Europa ist die Antwort

Parteikonvent beschließt einstimmig SPD-Programm für die Europawahl

Kai Doering23. März 2019
SPD-Spitzenkandidaten Katarina Barley und Udo Bullmann: Der Parteikonvent hat das Programm für die Europawahl einstimmig beschlossen.
SPD-Spitzenkandidaten Katarina Barley und Udo Bullmann: Der Parteikonvent hat das Programm für die Europawahl einstimmig beschlossen.
Einstimmig hat die SPD auf einem Parteikonvent ihr Programm für die Europawahl beschlossen. „Kommt zusammen und macht Europa stark“ lautet der Titel. Spitzenkandidatin Katarina Barley kritsierte die CDU scharf.

Im Juni 1979 gab es eine Premiere. Erstmals konnten die Bürgerinnen und Bürger aus den damals neun EU-Staaten das europäische Parlament direkt wählen. Vorher war das Europaparlament aus Vertretern der nationalen Parlamente gebildet worden. Von einem „demokratischen Quantensprung“ spricht am Samstagvormittag Andrea Nahles mit Blick auf die Ereignisse vor 40 Jahren. Die SPD trifft sich in Berlin zu ihrem Parteikonvent, um ihr Programm für die Europawahl am 26. Mai zu beschließen.

Soziales Europa statt Wirtschaftsgemeinschaft

Andrea Nahles
Andrea Nahles

Der Blick der Genossinnen und Genossen geht dabei zunächst zurück. „Europa war die Antwort auf die Geißeln der Vergangenheit“, betont SPD-Chefin Nahles. Und Katarina Barley erinnert daran, dass die Europäische Union als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde. „Es ist an uns, jetzt den nächsten Schritt zu machen“, fordert die Spitzenkandidatin für die Europawahl ihre Partei auf. „Wir brauchen das soziale Europa.“

Für Barley bedeutet das etwa, sich gemeinsam mit den Gewerkschaften für eine starke Arbeitnehmermitbestimmung in Europa einzusetzen. „Wir müssen Dumpinglöhne abstellen und einen europaweiten Mindestlohn einführen“, fordert sie. Im Wahlprogramm schlägt die SPD vor, dass dieser 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen soll. „Für Deutschland sind das zwölf Euro pro Stunde“, rechnet Katarina Barley vor. Wenn Arbeitnehmer in ihrem Heimatland einen auskömmlichen Lohn bekämen, müssten sie dieses nicht verlassen“, so Barley.

Jugendgarantie und Wahlalter 16

Katarina Barley
Katarina Barley

Besonders hat die Spitzenkandidatin dabei die jungen Europäerinnen und Europäer im Blick. Die sind vor allem in Südeuropa von Arbeitslosigkeit betroffen. „Wir müssen eine starke Zukunft für die junge Generation bauen“, fordert Barley. In ihrem Wahlprogramm fordert die SPD deshalb eine „Jugendgarantie“: allen jungen Menschen unter 25 Jahren sollen innerhalb von vier Monaten konkrete Angebote für ihre berufliche Zukunft gemacht werden, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Außerdem fordern die Sozialdemokraten die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Als Verbündeten sieht Katarina Barley dabei Frankreichs Präsident Emmanual Macron. Der sei zwar „wahrlich kein Sozialdemokrat“, aber er habe „verstanden, dass es ohne ein soziales Europa nicht geht“. Dass es als Antwort auf Macrons europapolitische Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel nur „dröhnendes Schweigen“ gebe, kritisiert Barley. Noch schlimmer seien aber die Ideen von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Ein Europa der Banken und ein europäischer Flugzeugträger sind nicht unsere Vorstellung von Europa“, so Barley.

Scharfe Kritik an der Union wegen Orban

Abstimmung Parteikonvent
Einstimmig haben die Delegierten des Parteikonvents das Europawahlprogramm beschlossen.

Noch schärfer attackiert Barley CDU und CSU für ihren Umgang mit Ungarns Regierungschef Victor Orban. Dieser höhle in seinem Land seit Jahren die Demokratie aus und greife europäische Werte zentral an. „Die CDU hat dazu nicht gesagt, die CSU hat ihn sogar regelmäßig zu ihren Parteitagen eingeladen.“ Dass sich die europäische Volkspartei vor einigen Tagen dazu durgerungen hat, Mitgliedshaft von Orbans Fidesz-Partei für ein halbes Jahr auszusetzen, reicht aus Barleys Sicht nicht. „So kann man Rechtsstaatlichkeit in Europa nicht durchsetzen“, ist sie überzeugt.

