Organisationspolitische Kommission

Partei-Erneuerung: So könnte die neue SPD aussehen

Kai Doering03. September 2019
Weniger Parteitagsdelegierte, dafür mehr direkte Online-Mitbestimmung – das schlägt die Organisationspolitische Kommission der SPD in ihrem Zwischenbericht vor.
Weniger Parteitagsdelegierte, dafür mehr direkte Online-Mitbestimmung – das schlägt die Organisationspolitische Kommission der SPD in ihrem Zwischenbericht vor.
Online-Schulungen, digitale Mitgliederbefragungen und verkleinerte Parteitage: Die Organisationspolitische Kommission hat erste Vorschläge zur strukturellen Neuaufstellung der SPD vorgelegt. Im Mittelpunkt sollen die Mitglieder stehen.

Als Lars Klingbeil Ende 2017 Generalsekretär der SPD wurde, trat er mit einem Versprechen an. „Ich werde jeden Stein umdrehen“, sagte Klingbeil mit Blick auf die Parteistrukturen. Diesen Worten sollen nun sehr bald Taten folgen. Am Montag hat die „Organisationspolitische Kommission“ unter Klingbeils Leitung dem Parteivorstand einen Zwischenbericht vorgelegt. Darin finden sich eine Reihe von Vorschlägen, wie sich die SPD künftig aufstellen könnte, um zu neuer Stärke zu finden und „ein spannender Ort der politischen Debatte“ zu werden, wie es in einem Beschluss des Parteitags im April 2018 heißt.

Parteitag und Vorstand könnten deutlich schrumpfen

So gibt es den Vorschlag, die Arbeit der Ortsvereine und Arbeitsgemeinschaften durch Themenforen im Internet zu ergänzen. Er geht zurück auf eine Idee, die die Initiative „SPDplusplus“ bereits zum vergangenen ordentlichen Bundesparteitag aufgebracht hatte. Die Themenforen könnten auch beratende Mitglieder zu Parteitagen und zum Parteikonvent entsenden. Auch Mitgliederbefragungen und -entscheide könnten künftig digital stattfinden, Mitgliederbegehren online eingebracht werden. „Wir wollen die Rechte der Mitglieder ausbauen und mehr Wege der Beteiligung schaffen“, sagt Lars Klingbeil dazu.

Die Führungsgremien der Partei will der Generalsekretär „agiler und effizienter machen“. So könnte der Bundesparteitag von derzeit 600 auf 480 Delegierte schrumpfen, der Parteikonvent von 200 auf 150. Auch der Parteivorstand, der zurzeit 35 Mitglieder umfasst, könnte verkleinert, die Zahl der stellvertretenden Vorsitzenden reduziert werden. „Es geht jetzt um echte Umbrüche in der SPD, um tiefgreifende Veränderungen, an die sich viele in den letzten Jahren nicht ran getraut haben“, so Klingbeil.

Die Mitglieder auf die Straße bringen

Ziel des Generalsekretärs ist es, dass Funktionsträger wie Parteibasis vor Ort präsenter sind etwa durch Hausbesuche und Diskussionsveranstaltungen. Um die Mitglieder zu unterstützen, schlägt die Organisationspolitische Kommission deshalb vor, dass das Willy-Brandt-Haus ihnen Verfahren und Methoden an die Hand gibt, mit denen sie ihre Arbeit gestalten können. Die Parteischule soll zudem ab dem kommenden Jahr regelmäßig Online-Schulungen anbieten und die politische Bildung der Mitglieder stärken.

„Wir wollen die SPD fit für die Zukunft machen und sie auf Höhe der Zeit aufstellen“, beschreibt Lars Klingbeil das Ziel. „In der Reformkommission ist noch einiges im Fluss, vieles aus dem jetzigen Zwischenbericht geht meiner Meinung nach aber schon in die richtige Richtung.“ Ende September will die Kommission ihre Vorschläge dem Parteivorstand vorlegen. Der Bundesparteitag im Dezember muss dann darüber entscheiden, ob sie in der Satzung der Partei verankert werden.

weiterführender Artikel

Kommentare

Dürfen wir mit Ihnen über Jes... Spd sprechen ?

