Neue Pegida-Studie

Pegida-Anhänger sind „höchst frustriert weit rechts der Mitte“

Lars Haferkamp22. Januar 2015
Franz Walter: Zustimmung der Pegida-Anhänger für AfD wächst rasant
Franz Walter: Zustimmung der Pegida-Anhänger für AfD wächst rasant
Der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter hat 500 Pegida-Demonstranten befragt. Danach vertreten sie „das Credo des Populismus“ schlechthin. „Und sie wollen nichts von der Universalität der Grund- und Menschenrechte wissen.“ Für die SPD hat Walter einen Tipp zum Umgang mit Pegida.

Herr Professor Walter, sind die Anhänger von Pegida Demokraten?

Jenseits des harten ideologischen Führungskerns würden sich viele so sehen. Sie sind ganz entschieden für Volksabstimmungen, glauben inbrünstig an eine wahre "Volksdemokratie" innerhalb eines durch und durch plebiszitären Systems. Das ist das Credo des Populismus schlechthin und überall, wo er in dieser Welt auftaucht. Was sie bekämpfen, ist die Repräsentation, was sie fürchten, ist die Komplexität und Vielfalt moderner und liberaler Gesellschaften. Und sie wollen nichts von der Universalität von Grund- und Menschenrechten wissen.  

Wenn die Pegida-Anhänger „das System“ kritsieren, meinen sie damit unser demokratisches, parlamentarisches System?

Sie meinen damit sicher die Parlamentarier der "Systemparteien", wie sie es wohl nennen. Sie meinen damit auch Minister, leitende Beamte, erst recht die Regierungschefs. Aber ihre Attacken zielen auch weiter, bekanntlich gegen Medien, übrigens auch oft gegen Uni-Wissenschaftler und so weiter. Sie alle sind "System", lügen, fälschen, täuschen das eigentliche Volk.  

Wie bewerten Sie die Beziehungen der Pegida zur AfD?

Im Laufe der Pegida-Demonstrationen seit November 2014 ist die Zustimmung der Teilnehmer für die AfD rasant gewachsen. Fast alle dort wollen nunmehr diese Partei wählen. Die Zustimmung zur CDU/CSU ist demgegenüber regelrecht eingebrochen. Insofern kann die AfD zur neuen Repräsentantin dieser höchst frustrierten Wähler weit rechts der Mitte werden. Das würde die Partei allerdings weiter nach rechts schieben.  

In ihrer Befragung erklären nur 6 Prozent, sie hätten bei der letzten Bundestagswahl SPD gewählt. Heisst das, die sozialdemokratische Anhängerschaft ist weitgehend immun gegen die Propaganda von Pegida?

Interessant ist, diejenigen zu beobachten, die lange sozialdemokratische Anhänger waren, aber seit einigen Wahlen nicht mehr mitmachen. Die haben sich zuletzt nicht neu orientiert, waren und sind parteipolitisch unbehaust. Die halten sich auch jetzt noch zurück. Aber die Geschichte des Rechtspopulismus in Europa der letzten fünfundzwanzig Jahre zeigt unmissverständlich, dass in der zweiten oder dritten Runde Arbeiter und Arbeitslose, die sich enttäuscht von den Sozialdemokratien abgewandt haben, der neuen Rechten folgen könnten.  

Den populärsten Politikern der Republik, Bundespräsident Gauck und Kanzlerin, vertrauen die Befragten am wenigsten. Wie erklären Sie sich das?

Im Grunde muss man, wenn man erklären möchte, was da in Dresden eigentlich los ist, auf die Jahre 1990/91 zurückschauen. Da fing alles an: eine riesige Enttäuschung, ja Verbitterung, dass plötzlich alles kaputt ging, was zuvor richtig war und auch sozialen Halt gab. Den großen Versprechungen des damaligen Bundeskanzlers, an die viele euphorisch geglaubt hatten, folgte eine Realität des Berufsverlusts, der fundamentalen Einbußen von Anerkennung und Würde. Seither heißt es: "Lügenpolitiker" und "Lügenpresse". Dass gerade die beiden Vertreter aus dem Osten, Merkel und Gauck, jetzt so besonders „westlich“ reden und Verständnis für das Andere, das Fremde äußern, macht sie den Pegadisten offenkundig zu Verrätern.  

Ihre online-Befragung ist nicht repräsentativ. Könnte es sein, dass sich der harte, radikale Kern an so einer Umfrage gar nicht erst beteiligt?

Das ist zumindest nicht unwahrscheinlich, war auch bei der Ausgabe der Fragebögen durch die Mitarbeiter des Göttinger Instituts erkennbar. Aber wir haben diejenigen erreicht, die der Initiative und den Slogans der harten Pegida-Kader nunmehr bereitwillig folgen, diesen Verein ja erst dadurch starkgemacht haben. Ist jedenfalls nicht unwichtig, zu wissen, wie die denken.  