Die SPD macht sich deshalb in ihrem Wahlprogramm dafür stark, dass Mitgliedsstaaten „bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Standards“ die Zuwendungen aus dem EU-Haushalt „spürbar“ gekürzt werden. „Dieses Frühwarnsystem wird ein wichtiger Baustein sein im Kampf für Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“, ist Katarina Barley überzeugt.

Bullmann: Mit mir wird es keine Hinterzimmerdeals geben

„Ich glaube fest daran, dass die Hetzer und ewig Gestrigen nicht durchkommen“, sagt auch SPD-Chefin Andrea Nahles und verspricht, die SPD werde mit Herzblut für Europa kämpfen. „Wir lassen uns Europa nicht kaputt machen. Unsere Werte sind stärker.“ Die Antwort auf die unsicherer werdende Welt könne „nur ein starkes und vereintes Europa“ sein. Das bedeute allerdings nicht, europäische Wirtschaftsinteressen über die Frage von Krieg und Frieden zu stellen.

Udo Bullmann
Udo Bullmann

Waffenexporte nach Saudi-Arabien schließt die SPD-Vorsitzende deshalb aus. Zwar stehe die SPD „ohne Wenn und Aber für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“, aber „solange im Jemen Woche für Woche Menschen sterben und Kinder hungern, solange Saudi-Arabien dort Kriegspartei ist, solange darf es keine weiteren Waffenlieferungen aus Deutschland dorthin geben“, fordert Nahles. „Wir wollen eine restriktive Rüstungspolitik und Rüstungsexportpolitik, und wir wollen keine europäischen Waffen in Kriegsgebieten.“

Udo Bullmmann wirft am Samstag bereits einen Blick auf die Zeit nach der Europawahl. „Wir werden mit allen vernünftigen Kräften reden“, kündigt der SPD-Spitzenkandidat und Vorsitzende der S&D-Fraktion im Europaparlament an. Einen Automatismus für eine große Koalition mit der EVP gebe es nicht, zumal diese „zu wenige Herzblut für Europa“ habe und „runter vom hohen Ross“ müsse. „Wir können am Tag nach der Wahl ein großes Rad drehen“, sagt Bullmann. „Hinterzimmerdeals wird es mit mir nicht geben.“

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Kommentare

„Europawahlkampf gegen Populisten“

Gegen die „Hauptgegner, ... die Spalter, Populisten und Hetzer, ... [mit den] Themen Soziales und Steuergrechtigkeit“- jetzt auch einstimmig vom Konvent verabschiedet! Gut so!!
Ich habe immer gedacht, typische EU-Themen (und nicht nur Sozialpolitik) sollten den EU-Wahlkampf wenn nicht dominieren, so doch deutlich akzentuieren - beispielsweise Außen und Sicherheitspolitik. Meine Hoffnung war, dass die SPD aus dem Schweigekartell über die militärischen Ambitionen der rechten Konservativen und deren Unterstützung in den EU-/Nato-Greminen ausschert und offensiv für ein Modell rein konventioneller Verteidigung der EU eintreten würde. Das könnte ein europäisches Leuchtturmprojekt und SPD-Alleinstellungsmerkmal werden!!
Siemtje Möller (?) hat mir am 21.3. im Bundestag gezeigt, welch Einfaltspinsel ich bin. Sie redete in der Aussprache über das Bundeswehrmandat „Sea Guardian“ ganz beiläufig darüber, dass die Bundeswehr unsere Handelswege auf den Weltmeeren sichern müsse, erwähnte dabei ausdrücklich den „indo-pazifischen Raum“ und das „Polarmeer“!!
Es ist gut, dass die SPD ihr „mehr Verantwortung übernehmen“ nicht näher erläutert – sie würde auch noch viele ihrer Restwähler verlieren.

