Soziale Bewegungen

Protest: Was Ostermarsch und Fridays for Future gemeinsam haben

Renate Faerber-Husemann18. April 2019
Wollen nicht für eine Zukunft lernen, die nicht lebenswert ist: Junge Menschen demonstrieren für den Klimaschutz
Ostermärsche für den Frieden – Schuleschwänzen für das Klima: Was haben Bewegungen wie die der Ostermarschierer und Fridays for Future gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten eine Menge.

Die Ostermarschierer kämpfen seit 1958 für eine Welt ohne Atomwaffen. Die Schüler wehren sich gegen die Zerstörung der Welt durch Klimagifte. Doch während sich heute nur noch wenige Menschen für die Aktionen der Kriegsgegner interessieren, sieht es beim Aufstand der Kinder anders aus.

Das mag am schlechten Gewissen der Dieselfahrer und Glyphosat-Streuer liegen, vor allem aber wohl daran, dass die jungen Leute eine Form des Protests gefunden haben, die kaum Jemanden kalt lässt. Dass sie nicht brav am Wochenende, sondern während der Unterrichtszeit demonstrieren und damit Nachteile in Kauf nehmen, bringt ihnen weltweit Aufmerksamkeit. Keine Spitzenwerbeagentur hätte das besser machen können!

Ostermärsche für den Frieden

Diesen Zulauf haben die Ostermarschierer nicht mehr. Das war in den frühen Jahren ihrer Proteste noch anders. Damals, in den späten 50er Jahren, war die Angst vor einem Atomkrieg noch sehr konkret. Zwei feindliche Blöcke standen sich gegenüber und viele Deutsche fürchteten, ihr Land könne nach einer Stationierung von Atomwaffen zum Schlachtfeld eines Krieges zwischen Ost und West werden. Es waren vor allem Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Kommunisten, linke Wissenschaftler und Kirchenleute, die sich Jahr für Jahr um Ostern herum auf den Weg machten. Sie standen nochunter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und wollten eine Zukunft mit taktischen Atomwaffen verhindern. Vergeblich, denn Bundeskanzler Konrad Adenauer setzte die Stationierung durch.

Ihre große Zeit hatten die Ostermarschierer noch einmal von 1979 bis 1983, in der Zeit der Friedensbewegung, als die Deutschen hofften, die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen verhindern zu können. Bis heute lautet die Selbstverpflichtung  der Atomwaffengegner: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin deshalb entschlossen, keine Art von Krieg, weder direkt noch indirekt zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Damals brachten die Ostermarschierer 300.000 und mehr Menschen auf die Beine, heute sind es eher kleine Gruppen, die immer noch unverdrossen losziehen, um für eine friedliche Welt zu werben.

Schuleschwänzen für das Klima

Heute sind die akuten Ängste andere und damit auch die Formen des Protests. Es sind vor allem Kinder und Jugendliche, die sich hinter der Schwedin Greta Thunberg versammeln und mit ihrer Aktionen für Diskussionen an jedem deutschen Stammtisch, in den Parlamenten und sogar bei den Kirchen sorgen. Die Reaktionen auf das freitägliche „Schuleschwänzen“ zeigen, wie sehr das Land sich verändert hat. Wer sich gegen die Schüler und ihre Streiks für eine radikal andere Klimapolitik stellt, wie etwa der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, kann mit Hohn und Spott einer Mehrheit rechnen. Er hatte den jungen Leuten die Kompetenz abgesprochen und tatsächlich gesagt, Klimaschutz sei etwas für Profis. Deren Bilanz ist allerdings niederschmetternd, wie heute selbst 14jährige wissen.

Einen sinnvollen Beitrag zur Debatte leistete  dagegen SPD-Bundesjustizministerin Katarina Barley. Sie steht ohne Einschränkung auf Seiten der Schüler: „Solche jungen Leute wünschen wir uns.“ Und sie hat auch gleich einen Vorschlag, der bei den jugendlichen Demonstranten gut ankommen dürfte: „Wir sollten ein Wahlrecht ab 16 Jahren einführen.“

Greta Thunberg und der Papst

Wer den Schülern zuhört, ist immer wieder beeindruckt von ihrer Kompetenz in Sachen Klimaschutz. Was sie ausgearbeitet haben und nun jeden Freitag auf den Marktplätzen vieler Städte – und in mehr als hundert Ländern – fordern, hat Hand und Fuß. Die Treibhausemmissionen sind menschengemacht und immer mehr Menschen leiden darunter, werden krank, fürchten sogar den Verlust ihrer Heimat durch verheerende Dürren und den Anstieg des Meeresspiegels. Für die Schüler ist ihr Einsatz deshalb genauso Sozialpolitik wie Klimapolitik. Auf die Ermahnungen, doch lieber in ihrer Freizeit, also nachmittags und an Samstagen zu demonstrieren, reagieren sie lässig: „Wir wollen nicht für eine Zukunft lernen, die nicht lebenswert ist.“ Kühl kontern sie Vorwürfe wegen ihres allwöchentlichen Schulstreiks: „Der Klimawandel wartet nicht auf Schul- oder Studienabschluss.“ Und sie haben ja recht, wenn sie argumentieren, ohne Schulstreik hätten sie nicht die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie  dringend brauchen.

