„Pegida ist ein Phänomen, das ernst zu nehmen ist und das sich seit geraumer
Zeit anbahnt“, warnte Werner Schiffauer vom Rat für Migration, einem Zusammenschluss aus 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, am Montag in Berlin. Die rechtspopulistischen Demonstranten, die vor allem in Dresden zahlreich gegen eine vermeintliche Islamisierung protestieren – am Montagabend waren es rund 18.000 – seien ein Hinweis auf Fehler in der politischen Kultur, so der Kulturwissenschaftler.
In der Integrationsdebatte der vergangenen Jahre sei eine Gruppe vernachlässigt worden: jene Deutsche, die keinen oder kaum Kontakt mit Muslimen und Migranten hätten. Gerade diese lehnten eine vielfältige Gesellschaft ab und hätten Angst vor Überfremdung. „Integration wird von vielen Bürgern als einseitige Leistung von Migranten betrachtet“, kritisierte Andreas Zick vom Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltforschung. Er verwies auf mehrere Studienergebnisse, die das “Integrationsdefizit der Deutschen“ offenbarten.
“Nur nicht in meinem Vorgarten“
Denen zufolge beurteilten rund ein Drittel der Bürger Flüchtlinge lediglich unter dem Leistungs- und Nutzenaspekt – Zick sprach von einer „Sklavenmarkt-Mentalität“. Rund ein Viertel verträten zudem die Ansicht, dass Integration eine alleinige Aufgabe von Migranten sei. „Vielfalt ja, aber doch bitte ohne Muslime, ohne Roma und ohne Flüchtlinge“, fasste die Direktorin des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung Naika Foroutan die ambivalente Einstellung vieler Deutscher zur Integration zusammen.
Der Rat für Migration warnte daher davor, diese Islamfeindlichkeit, wie sie auch Vertreter der Pegida-Bewegung an den Tag legten, mit einer vermeintlichen Angst vor sozialem Abstieg zu erklären. „Damit macht man es sich zu leicht. Wir haben uns da eingerichtet in diesem gemütlichen Bild“, so der Psychologe Zick.
Doch, wie soll man nun umgehen mit den Vorurteilen? Nicht weniger als ein neues deutsches Leitbild, mit dem sich alle Angehörigen der Einwanderungsgesellschaft identifizieren können, fordern die Wissenschaftler. Ein entsprechendes Konzept soll eine überparteiliche Kommission in dieser Legislaturperiode unter der Leitung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoğuz entwickeln, so der Vorschlag. Zudem sei es ratsam, die historische Rolle von Migration für die Bundesrepublik stärker bewusst zu machen. „Eine Einwanderungsgesellschaft muss erklärt werden“, so der Rat. Nur ein Widerlegen der irrationalen Argumente der Islamfeinde werde auf Dauer nicht reichen.