Verbündeter Macron - über die Selbsttäuschung der SPD

"Einen Automatismus für eine große Koalition mit der EVP gebe es nicht,..."
Die Große Koalition im EPl hat unter Matin Schulz jahrzehntelang das System Europa zusammengehalten. Es ist bezeichnend, dass über die nach dem Abgang von MS erfolgte Auflösung der Koalition keinerlei Diskussion stattgefunden hat. Die Verzwergung der S&D ist eingeleitet, und es scheint keinen in der SPD bzw. dem Parteikovent zu kümmern. Hauptsache man kann linke Maximalforderungen in die Welt setzen. Mit Macrons Programm hat dies alles herzlich wenig zu tun. Die S&D ist offenbar auf dem Weg in die typische Oppositionspartei. Das Schicksal der BayernSPD läßt grüßen.

Katarina Barley

Der Parteikonvent hat beschlossen, aber nicht DIE SPD !
ABER: ist es richtig, daß das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (Chefin K.B.) sich bei den Verhandlungen um die geplante EU-Verbandsklage dafür eingesetzt hat, den Kreis der klageberechtigten Verbände so zu beschränken, dass unter anderem die Deutsche Umwelthilfe dies neue Instrument nicht nutzen könnte. ?????? (taz 22.3.19)

Bullmann: Mit mir wird es keine Hinterzimmerdeals geben

Das wäre ja noch schlimmer; denn die Glaubwürdigkeit der SPD ist ohnehinstark angekratzt. Aber deshalb sollte die neue Fraktion im Europarlament sich auch eindeutig einsetzen:
-gegen Steuerflucht und gegen die Billigung von Steueroasen,
-für eine gerechte Steuerpolitik in allen EU-Ländern, bei der endlich die weniger Begüterten entlastet und die Reichen, insbesondere die Konzerne endlich zur Kasse gebeten werden; dieses Geld ist dringend notwendig für Infrastruktur, bessere medizinische Versorgung, bessere Bildungspolitik etc.,
-gegen Waffenexporte und Kriegspolitik in anderen Ländern und damit eine eine echte Verhinderung von Fluchtursachen,
-gegen diskriminierende und konzernfördernde Freihandelsabkommen,
- gegen eine Kriminalisierung von Wisthlebowern und für die Unterstützung von Veröffentlichungen von Steuerbetrug, Geheimabkommen etc.
-gegen eine devote Vasallenhaltung gegenüber den USA und für die Abschaffung der Sanktionspolitik gegenüber Russland,
-gegen eine Unterstützung von Diktaturen in der Türkei, der Ukraine und anderswo durch Waffenlieferungen und Finanzhilfen,
-für die sofortige Beendigung der Austeritätspolitik gegenüber Griechenland!

Europawahl

Nachdem ich heute Zeit hatte, die Beschlüsse des Parteiconvents zu lesen, interessierte mich besonders der Beschluss zur Initiative „Internationale Steuergerechtigkeit und fairer Wettbewerb“.

Hierzu muss ich sagen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn mit der Zusage zur Einführung der Finanztransaktionssteuer hat die Union die SPD bereits 2012 (vor sieben Jahren!) über den Tisch gezogen, die SPD hat sie danach in zwei BT-Wahlkämpfen versprochen, und was ist bisher geschehen? N i c h t s !!!
Finanzminister Scholz, über dessen "Schlüsselministerium" die SPD nach den Koalitionsverhandlungen so stolz war und deshalb für die Zustimmung zur GroKo geworben hat, versucht lediglich, seinen Vorgänger Schäuble mit seiner Schwarzen Null zu übertreffen.
Dass er den Forderungen zum Budget des Kriegsministeriums b i s h e r noch nicht in vollem Umfang entsprochen hat, ehrt ihn zwar, aber er hat diesen Etat dennoch erhöht, und außerdem ist der Haushalt noch nicht beschlossen. Und - wie im Falle Maaßen - wird die SPD zum Erhalt dieser Koalition, die ihr eine weitere Wahlschlappe bescheren wird, den Forderungen zur Erhöhung des Kriegsetats zustimmen.

einstimmig beschlossen

Wenn das ein Qualitätsmerkmal sein soll, dann kommen die 100 % in Erinnerung, mit der Martin Schulz gewählt wurde.

Und beim Volkskongreß in der VR C gibt es auch solche Ergebnisse.

Mir wäre wohler, wenn die Partei lebendiger wäre