Grundeinkommen

Philip Kovce: „Es ist sozial, Arbeit abzuschaffen.“

Kai Doering15. Oktober 2015
Philip Kovce
Streiter für ein bedingungsloses Grundeinkommen: Philip Kovce
Cover Grundeinkommen
Philip Kovce kämpft für das bedingungslose Grundeinkommen. Auf der Frankfurter Buchmesse diskutierte er am Mittwoch darüber mit SPD-Vize Ralf Stegner. Im Interview mit vorwärts.de sagt Kovce, warum es sozial ist, Arbeit abzuschaffen – und warum das Grundeinkommen eine Chance für die SPD ist.

In Ihrem Buch „Was fehlt, wenn alles da ist?“ schreiben Sie: „Sozial ist nicht, wer Arbeit schafft, sozial ist, wer sie abschafft“. Ist das Ihr Ernst?

Das ist natürlich zugespitzt formuliert, aber durchaus ernst gemeint. Wer arbeitet, tut etwas für andere. Wenn ich Arbeit von anderen in Anspruch nehme, tun sie also etwas für mich. Und wenn ich andere in Anspruch nehme, sollte ich mit ihnen angemessen umgehen. Ich sollte darauf achten, ihnen möglichst wenig Arbeit bloß um der Beschäftigung willen aufzuhalsen. Wenn ich ihnen Arbeit erspare, können sie die Zeit nutzen, um anderes zu tun. Deshalb ist es sozial, Arbeit abzuschaffen. Arbeit muss nicht gesichert, sondern erledigt werden. Selbstverständlich stellt sich dann die Frage, wie wir unseren Lebensunterhalt sichern, wenn das Einkommen noch immer an die Erwerbsarbeit geknüpft ist.

Sie plädieren für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Kann es das von Ihnen beschriebene Dilemma lösen?

Aus meiner Sicht stellt das bedingungslose Grundeinkommen die richtigen Fragen. In der arbeitsteiligen Gesellschaft leben wir von den Leistungen anderer. Gleichzeitig leisten wir für andere. Ich kann mit den Ressourcen der anderen nur dann sinnvoll umgehen, wenn sie nicht ihre Existenz ausgerechnet dadurch sichern müssen, dass sie sich für mich – oftmals sinnlos – verausgaben. Das Grundeinkommen setzt genau hier an: Es würde im Bereich der Existenzsicherung das Einkommen bedingungslos werden lassen. Jeder braucht ein Einkommen, um zu überleben. Es lohnt sich gar nicht, das zu überprüfen. Deshalb wäre es gut, die Existenz jedes Einzelnen dank eines bedingungslosen Grundeinkommens zu garantieren.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Menschen das Grundeinkommen dankend annehmen und danach gar nicht mehr arbeiten?

Ich habe bisher nicht beobachtet, dass jemand, der tun kann, was er will, nicht arbeitet. Ich beobachte eher, dass jemand, der bloß tut, was er muss, Tätigkeit zu simulieren beginnt und nur noch dem Anschein nach arbeitet. Das Grundeinkommen fördert keine Hängemattengesellschaft. Die Hängematten spannen wir heute im Büro auf, indem wir Fleiß vorgaukeln, selbst wenn der Sache nach längst Freizeit anstünde. Wenn ich ein Grundeinkommen beziehe, werde ich nur dann tätig, wenn ich mich für die Sache, die ich tue, begeistere. Und begeistern kann ich mich meistens dann, wenn es für das, was ich tue, tatsächlich einen Bedarf gibt – das reicht vom Toilettenputzen bis hin zum Romanschreiben. Positiver Nebeneffekt wäre, dass Jobs wegfallen könnten, die tatsächlich unnötig oder besser von Maschinen zu erledigen sind.

Die SPD tut sich als Partei der Arbeit mit solchen Thesen schwer. Was raten Sie ihr?

