Samirah Kenawi „Falschgeld"

Das Phantom der Wirtschaft

Dorle Gelbhaar12. April 2010

Wer frohgemut dem Titel des Buches "Falschgeld" folgt und genüsslich nachlesen will, wo und wie auf der Welt gefälschtes - also nachgemachtes - Geld in Umlauf gebracht wurde und wie mehr oder
weniger geniale Kripo-Leute den Verbrechern auf die Spur kamen, der ist eventuell erst einmal enttäuscht. Diese Erwartungshaltung bedient das vorliegende Buch nicht. Es handelt sich vielmehr um
ein Sachbuch zum Themenkomplex der durchaus legalen Finanzwirtschaft. Die Autorin Samirah Kenawi, eine deutschen Feministin, Naturwissenschaftlerin und Ökonomin beschäftigt sich mit Geldumläufen
und Steuerungsmethoden und mit den Interessen derer, die von den jeweiligen Methoden profitieren.

Hundertprozentiges Kreditgeldsystem

Beispielsweise spricht Kenawi von der "gigantische(n) Vermehrung wertlosen Geldes durch Kauf wertloser Wertpapiere". Diese dienten den Profitinteressen von ihr Geld in der Realwirtschaft
zirkulieren lassenden Eigenkapitalbesitzern. Bei unserem Geldsystem, so Kenawi, handele es sich um ein hundertprozentiges Kreditgeldsystem, weshalb Bankenforderungen nach Eigenkapitalbildung von
Unternehmern problematisch wären. Vielmehr könnte die Anhäufung großer Geldvermögen den Wirtschaftskreislauf immens schädigen, wenn etwa die Eigenkapitalbesitzer ihr "zu Lasten fremder Schulden
privatisiertes Geld" aus den Unternehmen und damit aus dem realen Wirtschafts-Kreislauf lösten.

Kenawi bleibt nicht bei der Analyse der Prozesse und ihrer Steuerung stehen, sondern hat ganz konkrete Empfehlungen. Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob die Zurückdrängung der den
Unternehmen gestellten Eigenkapital-Forderung nicht die Abhängigkeit von den Banken über Gebühr stärken würde. Unmittelbar einleuchtend (und übrigens mit den Forderungen der OECD an Deutschland
übereinstimmend) erscheint hingegen die Forderung der Autorin nach einer Stärkung des Binnenmarktes.

Die Tiefen und Untiefen des Marktes

Dem Buch ist eine Kurzfassung vorangestellt. Das ist ebenso verdienstvoll wie das korrekte Ausloten all der Zusammenhänge und Prozesse, die den Finanz- und Wirtschaftsmarkt in Gang halten.
Es braucht einen langen Atem, in die Tiefen und Untiefen dieses Wesens einzutauchen. Aber jedermann hat so die Möglichkeit, frei zu entscheiden, inwieweit sie oder er die allgemeinen, aktuellen
und geschichtlichen Ausführungen zu Umschuldung, Staatsverschuldung oder Entschuldung, zu Kreditkreisläufen u.Ä. en bloc durchliest oder über einen längeren Zeitraum so durchforstet, dass aus
Unkenntnis Kenntnis entsteht und die zunächst einmal lediglich wahrgenommenen Aussagen kritisch überprüft werden können.

Das Buch ist so gegliedert, dass der Leser / die Leserin sich fachliches Wissen Stück für Stück aneignen kann. Dabei kann er / sie immer wieder zu den vorangestellten Thesen zurückkehren
und sich dazu positionieren.



Geldumlaufprozesse und Finanzblasen


Die Autorin hat sauber recherchiert, wie Geldumlaufprozesse heute funktionieren. Davon legen nicht nur das Glossar, in dem Wirtschafts- und Finanzbegriffe sorgfältig erläutert werden, das
Literaturverzeichnis und auch das ausführliche Personen- und Sachregister Zeugnis ab. Wer nicht nur an Schlagzeilen interessiert ist, sondern schon immer verstehen wollte, wie es zu den vielfach
existenzgefährdenden "Finanzblasen" kommt, der kann sich hier Wissen über Zusammenhänge verschaffen, ohne das solches kaum möglich ist.

Samirah Kenawi "Falschgeld. Die Herrschaft des Nichts über die Wirklichkeit", EWK-Verlag Kühbach-Unterbernbach, Berlin, 2009, 312 Seiten, 18,80 Euro, ISBN 978-3-938175-49-1

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