Bundesverfassungsgericht

Parteistiftung: Warum die AfD in Karlsruhe teilweise recht bekam

Christian Rath22. Februar 2023
Urteilsverkündung: Die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Doris König (m.), verliest am 22. Februar 2023 die Entscheidung zur AfD-Klage
Urteilsverkündung: Die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Doris König (m.), verliest am 22. Februar 2023 die Entscheidung zur AfD-Klage
Wenn der Bundestag der AfD-nahen Stiftung Geld verweigert, braucht es dafür ein Gesetz. So hat es heute das Bundesverfassungsgericht entschieden. Ein solches Gesetz will die Ampel-Koalition nun rasch erarbeiten.

Der Bundestag hat die Rechte der AfD auf Chancengleichheit der Parteien verletzt, weil er der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ohne gesetzliche Grundlage im Jahr 2019 Zuschüsse verweigerte. Dies entschied an diesem Mittwoch das Bundesverfassungsgericht und gab damit einer Organklage der AfD statt. Eine Nachzahlung von Geldern ordnete das Gericht nicht an.

Derzeit bekommen sechs parteinahe Stiftungen Geld aus dem Bundeshaushalt. Im Jahr 2019 waren es insgesamt 660 Millionen Euro. Empfänger sind die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), die Heinrich-Böll-Stiftung (grün-nah), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah), die Rosa-Luxemburg-Stiftung (links-nah) und die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah).

Parteistiftungen dienen der Demokratie

Zwei Drittel des Geldes fließt in Auslandsprojekte, insbesondere in die weltweite Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zivilgesellschaft. Knapp ein Viertel der Stiftungsgelder erhalten mehr oder weniger parteinahe Stipendiat*innen. Den Rest, rund 130 Millionen Euro, erhielten die Stiftungen als „Globalzuschüsse“ für politische Bildung, Forschung und Politikberatung.

Im Karlsruher Verfahren ging es nur um die Globalzuschüsse. Die AfD hatte ab 2019 beantragt, dass auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) staatliche Zuschüsse erhalten solle. Die AfD hatte die DES als parteinah anerkannt. Vorsitzende ist Erika Steinbach, die zuvor fast 30 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß und seit 2022 AfD-Mitglied ist.

Bundestag verweigert AfD seit Jahren Gelder

Der Bundestag verweigerte der AfD-nahen Stiftung jedoch Jahr für Jahr die Zuschüsse. Anfangs hieß es zur Begründung, dass die AfD erst noch zeigen müsse, dass sie eine dauerhafte Kraft ist. Nach dem zweiten Einzug in den Bundestag 2021 beschlossen die anderen Fraktionen erstmals einen Vermerk zum Bundeshaushalt 2022, wonach parteinahe Stiftungen nur dann finanziert werden, wenn keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Wieder ging die DES leer aus.

Im aktuellen Urteil ging es nur um das Jahr 2019. Für die Jahre 2020 und 2021 hatte die AfD zu spät geklagt. Und für das Jahr 2022 wurde das Verfahren abgetrennt, weil die AfD hier ihren Antrag erst zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung Ende Oktober gestellt hatte. Der Bundestag und die Bundesregierung hätten sich darauf nicht ausreichend vorbereiten können. Um die 2022 erstmals geforderte Verfassungstreue ging es daher im Urteil nur am Rande.

Karlsruhe: Chancengleichheit der Parteien

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vizepräsidentin Doris König stellte fest, dass die Verweigerung der Finanzierung einer parteinahen Stiftung ein Eingriff in die Rechte der Partei selbst darstellt. Denn die Arbeit der Stiftung nütze ihr im Parteienwettbewerb, auch wenn die Stiftungen personell mit den jeweiligen Parteien nicht identisch sein dürfen und auch keinen Wahlkampf betreiben dürfen. Doch in der politischen Bildung verbreiten die Stiftungen allgemeines Gedankengut der jeweiligen Parteien. Bei der politischen Forschung liefern sie nützliche Erkenntnisse und die Begabtenförderung helfe bei der Gewinnung und Förderung qualifizierten Nachwuchses. Der Nutzen für die jeweilige Partei sei zwar nicht messbar, aber es wäre realitätsfremd, einen Nutzen zu bestreiten, so die Richter*innen.

Dieser Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien ist nur auf gesetzlicher Grundlage möglich - das ist die zentrale Aussage des aktuellen Urteils. Ein Vermerk im Haushaltsgesetz (wie 2022) genüge nicht, da das Haushaltsgesetz keine Außenwirkung habe. Nur weil ein solche Gesetz fehlt, nahmen die Richter*innen eine Verletzung der Rechte der AfD an.

Ausschluss zum Schutz der Demokratie möglich

Falls der Bundestag der AfD-nahen Stiftung weiter Gelder verweigern will, muss er also ein Gesetz beschließen. Hierfür habe das Parlament einen gewissen „Gestaltungsspielraum“, so die Richter*innen. Unbedenklich sei jedenfalls eine Norm, die parteinahen Stiftungen nur dann Anspruch auf Finanzierung gibt, wenn es sich um eine „dauerhafte, ins Gewicht fallende Grundströmung“ handelt.