Es ist interessant, welche Koalitionen es da inzwischen gibt. Die Katholische Kirche, nicht gerade als Hort von Moderne und Widerstand bekannt, steht anscheinend auf Seiten der Schüler. Die Kirche muss Anwalt der „Fridays for Future“-Bewegung sein, fordern deutsche Bischöfe. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die den Stein ins Rollen brachte, trifft den Papst.

Ganz listig argumentierte der Bamberger Bischof Ludwig Schick: „Natürlich ist auch die Schulpflicht, das Lernen und sich Bilden ein hohes Gut. Durch das entschiedene und baldige Handeln der Politiker und aller Verantwortungsträger weltweit können die Anliegen der Schülerinnen und Schüler und die Schulpflicht in Einklang gebracht werden.“

weiterführender Artikel

Kommentare

Man kann auch die Frage

Man kann auch die Frage stellen, was die Bewegung Fridays for Future mit der Plant for the Planet Foundation gemeinsam hat und lernt nebenbei auch noch den "Vorläufer" von der Greta kennen.

Klima und Ostermarsch

Der Zusammenhang ist doch ganz einfach: Greta trifft sich mit dem Papst und Heiko Maaß trifft sich mit seinen NATO Kumpels .

In Klimaschutz statt in Aufrüstung investieren

Beim Ostermarsch sollten wir "Miteinander" dafür demonstrieren, dass die Rüstungsausgaben nicht auf 2% des Sozialprodukts erhöht werden und das Geld stattdessen für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben wird.

Justizministerin Katarina Barley, Finanzminister Scholz, Außenminister Heiko Maas und andere SPD-Bundesminister sollten ihren Einsatz nicht nur auf Flyern kundtun, sondern auch bei Beschlüssen des Kabinetts entsprechend handeln, und nicht dem unfriedlichen und unökologischen Handeln der CDU-CSU-Kabinettskollegen nachgeben.

Miteinander mit Fridays-for-future und der Ostermarschbewegung!
Kein Kungeln mit dem Koalitionspartner und politischen Gegner!
Rückgrat ist gefragt!

„Die Angst vor einem Atomkrieg ...“ (1)

aber auch der noch lebendige „Eindruck des Zweiten Weltkriegs“, verbunden mit der realen Bedrohung einer „Zukunft mit taktischen Atomwaffen“, brachte die Zivilgesellschaft um Ostern auf die Straße: „Deutsche Wissenschaftler warnen vor Atombewaffnung der Bundeswehr“ (WAZ: 13.4.1957); „fast das ganze geistige Deutschland“ und Hunderttausende Bürger beteiligten sich an Demonstrationen, Schweigemärschen, Fackelzügen und Protestveranstaltungen (APO). Adenauer und vor allem Strauß aber hätten die Bundeswehr atomar bewaffnet, wäre die Nato (= USA) bereit gewesen, die Verfügung über die neu stationierten „taktischen“ Atomwaffen abzugeben. Als 1959 das Godesberger Programm die SPD vorbehaltslos auf die Westbindung, die Nato und die Bundeswehr einschwor, war das der Kurzzeittod auch für den „Kampf dem Atomtod“.
Die Zivilgesellschaft erinnerte sich aber nicht nur an den Zweiten Weltkrieg, sie sah auch voll Grauen nach Korea und Vietnam, wo die USA (Kennedy, Johnson) ganze Landstriche mit Napalm verbrannten und mit Dioxin vergifteten. Die Ostermarsch-Bewegung weitete sich aus zur „Kampagne für Abrüstung (1963) und Demokratie (1968)“ und zur deutschen Friedensbewegung.

Als Eppler-Biografin (2)

weiß Frau Faerber-Husemann natürlich, dass die Ostermarsch-Friedens-Bewegung auch gegen die Ideologie der Machtstrategen kämpfte, deren Credo die Forderung ist, nicht gegen eine reale, sondern gegen eine potentielle Gefahr sich zu schützen, durch ein militärisches Gleichgewicht als Mindestanforderung und Verhandlungen immer nur aus der Position der eigenen Stärke heraus. Das führt zu ständiger Aufrüstung. Den einseitigen Atomwaffen-Abbau bis zum „Abschreckungsminimum“ als Vertrauen stiftende Maßnahme und die rein defensive Ausrichtung der konventionellen Bewaffnung akzeptieren Machtstrategen nicht einmal als Denkansatz.
Ich hätte mir gewünscht, dass Frau Faerber-Husemann nicht nur die alten Ostermarsch-Anliegen mit den heutigen elementaren „Fridays For Future“-Bestrebungen verglichen hätte, sondern auch die SPD-Militärpolitik mit der Ostermarsch-Friedensbewegung. SPD wäre dabei nicht gut weckgekommen. Selbst einen Vergleich des politischen Ist mit dem GroKo-Soll hält die Sympathie mit der SPD nicht aus.
Ich werfe ihr zudem vor, dass sie die unterschwellige Werbung der Hardliner für massiver Aufrüstung in der Bevölkerung wohlwollend zulässt.