Ich muß gestehen das mir bei der Idee mit "Hausbesuchen" die berühmten "Zeugen" spontan ins Gedächtnis kamen.
Allerdings halte ich solche Besuchsangebote für deutlich verfrüht, solange die Bundes-SPD ihren Unterstützern vor Ort durch schlechte Politik und devote Unterwerfung unter Fremdinteressen permanent ganze Urwälder zwischen die Beine wirft.
Man könnte versuchen, die verschiedenen Teilaspekte zu kombinieren.

Mehr Mitspracherechte von unten nach oben und daraus folgende öffentlich sichtbare Politikänderungen können auch den Zeugen Willis wesentlich mehr Werbewirkung verleihen als ein "Wir erneuern uns seit mehr als einem Jahr, ist aber nicht viel passiert, kommt aber ganz bestimmt irgendwann".

Auch muß die Partei ihren Wählern und Werbeträgern klare Informationen geben können, welche Ziele sie hat und wie sie die erreichen will. Idealerweise ergänzt durch bindende "Kompromisse gehen maximal bis da und nicht weiter" Festlegungen.

Die Organisationsstrukturen anzugehen mag notwendig sein aber ich vermisse hier klare Ansagen zur Stärkung der Mitspracherechte und Wechsel der abgehobenen "Wir wissen alles besser" Haltung zu demokratischem Dienstverständnis.

Auch mutigere inhaltliche und passende personelle Erneuerung

Die beginnende strukturelle Erneuerung ist dann erfolgreich, wenn aus ihr alsbald auch eine mutige inhaltliche und die dazu passende, glaubhafte personelle Erneuerung folgt. Ein Rohrkrepierer ist sie aber dann, wenn dennoch die alten(meist) rechtslastigen, zu wirtschaftsnahen, neoliberalen (meist) Männernetzwerke obsiegen und das "Weiterso" in eine weitere Verlängerung geht, ohne dass ein verbindlicher Richtungszeig die Jugend wieder in´s Boot holt, der die Groko wiederholt nachhaltig die Zukunft verbaut.
Zahlreiche Notstände und verfehlte lebenswichtige Ziele gehen auf das Konto dieser konzernnahen, lobbyhörigen Groko-Clique.
Viel zu lange wurde sogenannte "Arbeitsmarktpolitik" auf Kosten unserer Lebensgrundlagen und mit dem Ergebnis einer zerstörten Umwelt und dank prekärem unterbezahlter Arbeit und Ausverkauf der Daseinsvorsorge, gespaltenen Gesellschaft gemacht! Jetzt Zeichen setzen für Richtungswechsel und Ende langjährigen Groko-Desasters !!!
Abpfeifen !

Organisationskommission in die falsche Richtung

Ich hielte es für falsch Parteivorstände oder Parteitage zu verkleinern. Wir brauchen vielmehr dort mehr beteiligte Genoss*innen. Aber es dùrfen nicht mehr nur Berufspolitiker sein, die dort bestimmen, sondern höchstens 30%.
Berufspolitische sind nicht wie Normalverdiener in sozialen Lebens- und Arbeitszusammenhängen verankert, wie Normalverdiener.
Ihr Job ist es von vornherein "Kompromisse" zu suchen und ihre pol.Job zu sichern.
Sie können heute dies und morgen das Gegenteil vertreten, weil sie nur "Vertretungspoltik" machen.
Berufspolitikern muss die Basis ständig den Rücken stärken, sonst fallen sie um. In den letzten Jahrzehnten hat die Berufspolitiker-Zunft die totale Kontrolle über die Partei(en) übernommen und sie flattern bei jedem neuen Windhauch ihrer "Leitmedien".

Online-Themenforen

"durch Themenforen im Internet"

Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Anfang 2016 hatte ich das hier bei einem Vorwärts-Artikel vorgeschlagen: https://www.vorwaerts.de/blog/noch-spd-geht-artikel

Es ist schön zu sehen, dass man in der SPD etwas verändern kann, nicht alleine und nicht von heute auf morgen, aber gemeinsam mit vielen anderen und der notwendigen Hartnäckigkeit. Manchmal ist es nur etwas schade, dass das Engagement der aktiven Basis nicht immer die Wertschätzung erfährt, die es erfahren sollte. Oft bekommt man zu solchen Vorschlägen und Ideen leider nicht einmal eine ordentliche Antwort. Ich hoffe, dass die Foren nun auch gut gemacht werden.

Glück auf,
Nikolai