatte den jungen Leuten die Kompetenz abgesprochen und tatsächlich gesagt, Klimaschutz sei etwas für Profis. Deren Bilanz ist allerdings niederschmetternd, wie heute selbst 14jährige wissen.
Einen sinnvollen Beitrag zur Debatte leistete dagegen SPD-Bundesjustizministerin Katarina Barley. Sie steht ohne Einschränkung auf Seiten der Schüler: „Solche jungen Leute wünschen wir uns.“ Und sie hat auch gleich einen Vorschlag, der bei den jugendlichen Demonstranten gut ankommen dürfte: „Wir sollten ein Wahlrecht ab 16 Jahren einführen.“
Greta Thunberg und der Papst
Wer den Schülern zuhört, ist immer wieder beeindruckt von ihrer Kompetenz in Sachen Klimaschutz. Was sie ausgearbeitet haben und nun jeden Freitag auf den Marktplätzen vieler Städte – und in mehr als hundert Ländern – fordern, hat Hand und Fuß. Die Treibhausemmissionen sind menschengemacht und immer mehr Menschen leiden darunter, werden krank, fürchten sogar den Verlust ihrer Heimat durch verheerende Dürren und den Anstieg des Meeresspiegels. Für die Schüler ist ihr Einsatz deshalb genauso Sozialpolitik wie Klimapolitik. Auf die Ermahnungen, doch lieber in ihrer Freizeit, also nachmittags und an Samstagen zu demonstrieren, reagieren sie lässig: „Wir wollen nicht für eine Zukunft lernen, die nicht lebenswert ist.“ Kühl kontern sie Vorwürfe wegen ihres allwöchentlichen Schulstreiks: „Der Klimawandel wartet nicht auf Schul- oder Studienabschluss.“ Und sie haben ja recht, wenn sie argumentieren, ohne Schulstreik hätten sie nicht die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie dringend brauchen.
Es ist interessant, welche Koalitionen es da inzwischen gibt. Die Katholische Kirche, nicht gerade als Hort von Moderne und Widerstand bekannt, steht anscheinend auf Seiten der Schüler. Die Kirche muss Anwalt der „Fridays for Future“-Bewegung sein, fordern deutsche Bischöfe. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die den Stein ins Rollen brachte, trifft den Papst.
Ganz listig argumentierte der Bamberger Bischof Ludwig Schick: „Natürlich ist auch die Schulpflicht, das Lernen und sich Bilden ein hohes Gut. Durch das entschiedene und baldige Handeln der Politiker und aller Verantwortungsträger weltweit können die Anliegen der Schülerinnen und Schüler und die Schulpflicht in Einklang gebracht werden.“