"unterschwellige Werbung der Hardliner für massiver Aufrüstung"

Wo sehen Sie denn eine "unterschwellige Werbung der Hardliner für massiver Aufrüstung"? Und was ist denn die "SPD-Militärpolitik"? Sie verwenden ein Propagandavokabular, das schon die SED benutzte und von DIE LINKE weiter gepflegt wird. Diese ewig Gestrigen suggerieren wie Sie, dass der vom militärisch-industriellen Komplex beherrschte Westen und die kriegslüsterne Nato eine reale Gefahr für den Frieden darstellen, die friedfertige Länder bedrohen (welche?) und vor der wir (vom wem) geschützt werden müssen. Die NATO hat mit Ihren Atomwaffen kein Land erpressen wollen (wie Ende der 70iger Jahre die Sowjetunion mit der SS 20 die europäischen Staaten). Aber im Westen konnte die Friedensbewegung ungehindert demonstrieren, in der Sowjetunion, von der der Erpressungsversuch ausging, und der DDR allerdings nicht.

"unterschwellige Werbung der Hardliner für massiver Aufrüstung"

Ich finde es etwas eigenartig, dass diese Polemik gegen manche kritischen Kommentare nicht als Verstoß gegen die Netiquette von der Redaktion gelöscht werden so wie es bei anderen Kommentatoren, z.B. gegenüber Karin Merding oder mir gehandhabt wird.

Zitat von Franklin D.

Zitat von Franklin D. Roosevelt: "In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, dass es auf diese Wese geplant war."

Netiquette

Eigentlich will ich Dir ja Recht geben, aber wollen wir das doch lieber im Sinne der Freien Meinungsäußerung hinnehmen, denn es zeigt deutlich wie das mit der Meinungsfreiheit im vorwärts aussieht.

Netiquette

Wo sehen Sie denn einen konkreten Verstoß gegen die Netiquette?

Netiquette

Vorwürfe wie "Sie verwenden ein Propagandavokabular, das schon die SED benutzte..."und "Diese ewig Gestrigen suggerieren wie Sie, dass der vom militärisch-industriellen Komplex beherrschte Westen und die kriegslüsterne Nato eine reale Gefahr für den Frieden darstellen, die friedfertige Länder bedrohen (welche?) und vor der wir (vom wem) geschützt werden müssen" oder

"Das können DIE LINKE und Sie ihm einfach nicht verzeihen sondern sprechen von Verrat und produzieren ständig neue Fake-News zu diesem Thema.", wenn ich das Verhalten von Noske, das ich zum z.B. aus der "Chronik der Deutschen Sozialdemokratie" von Osterroth und Schuster entnommen habe und offziell unbestritten ist, als Fake-News hingestellt wird.

Gegenüber Karin Werding wurde vorgeworfen, "hat auf der Seite des "Vorwärts" nichts verloren. Für "Karin" ist RT die geeignete Plattform für Ihre platten Beiträge."

In dieser Weise hat sich kein Kommentator bisher dem Verfasser solcher Ausdrücke geäußert

Polemik gegen manche kritischen Kommentare?

Der ganze von mir kritisierte Kommentar stellt eine einzige Polemik dar. Es wird ebenso kein Beweis erbracht für die angebliche "massive Aufrüstung" und "ständige Aufrüstung" in der Bundesrepublik und auch nicht erklärt, was denn die "SPD-Militärpolitik" sein soll. Sie polemisieren mit einigen anderen, die sich als Sozialdemokraten bezeichnen, ständig gegen die SPD, unser Land und die Nato. Ich kann Sie mit Ihren einseitigen Kommentaren und Polemiken nur als Trolle aus der Ecke Putin/AfD/Die Linke verorten. Dort und bei RT kann man den Tenor Ihrer Kommentare im Orginal lesen und hören.

Wie auch immer...

...es ist traurig und beschämend wie eine überwiegend testosterongesteuerte Kaste aus Politik und Wirtschaft erst durch die sehr mutige Initiative einer jungen Frau und die dadurch ausgelöste Empörung einer "verlorenen" Generation  allmählich, aber viel zu langsam, in die Puschen kommt. Komplett versagt haben, angesichts der mehr als bedrohlichen  Fakten, die uns die Wissenschaft seit langem liefert, nicht nur die überwiegende Mehrheit der gewählten Politiker/innen, sondern auch viele, viele der demokratisch gewählten bzw. beruflich eingesetzten Mahner/innen (die doch immer wieder einknickten vor einer Politik die uns grenzenloses Wachstum als "Politik der Mitte und Vernunft" verkaufen will und damit eine dekadente, größenwahnsinnige Lebens- und Wirtschaftsweise weiter anheizt) ! Am Ende machen sich natürlich auch die Generationen schuldig, die solchem Tun auf den Leim gehen bzw. die diese Leute im Sattel der politischen und witschaftlichen Verantwortung(slosigkeit) halten !!!