Können Sie den demokratischen Parteien aus der Ergebnissen ihrer Analyse eine Empfehlung zum Umgang mit Pegida geben?

Ich mache das jetzt in Bezug auf die SPD: Noch macht die klassische Kernklientel der Partei nicht bei Pegida mit. Damit das so bleibt und sich nicht so deprimierend entwickelt wie in Österreich, in Frankreich, derzeit auch in Großbritannien, sollten die Sozialdemokraten eine hohe Sensibilität für die Alltagslasten dieser Schichten bewahren, besser: neu gewinnen. Aber das darf nicht sozialtherapeutisch bleiben. Es muss politisch werden; und man muss politisch führen. Mit "Wir alle sind Charlie" wird das nicht gehen.

weiterführender Artikel

Kommentare

Pegida-Anhänger sind „höchst frustriert weit rechts der Mitte“

Ich kann Prof. Walter nur Recht geben, wenn er sagt, dass die Sozialdemokraten eine hohe Sensibilität für die Alltagslasten dieser Schichten, insbesondere der "Mitläufer", die nicht unbedingt Pegida-Anhänger sind, bewahren müssen und dass es politisch werden muss.

Pegida, als Chance zu Volksentscheidungen zu kommen

Wir haben in Bayern gute Erfahrungen mit Volksentscheidungen gemacht, man denke zum Beispiel an das Rauchverbot in Lokalen. Es hat durch die Volksentscheidung eine breite Basis gefunden.

Ich bin gerne bereit, eine Lanze für die Einführung von Elementen der direkten Demokratie zu brechen.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

Klassische Kernklientel

Es klingt schön, wenn der Herr Professor von den Sozialdemokraten eine hohe Sensibilität für die Alltagslasten einfordert. Aber ich denke, diese Forderung geht ins Leere, da sich das Personal der Partei auf allen Ebenen und diese Schichten sich mittlerweile zu weit von einander entfernt haben. Da ist kein Prozess der letzten Jahre, sondern dauert bald schon seit bald einer Generation an. Das hat Walter schon an anderen Stellen nachgewiesen.

Klassische Kernklientel schon längst verloren

In vielen Details sehe ich die Studienergebnisse des Herrn Professors als vorgeprägt von der eigenen Haltung zum untersuchten Gegenstand, ich habe dazu eine andere oder besser differenziertere Meinung. Das Kernklientel, das normalerweise SPD wählt, erfasst teilweise aufgrund medialer und politischer Diffamierung überhaupt nicht, was PEGIDA umtreibt, was sie sind - ein Symptom, eine Entwicklung aus der nicht mehr als transparent, nachvollziehbar wahrgenommen und am Volk vorbei gestalteten Politik heraus. Deshalb läuft es nicht mit. Aber das bedeutet nicht, dass diese PEGIDA und den Umgang mit dieser Bewegung nicht beobachten, es bedeutet auch nicht, dass sie letztlich oftmals ähnliche Sorgen zu Themen wie Migration, TIPP usw. haben wie sie die PEGIDA-Anhänger hinausschreien oder stumm anklage mit ihren Transparenten. Das Klientel, das vielleicht SPD wählen würde, unter diesen, fühlt sich schon längst nicht mehr von der SPD vertreten. In meiner Wahrnehmung entwickelt sich die SPD zu einer Partei, die von intellektuellen (zumindest gibt das die Attitude der Politiker in der SPD her) Eliten geführt wird, die für sich die Deutungshoheit über Gut und Böse besitzen und den Dialog mit Menschen verweigern/nicht einmal versuchen, die durch dieses Raster gefallen sind. Die echten Problemlagen der Menschen auf den unteren bis mittleren Ebenen unserer Gesellschaft sind für sie derart weit weg, dass sie sich erst bemühen müssten um zumindest theoretisches Einfühlungsvermögen. Um aber dem eigenen Anspruch nach einem humanistischen Weltbild zu streben, erfüllen zu können, sorgt man sich besonders um Minderheiten in unserer Gesellschaft und vergisst dabei aber die langweilige Masse, die erst dann wieder interessant wird, wenn Wahlen anstehen. In Sachsen wählten insgesamt im August 2014 nur rund 144.000 Wahlberechtigte die SPD (ca. 7%), nur die Hälfte der Wahlberechtigten ging überhaupt noch zur Wahl. Glaubt man in der SPD, dass nach den derzeitigen Entwicklungen der Abwärtstrend für die SPD, die sich nur noch mikroskopisch wahrnehmbar von den anderen Regierungsparteien unterscheidet, überhaupt aufzuhalten ist? Das klassische Kernklientel hat die SPD längst verloren, sie hat nicht einmal mehr Kontakt. Hat sie noch Interesse? - Oder schaut sie inzwischen nur noch verzückt auf die entstehende "bunte" Gesellschaft, die uns allen ein hochexplosives Gesellschaftsexperiment abverlangen wird, wenn nicht endlich ein durchdachtes und auch die Bevölkerung einbeziehendes (nicht eingefordertes!) Integrationskonzept geschaffen wird, das auch die Migranten - bei aller Berücksichtigung von Nöten, Traumata usw. - fordert und zwingt, sich tatsächlich zu integrieren.

