Im vergangenen Jahr scheiterte die Regierungsbildung noch an persönlichen Differenzen, nun finden die sozialdemokratische PSOE unter Pedro Sánchez und die links-populistische Podemos unter Pablo Iglesias doch noch in einer gemeinsamen Koalitionsregierung zueinander. Der ersten Koalition in Spanien überhaupt seit den 30er Jahren, im Zeichen des fragmentierten Parteiensystems sind die Zeiten einer Allleinregierung indes vorbei.
Sozialdemokraten trotz Verlusten vorne
Beflügelt durch das gute Abschneiden der PSOE bei den Wahlen im April vergangenen Jahres hatte Sánchez zunächst auf ein noch besseres Abschneiden bei den Novemberwahlen gehofft – vergeblich. Er blieb auf Podemos angewiesen. Mehr noch war die Stimmungslage der Mehrheit in der PSOE wie Podemos klar: Weder persönliche Animositäten noch taktische Spielchen um Zahl und Kompetenz von Ministerien sollte es geben – die PSOE hatte im Vergleich zum April drei und Podemos sogar sieben Mandate eingebüsst.
Deshalb auch die schnelle Einigung nach den zweiten Neuwahlen im November mit den demonstrativen Umarmungsszenen. Zudem waren die Kooperationsalternativen begrenzt: Die konservative PP lehnte eine Wahl ab. Die rechtsliberale Ciudadanos, der grosse Wahlverlierer, kam durch die dramatischen Mandatsverluste als Partner nicht mehr in Frage. Schliesslich deuteten die das starke Ergebnis der rechtspopulistischen VOX als Warnschuss.
PSOE will konservative Arbeitsgesetze zurückdrehen
Zwischen beiden Koalitionspartnern gibt es zwar ein Regierungsabkommen in dem die beabsichtigten Schwerpunkte der politischen Arbeit umrissen werden - indes ist es bei weitem nicht mit den detaillierten Koalitionsverträgen etwa in Deutschland vergleichbar. Das sozialpolitischen Vorzeigevorhaben soll das Zurückdrehen der konservativen Reform der Arbeitsgesetze aus dem Jahr 2012 sein. Deshalb haben sich auch die beiden Gewerkschaftsbünde UGT und CCOO so vehement für das Zustandekommen der Koalitionsregierung eingesetzt. Sie erhoffen sich wieder bessere Organisations- und tarifpolitische Handlungsmöglichkeiten. Dazu bedarf es jedoch einer parlamentarischen Mehrheit und im Vorfeld erfolgreicher Übereinkommen zwischen den Sozialpartnern – Ausgang mehr als ungewiss.
Beide Koalitionspartner bringen es nur auf 155 der notwendigen 176 Mandate für eine Mehrheit. Es bleibt eine Regierung auf Abruf und wie jetzt schon bei der Vertrauensfrage abhängig von den baskischen wie katalanischen Regionalparteien. Letztere haben den Regierungschef schon im letzten Jahr bei den Abstimmungen über den Staatshaushalt im Stich gelassen – was dann der Auftakt für die doppelten Neuwahlen war.
Katalonien-Konflikt nachwievor ungelöst
Von den anderen Parteien ist keine Unterstützung zu erwarten: Die rechtsliberale Ciudadanos ist nach dem Wahldesaster und dem Rücktritt ihres Vorsitzenden zunächst einmal mit sich selbst beschäftigt und sucht einen neuen Kurs. Die konservative PP wird nach jeder Möglichkeit Ausschau halten diese (in ihren Augen) „Frankenstein-Regierung“ zu Fall zu bringen.
In einer gemeinsamen Absichtserklärung mit der katalanischen ERC hat Sánchez einem Dialog über den „politischen Konflikt“ zwischen Madrid und Barcelona zugestimmt. Die ERC interpretiert dies schon als Einstieg in Verhandlungen über ein Unabhängigkeitsreferendum. Der Premier hat indes immer deutlich gemacht, dass man zwar über mehr autonome Rechte sprechen könne, indes alles im Rahmen der spanischen Verfassung und des Verbleibs Kataloniens bei Spanien. Schon in zwei Wochen sollen die Gespräche losgehen. Die Konflikte sind vorprogrammiert.
Sánchez für Dialog und Politik der kleinen Schritte
Dabei wäre eine Lösung der Katalonien-Frage ein Segen. Sie hängt wie eine lähmende Dunstglocke über der spanischen Politik und Gesellschaft. Sie spaltet die Parteien und sorgt dafür, dass man oft zu den wirklich wichtigen Zukunftsfragen – wie etwa Rente, Digitalisierung, Klima – nicht vordringen kann.
Wie durchtrennt man den gordischen Knoten der das Land in katalanische Unabhängigkeitsbefürworter (wie die ERC), Verfechter föderativer Lösungen (wie die PSOE und weite Teile von Podemos) und zentralistische Hardliner (PP, VOX) teilt? Letztere würden am liebsten zurück zum starken Zentralstaat und die katalanischen Querulanten erneut unter Zwangsverwaltung stellen. Zum dialogbereiten Kurs von Sánchez und dessen Politik der kleinen Schritte gibt es indes keine Alternative.