Für die SPD ist das bedingungslose Grundeinkommen eine große Chance. Die Partei hat in den vergangenen 150 Jahren gemeinsam mit der Arbeiterbewegung viel erreicht. Wenn es der SPD jetzt gelänge, die Frage der menschlichen Arbeit von der Frage der bloßen Erwerbsarbeit zu lösen, würde sie einen riesigen Innovationsschritt machen. Insofern die SPD den Umgang mit Arbeit zu ihren Kernaufgaben zählt, ist sie für die Unterstützung des Grundeinkommens eigentlich prädestiniert. Uns wird die Arbeit an sich niemals ausgehen. Bei der reinen Erwerbsarbeit sieht es jedoch anders aus. Wer in Zukunft nur noch intelligentere Ausbeutungsprogramme der Erwerbsarbeit etabliert, bemerkt gar nicht, dass er sich selbst den Boden unter den Füßen wegzieht und die Errungenschaften des Sozialstaats aufs Spiel setzt.

Das Buch

Cover Grundeinkommen
Im kommenden Jahr entscheiden die Schweizer per Volksabstimmung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Philip Kovce hat zusammen mit dem Schweizer Unternehmer Daniel Häni das Buch dazu geschrieben.

Der Titel: Was fehlt, wenn alles da ist? Warum das bedingungslose Grundeinkommen die richtigen Fragen stellt (ISBN 978-3-280-05592-2, 19,90 Euro)

Grundeinkommen – Utopie oder Zukunftskonzept?

weiterführender Artikel

Kommentare

SPD-Kreisverband beschließt »Solidarisches Grundeinkommen«

Die Projektgruppe »Grundeinkommen« der Rhein-Erft-SPD hatte bereits 2010 dem SPD-Kreisvorstand einen Antrag »Solidarisches Grundeinkommen« mit konkreten Überlegungen zur Finanzierung und Einführung vorgelegt.

Der Antrag wurde auf einem Mitglieder-Parteitag des SPD-Kreisverbandes Rhein-Erft beraten, anschließend zur Abstimmung gestellt und nach intensiver Diskussion mit großer Mehrheit beschlossen.

Die Projektgruppe »Grundeinkommen« hatte außerdem in einem Dialog-Papier die häufigsten Einwände und Fragen sowie die Antworten darauf aus den Diskussionen mit den Ortsvereinen im Rhein-Erft-Kreis zusammengefasst.

http://bgekoeln.ning.com/profiles/blogs/modell-fuer-ein-solidarisches

Charmante Idee

Null Kommentare-was ist los? Dabei handelt es sich zweifellos um eine charmante Idee, ich stimme vorbehaltlos zu. Dann könnte sich mein JoJo endlich bedingungslos auf sein Studium konzentrieren und zügig zum Abschluss kommen.
Aber was sagt die Oberschicht dazu, gibt es entsprechende Erhebungen? Schließlich arbeitet nicht einer für den anderen und umgekehrt. Sondern primär arbeiten die einen zunächst für den Wohlstand der Oberschicht. Wie sonst ließen sich die gewaltigen Vermögensunterschiede erklären? Das ganze Ding kann nur funktionieren, wenn die Oberschicht wegen Saturiertheit freiwillig verzichtet.

Skeptisch

Haben wir mit dem ALG2 nicht ein Grundeinkommen, dessen einzige Bedingung ist, dass man sonst nichts hat? Welches Sinn hat es, das auf Menschen auszuweiten, die schon Geld haben?

Unser Sozialstaat mag ja nicht perfekt sein, aber ihn zwecks Finanzierung des Grundeinkommens abzuschaffen bedeutet, die Menschen mit Geld abzuspeisen: "Hier sind 1000€. Mach was draus. Die Gesellschaft hat damit ihr Soll erfüllt. Wer es dann nicht schafft, ist selbst Schuld."

Oft geht das BGE einher mit der Abschaffung aller Steuern bis auf die Mehrwertsteuer usw. Um das durch den "Bürokratieabbau" zu finanzieren.

Deswegen tut sich die SPD schwer damit. Es überlässt die Menschen sich selbst und nimmt die Gesellschaft aus der Verantwortung.