Klassische Kernklientel schon längst verloren

Diese Darstellung ist sehr zutreffend bis auf eine Kleinigkeit wie ich finde, wenn die SPD sich mal wieder mehr am Volk orientiert wird auch die Wahlbeteiligung wieder besser, viele Jugendliche sind interessiert an Politik, da sie jedoch sehen das egal wer dran kommt nur gelogen wird und Entscheidungen permanent gegen das Volk getroffen werden wählt niemand mehr weil sie mit so einem Volksverat und Betrug nichts zutun haben wollen.

Professor Walters Deutungen

Die Auftritte der Politikwissenschaftler Walter und Patzelt erinnern mich an "Wir müssen den Menschen unsere Politik besser erklären." Das hörte ich schon in den 80ern aus SED-Mund.
Der Schwur auf Freiheit, soz. Marktwirtschaft usw. sei ihnen verziehen, denn sie haben die praktische Seite nicht kennengelernt. Ich denke an die Berichte von Bekannten aus dem Arbeitsleben, den innerbetrieblichen Konkurrenzkampf von Menschen die HARTZ fürchten. Ich selbst habe Schikanen reichlich erlebt und hätte die Verursacher gern abgewählt, wenns eine Demokratie gäbe.
Ich denk an Monika, Opfer der soz. Marktwirtschaft, der die Arbeit weggenommen wurde, die Kreditzinsen auf Wucher geschalten und nun das Haus weggenommen wurde. Von wegen Schutz des Eigentums.
Ich denke an die Syrer, denen die "Freunde Syriens" von NATO-Gnaden das Land zerkloppen. Freie Wahlen werden nicht gefordert. Nur der gewaltsame Umsturz steht auf dem Programm. Ich denke an die aussergerichtlichen Hinrichtungen per Drohnen, das vergiftete Vietnam .....
Marktwirtschaft, Kampf Jeder gegen Jeden, "Free Fire Zone" überall.

Aber es gibt einen Lichtblick.
Auch wenn zur Zeit verunsicherte Mittelständler in bedrohter Existenz (siehe Studie UNI DD) unbewusst ihre Ängste auf den Islam verschieben, ist eine konstruktive Antwort auf den Zerfall des Kapitalismus möglich und nötig.
Wir haben noch etwas Zeit. Beispiel BMW-Konzern. Zur Wendezeit lagen die bei einer Personalquote von zwanzig, jetzt bei zwölf Prozent. Machen die so weiter ist 2040 der Karl-Marx-Preis fällig. Kein Geld kein Markt.

Genossen, haltet ausreichend Schnaps bereit.

große Koalition ist Gift für die Demokratie

Warum wählen Menschen rechts- oder linkspopulistische Parteien? Weil CDU und SPD für normale Menschen nicht unterscheidbar sind. Die westdeutsche Demokratie funktionierte, , weil ein echter Wechsel möglich war. Die SPD und die CDU wechselten sich als Rehierungsparteien ab. Doch die Berliner Republik funktioniert nicht nach diesem Muster. Die SPD hat die Linke ausgegrenzt und sich selbst zum Mehrheitsbeschaffer von Merkel gemacht. Damit haben die Menschen keine Möglichkeit für einen echten Wechsel. Die Parteien wirken wie eine Diktatur. Kein Wunder, wenn Menschen auf die Straße gehen. Die Unterschiede zwischen SPD und CDU sind zu gering. Viele Sozialdemokraten sind zu sehr auf ihre Karriere fixiert und vergessen die Menschen die unglaubliche Stapazen auf sich nehmen um ein vernünftiges Leben zu führen. Die Aufgabe sozialer Politik ist Umverteilung. Der Markt verteilt von den Schwachen zu den Starken. Wenn die SPD nicht auf der Seite der Schwachen steht, wird sie überflüssig.

Demokratie in der DDR

Direkt von Untertanenstaat zu Untertanenstaat zur Demokratie. Kein Ostbürger weiß, wie die Demokratie funktioniert. Sie hören nur was von Volk und sehen Berufspolitiker und leben ihre Einstellungsmuster. Die Partizipation die in einer Demokratie nötig ist, kennen sie nicht. Es ist wie in Deutschland Ende der 60iger Jahre. So viele Fragen was im alten System passiert ist und so viele Zweifel die von den Eltern weitergegeben wurden. Wer dieser Enge entfliehen wollte ging nach Westdeutschland. Der Rest blickt traurig auf die Vergangenheit und fühlt sich nicht vertreten von einer SPD in der der Osten für einen Haufen von Idioten gehalten wird.