Möglich sei es auch, so Karlsruhe, eine parteinahe Stiftung von der Finanzierung auszuschließen, wenn dies „zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, also zum Schutz von menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat, „erforderlich“ ist. Details hierzu nannten die Richter*innen nicht.

SPD: Stiftungsgesetz soll schnell kommen

Ulrich Vosgerau, der Rechtsvertreter der AfD, forderte eine Nachzahlung von Zuschüssen für das Jahr 2019 an.  Dies hat das Gericht jedoch nicht angeordnet. Es hat nur festgestellt, dass die Verweigerung der Zuschüsse für die DES 2019 verfassungswidrig war.

Inzwischen kündigten alle Ampel-Parteien an, dass sie kurzfristig ein entsprechendes Gesetz erarbeiten wollen. „Kein Geld für Verfassungsfeinde - nach diesem Grundsatz werden wir nun schnell ein Stiftungsgesetz im Deutschen Bundestag erarbeiten und verabschieden“, sagte etwa Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion.

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Kommentare

Es ist unglaublich, wie sich

Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette. Nicht prüfbare Unterstellungen und Verdächtigungen, die durch keine glaubwürdigen Argumente oder Quellen gestützt sind, werden gelöscht. Die Redaktion

ein Armutszeugnis, sehenden Auges in die

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na ja, die Etikette die macht es nicht leicht, unbequeme Fakten

darzustellen. Fakt ist doch, dass die Verfassungswidrigkeit schon im Parlament bekannt war, und es Bestrebungen namhafter Teile gegeben hat, die Parteienförderung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Es mag ja gute Gründe gegeben hatten, eine parlamentarische Debatte die im Gesetzgebungsverfahren unumgänglich ist, zu vermeiden. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, nun kommt, was kommen musste, es wird eng, auch für die FES- ohne Not

Dünnes Eis

2022 haben Grüne+Linke+SPD+FDP+CDU+CSU aus meiner Sicht ein Hirngespinst in das Haushaltsgesetz eingefügt, um die unliebsame politische Konkurrenz der AfD zu bekämpfen und zu verhindern. Jetzt wurden sie vom Bundesverfassungs-gericht dazu verpflichtet, ein ordentliches Gesetz zur Finanzierung von parteinahen Stiftungen aus Steuermitteln zu machen. Man muss sich nun allerdings fragen, warum parteinahe Stiftungen überhaupt Steuergelder bekommen sollen und warum sie so etwas über die Parteien zugeschanzt bekommen können. Dem gehörte eigentlich ein Riegel vorgeschoben.

Abgesehen davon sind die Hinweise des Bundes-verfassungsgerichts, wie man parteinahe Stiftungen künftig von der Finanzierung durch Steuergelder ausschliessen könne, dünnes Eis. Gegebenenfalls muss dann eben noch mal geklagt werden. Denn man wird die AfD und ihre parteinahe Stiftung nicht ohne Verfassungsgerichtsurteil als verfassungwidrig hinstellen können.

ich stimme ihnen gerne zu , wenn man mich lässt- so respektlos

sollten man mit der Verfassung nicht umgehen, offensichtlich verfassungswidrig handeln, die klage provozieren und dann hoffen, dass sich das BVG viel zeit nimmt. man mag das als Bauernschläue gutheissen- ich mach das nicht. sage keiner, er sei überrascht vom Urteil

Parteistiftung

Ich verstehe nicht, dass die Juristen in der Bundestagsverwaltung nicht selbst gemerkt haben, dass die Gewährung von geldern an Parteistiftungen einer wirksamen Rechtsgrundlage bedarf.

Bleibt nun zu hoffen, dass das geplante Gesetz auch so wasserdicht ist, dass es einem neuen Verfahren standhält.

ja, daswürde voraussetzen, den politischen Gegner, meinetwegen

Wenn die AfD verfassungsfeindlich agiert, muss sie verboten werden. Die Bagatellregelung, die vom BVG gegen das Verbot der NPD ins Feld geführt wurde, kann ja nun wahrlich nicht für die AfD gelten, wenn diese in einigen Ländern wohl die derzeit führende Kraft in der Wählergunst ist. Dass man ein Verbotsverfahren nicht anstrengt, belegt doch eindrucksvoll, dass die AfD die Kriterien , nach denen eine Partei verboten werden kann, nicht erfüllt. Dass man sie gleichwohl als verfassungsfeindlich diskreditiert, ist ja in Ordnung, es besagt nur gar nichts im juristischen Sinn, sondern gehört zu den üblichen Wahlkampfritualen. Also wird nicht übrig bleiben, als die parteinahe Stiftung ebenso zu finanzieren wie die anderen Parteinahen Stiftungen, also ganz oder gar nicht