Noch skeptischer

Logisch! Auf einen Schlag wird es keine Polizei, keine Ärzte, keine Feuerwehr und schon gar keine Freiwillige Feuerwehr mehr geben - hat sich dann alles mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen erledigt.
Bloss dass schon heute viele Pflegekräfte kaum bezahlt werden und sich dennoch mit ganzer Seele für ihren aufreibenden Beruf einsetzen (wie man im Übrigen auch ähnlich bei vielen ehrenamtlichen Stellen beobachtet.)
"Wer es dann nicht schafft, ist selbst schuld." -Ein Problem heutiger Perspektive - oder sollte ich sagen Perspektivlosigkeit? Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen würde es das so nicht geben. Die Menschen müßten ihr Einkünfte nicht mehr so bloßlegen, jemand mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen wäre wie ehemals ein Hartz-4-ler nichts Besonderes mehr, er nähme nicht an abertausenden sinnlosen Maßnahmen teil - ergo würde man auch niemandem Schuld zuweisen oder ihn zum Versager stempeln.
Es ist ja umgekehrt gerade heute der Fall. Wer in Hartz 4 steckt, muß alles in einer geheimen Atmosphäre über sich ergehen lassen, um welche herum ein Wall der Angst errichtet worden ist. Die Langzeitarbeitlosen sind jeglicher wirklichen Zukunftaussichten völlig enthoben!

"Haben wir mit dem ALG2 nicht

"Haben wir mit dem ALG2 nicht ein Grundeinkommen" .... hihihihihi
Ja, auf Tahiti kann man damit überleben.

Man muss aufpassen,

dass ein BGE nicht eben schlecht Qualifizierte, Kranke, Behinderte und andere Menschen mit sogenannten 'Hemmnissen' dauerhaft ausschließt vom Arbeitsmarkt.

Es müsste also eine Reduzierung der Arbeitszeit erfolgen, Bildung jeder Art muss kostenlos sein, Mindestlohn muss erhöht werden.

Ist das BGE nicht nur ein Versuch der Wirtschaft, möglichst billig davonzukommen, die Sozialversicherungen abzuschaffen, soziale Verantwortung abzustreifen?

Wenige werden arbeiten dürfen, die meisten nicht oder nur für Peanuts...

1000 € sind ohnehin zu wenig. Da ist doch eine sanktionsfreie, kulturtaugliche Mindestsicherung nach realistischem Warenkorb besser...

Zu "Man muß aufpassen..."

Wo leben Sie? Schlecht Qualifizierte, Kranke, Behinderte und andere Menschen mit sog Hemmnissen
- sind größtenteils schon ausgeschlossen vom Arbeitsmarkt und dürfen in einer Art Parallelwelt dahinvegetieren..
- werden zu einem nicht unerheblichen Teil erst vom jetzigen System zu Menschen mit HEMMNISSEN gemacht (das sich dabei sehr erfinderisch zeigt)
DIES System will sie nicht. Sie passen dort nicht hinein.

ALG2 ist alles andere als

ALG2 ist alles andere als Bedingungslos. Du musst dich bewerben, du musst regelmässig zu Terminen, du musst zu Beschäftigungsprogrammen, du musst den Antrag regelmässig erneuern, du musst erst dein ganzes Geld aufbrauchen, du musst all deine Finanzen offenlegen, du musst ...
Bedingungslos ist der grosse Unterschied.

bedingungsloses Grundeinkommen

Das bedingungslose Einkommen ist nicht nur ein tolles, sondern ein dringend erforderliches Ziel (- und nat. schon längst überfällig!). Es ist höchste Zeit, dass die "legale" organisierte Kriminalität endlich ein Ende nimmt. Allerdings wird die Einführung des Grundeinkommens allein, nicht viel an diesem barbarischen, inhumanen, unsozialen, verdorbenen System ändern. Es müsste sich einfach (rapide!) alles ändern. (Dann haben wir auch im Nu eine friedliche, soziale, glückliche Gesellschaft (oder besser gesagt dann: eine Gemeinschaft). Viele Berufe wären somit logischerweise überflüssig (u.a. RA; Richter; Generäle; etc.) - übrigens, arbeiten Feuerwehrleute in der Regel nicht ehrenamtlich? (und werden ggf. nur bei Einsätzen entschädigt)? - diese Menschen (Personen, die ea. arbeiten, und, wie in diesem Fall, sogar ihr Leben auf eine solche Art u. Weise riskieren) - die so viel Gutes für die ´Gemeinschaft´ tun, verdienen doch in erster Linie ein unbeschwertes Leben. (Und auf diese Menschen wird man sicherlich auch weiterhin zählen können - diese Menschen werden weiterhin zu Hilfe kommen - denn sie machen es nicht wegen des Geldes, sondern weil sie dazu berufen sind).

