La République en Marche

Parlamentswahlen in Frankreich: Macron wird alternativlos

Hannes Alpen09. Juni 2017
Emmanuel Macron und seine Partei La République en Marche rütteln Frankreich durcheinander. Was die Parlamentswahl für das Land und Europa bringt, bleibt abzuwarten.
Emmanuel Macron und seine Partei „La République en Marche“ rütteln Frankreich durcheinander. Was die Parlamentswahl für das Land und Europa bringt, bleibt abzuwarten.
Am Sonntag findet der erste Durchgang der Parlamentswahl in Frankreich statt. Der neuen Partei von Präsident Macron „La République en Marche“ wird eine absolute Mehrheit vorhergesagt. Was bedeutet das für Frankreich und Europa?

Dem französischen Regierungssprecher Christophe Castaner zufolge haben die Französinnen und Franzosen bei den beiden Durchgängen der Parlamentswahl am 11. und 18. Juni eine einfache Wahl zu treffen: „Weiter so, oder Stop“. Übersetzt heißt das: Soll der frisch gewählte Präsident Emmanuel Macron zukünftig von einer starken Vertretung seiner Partei im Parlament unterstützt werden oder soll seine Regierung sich mit dem mühsamen Ringen um Mehrheiten beschäftigen?

Was mit dieser Frage implizit gemeint ist, das sind die politischen Klüngeleien, die faulen Kompromisse, all das was Emmanuel Macron hinter sich lassen will. Und bisher sieht es tatsächlich danach aus, als habe sich die Republik, wie es der Name seiner Partei „La République en Marche“ vorgibt, in Bewegung gesetzt und auf den Weg gemacht, zumindest das Parteiensystem in Frankreich gründlich zu verändern.

Macrons Partei peilt die absolute Mehrheit an

Jüngsten Umfragen zufolge kann die neue Partei Emmanuel Macrons mit einer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung rechnen. Zwischen 385 und 415 der insgesamt 577 Sitze schreibt das Umfrageinstitut Ipsos dessen Partei und dem assoziierten „Mouvement démocrate“ zu. Das konservative Parteienbündnis um „Les Républicains“ kommt demnach auf 105 bis 125 Sitze. Der linksextremen Partei „La France insoumise“ von Jean-Luc Mélenchon und dem rechtsextremen „Front National“ von Marine Le Pen schreibt Ipsos jeweils 12 bis 22, beziehungsweise 5 bis 15 Sitze zu.

Der größte Verlierer der Parlamentswahlen aber werden die Sozialisten (Parti socialiste, PS) sein. Die Partei war bisher stärkste Kraft mit 295 Sitzen und fällt nun zusammen mit kleineren assoziierten linken Parteien voraussichtlich auf zusammen 25 bis 35 Sitze zurück. Sollten sich diese Umfragewerte bestätigen, wäre das eine historische Pleite, von der sich die PS nur sehr mühsam erholen dürfte.

Besiegelt die Wahl das Ende der Parti socialiste?

Aufgrund der desolaten Umfragewerte hat die Parteizentrale der PS bereits bekannt gegeben, dass es keinen Wahlabend der Partei am 11. Juni geben wird. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach nichts zu feiern geben, da will man sich die öffentlichen Bilder der Niederlage lieber ersparen, haben sich die Parteilenker der PS sicher gedacht. Allerdings erzeugt die Vorstellung, dass die Parteifunktionäre und Parteianhänger die Ergebnisse einzeln vor ihren Fernsehern erfahren werden, ein unfreiwillig passendes Bild für die Zerrüttung der Partei.

Es gibt derzeit keine verbindende politische Idee in der Partei. Während sich der rechte Flügel der „Sozialdemokratisierung“ verschrieben hat, wird eben diese von den linken Sozialisten als Schimpfwort verstanden. Und während der linke Flügel der Partei Gefahr läuft, von links von Jean-Luc Mélenchon und seiner „France insoumise“ überholt zu werden, zeigte der rechte Parteiflügel bereits vor den Präsidentschaftswahlen deutliche Sympathien für Emmanuel Macron und ließ jeden parteipolitischen Korpsgeist vermissen.

Allen voran der ehemalige Premierminister Manuel Valls, der die PS mittlerweile offen für „tot“ erklärt hat und sich als Kandidat der „République en marche“ präsentieren wollte, die bisher die doppelte Parteizugehörigkeit akzeptiert. Valls‘ Vorhaben scheiterte daran, dass er es verpasst hatte, sich dem Nominierungsprozess der Partei zu stellen. Emmanuel Macron wollte auch für einen großen Namen keine Ausnahme machen und konnte die Situation nutzen, um zu beweisen, dass er Schluss machen würde mit der „alten Art“ Politik zu machen.

Wird Macron der neue linke Partner in Europa?

Was bedeuten der Niedergang der PS und der Erfolg Emmanuel Macrons nun für die linke Mitte in Deutschland und Europa? Wenn schon Manuel Valls sich zwar weiterhin den „Werten und der Tradition“ der PS verpflichtet fühlt und auch Parteimitglied bleiben will, sonst aber der PS keine Träne nachweint, bedeutet das, dass zukünftig nunmehr die „République en marche“ und nicht die PS als politische Ansprechpartnerin der linken Mitte in Frage kommt? Viele Progressive fühlen sich vom Erfolg Emmanuel Macrons mitgerissen. Steht er nicht für ein offenes, für ein europafreundliches und in seiner Wirtschaftspolitik am Ende sozialdemokratisches Frankreich? Vielleicht ist es noch zu früh, Macrons Politik fest einzuordnen.

Bisher profitiert er davon, dass fast jedes politische Spektrum – nicht allein die linke Mitte – in seinem Programm Anknüpfungspunkte sieht: die Wirtschaftsliberalen bei seinen Arbeitsmarktreformen, die Progressiven bei seinen pluralistischen und europafreundlichen Einstellungen, die Konservativen bei seinen markigen Worten zur Verteidigungspolitik und seinem präsidentiellen Habitus. Macron gibt sich diskreter als François Hollande und tritt staatsmännischer auf. Allen Franzosen gefiel, wie er selbstbewusst dem brachialen Händedruck des amerikanischen Präsidenten Donald Trump standhielt.

Exoten und politische Neulinge

Die Anschlussfähigkeit Macrons und die voraussichtliche absolute Mehrheit im Parlament geben allerdings Kritikern bereits Anlass, darin das Ende des streitlustigen Frankreichs und einer kritischen demokratischen Debatte zu sehen. Die Alternative „République en marche“ würde quasi alternativlos. Andere sehen ein Problem darin, dass ein Großteil der Neugewählten absolute Politikneulinge sein dürften. Zur Wahl für „République en marche“ stehen politische Exoten wie die ehemalige Stierkämpferin Marie Sara oder der dandyhafte Mathematik-Professor Cédric Villani.

Es bewegt sich tatsächlich etwas in Frankreich. In welche Richtung, das wird von Schritt zu Schritt zu bewerten sein. Etwa wenn Macron entscheidet, welcher Fraktion sich seine Partei im Europaparlament anschließen will. Gerüchten zufolge wird es die Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) sein.

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