Kohlmann verspricht "ein biographisches Portrait von Franz Müntefering mit dem Schwerpunkt auf seinem Auf- und Abstieg". Nach einer kurzen Passage über den Menschen Franz Müntefering stellt
der Autor das politische Leben des Politikers in drei Phasen vor: sein Wirken in der nordrhein-westfälischen SPD, der langjährige bundesweite Aufstieg des Sozialdemokraten sowie sein
vergleichsweise kurzer Abstieg.
Der Mensch hinter dem Politiker
"Mensch Müntefering" ist der politischen Biografie voran gestellt. Wirklich Entscheidendes über den Menschen hinter dem Politiker erfährt der Leser hier nicht. Kurze Szenen beschreiben
Wahlkampfauftritte oder die Interviewsituation mit dem Autor: Müntefering wirke "steif" und "etwas distanziert". Weggefährten wie Hubertus Heil kommen zu Wort. Dieser berichtet, dass Müntefering
"ruhig wird und schweigt, wenn er sauer ist." Ein Eindruck des Menschen Müntefering entsteht nur scheinbar. Ansonsten bleibt er der, als den ihn der Autor in einer Zwischenüberschrift betitelt:
der Undurchsichtige.
Die frühen Jahre
Es folgt ein kurzer Abriss des vorpolitischen Lebenslaufs. Außerdem eine Antwort auf die Frage, warum Müntefering - selbst aus einem konservativ-katholischen Elternhaus - 1966 SPD-Mitglied
wird: Er wolle dafür kämpfen, "dass sich die Menschen auf gleicher Augenhöhe begegnen, unabhängig von ihrer Herkunft". Hier beginnt die politische Biografie. Faktenreich lernt der Leser
"wesentliche Bausteine" von Münteferings Karriere kennen. Der Sozialdemokrat ist zunächst kommunalpolitisch, später landesweit in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen aktiv.
Aufstieg zum Höhepunkt des Erfolgs
1975 wird Müntefering bundespolitisch aktiv. Für einen ausgeschiedenen Genossen rückt er als Abgeordneter in den Bundestag nach. Es folgen mehr als vierzig Jahre in denen er fast jedes Amt
innehat, "das man als 'Spitzengenosse' ausführen kann." Ob Bundesgeschäftsführer, Bundesgeneralsekretär oder Fraktionsvorsitz - bei jeder neuen Amtsübernahme fällt auf, "dass er sich nicht darum
gerissen zu haben scheint." Stattdessen wird er darum gebeten - viele sehen in ihm "die Hoffnung, dass er die Flügel der Partei wie kein anderer einen könne".
Abstieg
Mit einem beachtlichen Ergebnis wird Müntefering auf einem SPD-Sonderparteitag 2004 zum Bundesvorsitzenden gewählt. Kohlmann sieht in dieser Amtsübernahme jedoch den Beginn des politischen
Abstiegs. Einerseits schafft es Müntefering, eine gewisse Zeit lang als "Dreifach-Loyaler" zu wirken - loyal gegenüber Fraktion, Parteibasis und Bundeskanzler Gerhard Schröder. Andererseits
werden Entscheidungen von oben nach unten zur Gewohnheit. Der große Zuspruch, den Müntefering regelmäßig erlebt, "schien für ihn bald Gesetzmäßigkeit". Das habe zwangsläufig dazu geführt, dass er
sich immer weiter von der Basis entfernte.
System Müntefering
Im letzten Abschnitt äußert sich der Autor kritisch über das "System Müntefering", bestehend aus einer "Boygroup" um den Politiker herum. Entscheidungen werden im kleinen Kreis getroffen,
"der Kontakt zu den anderen Protagonisten immer mehr vernachlässigt oder nicht gesucht".
Die politische Karriere Münteferings wird umfassend mit vielen Details und Zahlen erzählt. Der Mensch Müntefering bleibt unklar, lässt sich oft nur erahnen. Das Buch wird also seinem
Untertitel gerecht, der nicht mehr, aber auch nicht weniger verspricht als "eine politische Biographie".
Sebastian Kohlmann: "Franz Müntefering. Eine politische Biographie", ibidem Verlag, Stuttgart 2011, 308 Seiten, 29,90 Euro, I
SBN 978-
3-8382-0236-5