Und im Bezug auf die Menschen

Und im Bezug auf die Menschen mit Behinderung, ist soviel zu sagen:
Viele von ihnen sind sehr gut ins Berufsleben integriert; sind sehr fleißig, zuverlässig, und sehr (für das Wohlergehen ihrer Mitmenschen) engagiert. Diese Menschen sind oft Vorbilder in unserer Gesellschaft.
Zu der "Oberschicht" ist dagegen soviel zu sagen: Natürlich sind sie strikt gegen ein Grundeinkommen (das sind doch in der Regel armselige, verlorene, auf vielen Ebenen unentwickelte Seelen, die in Wirklichkeit, nicht wissen, was richtig, notwendig und sinnvoll ist). Mich wundert´s nur, dass sie so sehr manipulierbar sind, und v.a. dass sie immer mehr egoistischer und gieriger werden. Am 23. März, machte der Gegner (Herr D. E.) in der Stern tv-Talk Show folgende Aussage: "Ich glaube nicht, dass die Rentner, die eine hohe Rente erhalten, sich über ein bedinungsloses Grundeinkommen in Höhe von ´nur´ Euro 1000,00 freuen werden". Anscheinend ist eine weitere Ungerechtigkeit in hohem Maße geplant. Also, wie kann es angehen, dass das bedingungslose Grundeinkommen das Arbeitslosengeld; Kindergeld und die Renten ERSETZEN(?) soll, aber die Superverdiener bzw. die "Oberschicht" noch extra zu ihren ...

... zu ihren

... zu ihren überdimensionalen Gehältern (und all den angehäuften Reichtümern) noch 1000,00 Euro monatl. oben drauf bekommen sollen. Es kommt immer wieder vor (meistens in den Talk-Shows), dass die Besserverdiener/die "Reichen/ "Oberschicht/ großen Egoisten" in erster Linie an sich denken und "empört" fragen: "Wie? Ich soll also zu meinem Gehalt noch 1000,00 Euro extra bekommen?". Nein. Natürlich nicht. Nur ausschließlich das/ein entsprechendes Grundeinkommen sollte jedem einzelnen Menschen gezahlt werden (- dabei müssen Kinder ein Existenz-Grundeinkommen in der selben Höhe, wie die Erwachsenen erhalten - ohne Abstriche. Denn die ´Ansprüche´ eines Kindes sind normalerweise viel höher; die Versorgung viel aufwendiger/anspruchsvoller - und somit auch teurer, als die eines Erwachsenen). In einem sozialdemokratischen Land sollte die Bevölkerung über einzelne Gesetze abstimmen (und nicht irgendwelche Parteien). Hier kann man ruhig die Schweiz als bestes Beispiel/ Vorbild nehmen.(Selbstverständlich ohne Manipulationen). Um ein wirklich sozialdemokratisches System zu erzeugen, muss (nicht das Geld), sondern die Wahrheit; Transparenz und die Gerechtigkeit hohe Prioritäten haben.

Super

Find ich super!

SPD verweigert Anerkennung gemeinnütziger Arbeit als Arbeit,

sie realisiert auch kein bedingtes Grundeinkommen für die, die im Bereich Soziales, Umwelt, Kunst und Kultur respektiert arbeiten. Die Mindeststundenzahl könnte sich am Stundelohn om Öffentlichen Dienst orientieren, ein Ombudsrat Entscheidungen treffen.