Kommentar zum bayerischen Polizeirecht

Warum Präventivhaft für „Klima-Kleber*innen“ unverhältnismäßig ist

Christian Rath28. November 2022
Aktion für Tempo 100: Aktivist*innen vor dem Bundesverkehrsministerium (2022)
Aktion für Tempo 100: Aktivist*innen vor dem Bundesverkehrsministerium (2022)
Darf die bayerische Polizeit Aktivist*innen der „Letzten Generation“ in Präventivhaft nehmen oder handelt es sich hierbei um eine Fehleinschätzung des Polizeirechts? Christian Rath meint, hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

In München wurden 13 Aktivist*innen der „Letzten Generation“ aus dem Präventivgewahrsam entlassen – aber leider nicht, weil die bayerische Polizei die Rechtswidrigkeit der Verhaftungen eingesehen hat, sondern nur weil die Gruppe ihre Blockaden für eine Woche aussetzte. Das Problem ist also nicht gelöst, nur verschoben.

Mit Kanonen auf Spatzen geschossen

Auf den ersten Blick war zwar rechtlich alles in Ordnung. Die Inhaftierten hatten bisher angekündigt, sie würden sofort neue Straßenblockaden, also Straftaten, begehen. Und das bayerische Polizeirecht erlaubt, Personen zur Verhinderung angekündigter Straftaten bis zu 60 Tage in Gewahrsam zu nehmen.

Allerdings ist die Präventivhaft im Fall der Klima-Kleber*innen unverhältnismäßig. Hier wird Freiheitsentziehung angeordnet, um Straftaten zu verhindern, für die bisher ausschließlich Geldstrafen verhängt wurden. Hier wird also mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Die Justiz ist bisher aber nicht in der Lage, diese Fehleinschätzung der bayerischen Polizei zu korrigieren. Das Münchener Amtsgericht, das die Anordnungen laut Gesetz bestätigen muss, nickt sie bisher standardmäßig ab. Und die Aktivist*innen verzichten aus Prinzip auf Rechtsmittel zum Landgericht. Sie hatten ihren Gefängnis-Aufenthalt längst zum „Mahnmal“ hochstilisiert.

Entschärfung des bayerischen Polizeirechts notwendig

Zum Glück ist es aber auch in diesem Konflikt möglich, die Verhältnismäßigkeit durchzusetzen. So sind am Bayerischen Verfassungsgerichtshof mehrere Klagen gegen die 2018 verschärfte Regelung im Polizeiaufgabengesetz anhängig. Hier könnte der Gerichtshof auch klarstellen, dass Präventivhaft nur zur  Abwehr von Taten angeordnet werden darf, die im konkreten Fall wohl mit Freiheitsstrafe geahndet werden.

Das Gleiche könnte auch im nächsten Koalitionsvertrag nach den bayerischen Landtagswahlen im Oktober 2023 stehen. Schließlich wird die CSU auch in der kommenden Wahlperiode auf einen (mäßigenden) Koalitionspartner angewiesen sein.

Die bayerische Überreaktion auf die Blockaden der „Letzten Generation“ hat also auch ein Gutes: Sie erleichtert eine Entschärfung des maßlosen bayerischen Polizeirechts.

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Kommentare

das kann man uneingeschränkt so sagen, wenn auch

Bayern sich damit leichten Fußes des Problems entledigt- die Klimat....gehen dann eben nach Berlin- irgendwohin außerhalb Bayerns. Sollen die sich drum kümmern, sagt man dann in BY, und fährt gut damit, so scheint es- wenn auch unter dem Gesichtspunkt der Solidarität....

Präventivhaft

Das ist mal wieder typische CSU-Politik. Nicht die Verursacher werden bestraft, sondern diejenigen sollen bestraft werden, die für die Zukunft der Menschheit kämpfen.

Eigentlich sollte man Söder in Präventivhaft nehmen solange, bis er seine Spezis, die für die Klimakatastrophe verantwortlich sind, zu einer Änderung ihrer Handlungsweisen gebracht hat. Aber dies wird er wiederum nicht tun, weil diese seiner Partei Spenden zuführen, um in Ruhe gelassen zu werden.

da kann ich nur empfehlen, Ruhe zu bewahren, denn ein Anliegen

und die Art der Durchsetzung wird ja nicht dadurch legitimiert, dass ich es teile- was hier ausdrücklich der Fall wäre.
Die gleich Sorge, die die so genannten Klimaaktivisten umtreibt und zu den Maßnahmen greifen lässt, haben andere Menschen in Bezug auf andere Entwicklungen. Dürfen die auch, was Sie den Klimaaktivisten zubilligen. Wie weit gehen Sie? Dürfen - um eine Beispiel zu nehmen, auch die wegen des Islam beunruhigten Menschen zu solchen Maßnahmen greifen? Dass diese sich um die Zukunft des Landes Sorgen machen (berechtigt oder nicht, wer darf das entscheiden?), ist ja nicht zu bestreiten. Also, gleiches Recht für alle, oder nur für die, die deren Meinung ich teile, das ist hier die Frage, und der können wir nicht ausweichen. Nun bin ich gespannt, ob ich das hier sagen durfte, und wie die Antwort ausfällt

da kann ich nur empfehlen, Ruhe zu bewahren, denn ein Anliegen

Zur Klarstellung gestatte ich mir den Hinweis, dass ich die Aktionen nicht unbedingt für sinnvoll halte, da sie dem Ziel des Klimaschutzes eher schaden als nutzen, weil sich viele Autofahrer, die zu Fahrten zu Terminen o.ä. auf ihr Auto angewiesen sind, dieses Verhalten verurteilen.

Und die Hauptverursacher werden sich keinen Deut um diese Aktionen scheren und das Klima mit der Produktion von SUV's und anderem Unsinn weiterhin zerstören.

Allerdings bin ich gegen ein höheres Strafmaß gegen die Klimaaktivisten, denn die Vorschriften des StGB reichen aus, finden idR Anwendung und werden auch von den Klimaaktivisten akzeptiert.

Aber ich finde es ungerecht, dass diese Leute, die sich für die Zukunft der Menschheit einsetzen, nach Meinung von Söder & Co. schlimmer bestraft werden sollen, während die Verursacher der Klimaschäden nicht belangt werden und sich dazu freikaufen können.

wenn ich Sie richtig verstanden haben, dürften auch die

Pegida Leute zu solchen Maßnahmen greifen, um die gleichen Handlungen mit dem gleichen , vorhandenen Strafrahmen würdigen zu lassen. Na denn man zu, es finden sich sicher noch andere mit zukunftsbesorgten Gründen - zB die Schafhalter, denen der Garaus gemacht wird durch die ausufernde Wolfspopulation- Schafhaltung künftig nur noch in Ställen- das abzuwenden dürfte ebenfalls solche Klebeaktionen rechtfertigen, und wenn die Not groß und die Strafandrohung gering ist, dann kann man ja mal loslegen und sehen, wie die Sache sich insgesamt entwickeln wird